

Story: Shujiro Saga (Junichi Okada) war einst Samurai, doch die Meiji-Ära ist in Japan angebrochen und für Schwertkämpfer gibt es keinen Platz mehr. Stattdessen haben Schusswaffen aus dem Westen ihren Weg in die Armee gefunden und die Regierung wurde ebenfalls modernisiert. Shujiro lebt ein einfaches, aber glückliches Leben mit seiner Familie, bis es zu einem Cholera-Ausbruch in seinem Dorf kommt. Zuerst stirbt seine Tochter, dann werden auch noch seine Frau und sein Sohn krank. Er hat kein Geld für Medikamente, bekommt jedoch mit, dass ehemalige Samurai aus dem ganzen Land zusammengerufen werden, um an einem Wettkampf teilzunehmen, dessen Preisgeld 100 Milliarden Yen umfasst. Shujiro sieht keine andere Möglichkeit, als mitzumachen. Als er an dem genannten Ort eintrifft, werden die Regeln erklärt. Jeder besitzt ein Holzschildchen, das stets um den Hals hängen muss, ansonsten wird man erschossen. Die 292 Spieler müssen von Kyoto nach Tokyo gehen, wobei sie mehrere Tore passieren. An jedem verlangt man von ihnen immer mehr Holzschildchen. Erlangen kann man diese, indem man seine Mitspieler ausschaltet und sie ihnen abnimmt. Als das Spiel beginnt, kommt es zum ersten großen Blutvergießen, bei dem Shujiro das junge Mädchen Futaba Katsuki (Yumia Fujisaki), das ebenso an dem Spiel teilnimmt, rettet. Fortan reist er mit ihr, um sie zu beschützen. Auf der Reise trifft er noch ein paar andere potentielle Freunde, doch wollen die Teilnehmer das Spiel wirklich überleben, müssen sie herausfinden, wer die mächtigen Hintermänner sind. Denn momentan fischt selbst die ermittelnde Polizei noch im Trüben.

Kritik: Ein Gedanke ging mir ständig durch den Kopf, als ich mir diese aufwändig produzierte Actionserie mit historischem Fundament ansah: Ist das nicht eigentlich "Rurouni Kenshin"? Anstatt des Manslayers Himura haben wir hier den Manslayer in Form von Shujiro, der überdies mit PTSD zu kämpfen hat und somit kaum sein Schwert berühren kann, ohne zu zittern, geschweige denn in der Lage ist, es zu ziehen. Und tatsächlich basiert die Serie auf einem Roman von Shogo Imamura, der ebenso schon als Manga, gezeichnet von Katsumi Tatsuzawa, herauskam. Das dürfte dann auch erklären, warum trotz des Fokus auf realistischer Action und ernstem Drama immer wieder auch Charaktere auftauchen, die direkt einem Manga entsprungen scheinen. Weiterhin ist mit dem Wettkampf auch ein wenig "Squid Game" verbaut - ohne geht es heutzutage ja nicht mehr -, obwohl es wohl passender wäre, Kinji Fukasakus "Battle Royale" als Vorlage zu nennen. Auch wenn man sich also an vielen guten Vorlagen orientiert hat, kann nicht geleugnet werden, dass "Last Samurai Standing" herausragende Action und gutes Drama zu bieten hat, sodass man gerne bis zum Ende am Ball bleibt.

Die Einleitung ist eine epische Schlacht, bei der wir auch sehen, warum unser Protagonist Manslayer genannt wird. Die gezeigte Boshin-Schlacht läutete die Meiji-Restauration ein, da der letzte Tokugawa-Shogun entmachtet wurde. In der Serie gibt es viele historische Ereignisse wie z.B. die Ermordung einer Person, die aus Spoilergründen nicht genannt werden soll, oder Persönlichkeiten aus dem wahren Leben. Das ist aber alles nur ein Bonus für Geschichtsinteressierte, denn den politischen Ereignissen und Umwälzungen kann man auch ohne Vorwissen folgen, zumal diese Entwicklungen auf ein Minimum beschränkt sind und oft genug im Laufe der Handlung wiederholt werden. Jedem wird sofort klar, dass es für die Samurai im Land keine Zukunft mehr gibt und einige von ihnen sehen nun schlicht ihre Chance, mit einem letzten gigantischen Knall aus der Welt zu scheiden. Zu diesen Personen gehört beispielsweise der gnadenlose Bukotsu, herausragend von Hideaki Ito ("Memoirs of a Murderer") gespielt, der in seiner Rolle zeigt, was fast durchgängig für die gesamte Serie gilt: Trotz seiner Manga-Allüren - sein gigantisches Schwert sorgt alleine schon dafür - verbirgt sich eine richtige Persönlichkeit hinter dem Gesicht dieses offensichtlichen Bösewichts.

Mit den Bösewichten geizt die Serie keinesfalls. Shujiro und seine Mitschüler sind einst vor ihrem Meister geflohen, der seine Schule abtreten wollte, aber nur an denjenigen, der in einem Todesduell zwischen seinen Schülern als letztes übrigbleibt. Darauf hatte niemand der Freunde Lust, sie haben das Weite gesucht und so jagt er diese nun. Natürlich nehmen sie auch alle an dem Wettkampf teil. Bei dem Meister (gespielt von Hiroshi Abe aus "After the Storm") zeigt die Serie ein erstaunlich gutes Händchen für Horror, denn die Sets, das schwere Atmen des gealterten Meisters und das Klingeln eines Glöckchens an ihm verleihen ihm etwas von einem unaufhaltsamen Geist, der seine Seelen früher oder später bekommen wird. Schön ist auch, dass jeder der Kämpfer seinen ganz eigenen Kampfstil hat, sodass die Action viel Farbe bekommt. Darüber hinaus gibt es aber selbstverständlich noch die echten Bösewichte, die Teil einer Verschwörung sind, welche bis ganz weit nach oben reicht. Die Ermittlungsarbeit der Polizei bringt genauso immer neue Überraschungen zutage wie die Gruppe um Kyojin Tsuge, dem selbsternannten Stragisten, verkörpert von Mashahiro Higashide ("Demon City"), welcher unserem Helden und seiner wachsenden Zahl an Begleitern zwar unter die Arme greift, bei dem man sich aber nie sicher ist, ob er nicht selbst auch ein falsches Spiel treibt.

Herz der Serie ist aber die junge Futaba, die immer wieder verdeutlicht, dass man bei aller Grausamkeit, die in der sich wandelnden Welt vorherrscht, seinen Mitmenschen im Hier und Jetzt helfen sollte, selbst wenn sie es wahrscheinlich nicht bis zum Ende des Spiels schaffen werden. In ihr sieht Shujiro auch die Person, die seine kürzlich verstorbene Tochter hätte werden können, und väterliche Gefühle erden ihn somit genug, dass er nicht wieder zum grausamen Manslayer wird. Ein Problem ist nur, dass das junge Mädchen das Hobby hat, sich immer wieder in Schwierigkeiten zu bringen. Sie ist schwach und kann sich in einem Kampf nicht verteidigen, was ihr selbst auch bewusst ist und sie gerne ändern würde. Dennoch bringt sie sich immer wieder in Gefahr, sodass sie das Leben für Shujiro zu einer wahren Tortur macht. Natürlich braucht man für den Plot eine solche Figur, aber mit dem Mädchen hat man es etwas übertrieben, denn ab einem bestimmten Punkt kann man bei ihr nur noch die Augen verdrehen. Die gelungene Zeichnung von Shujiros väterlichen Gefühlen für sie berührt das zum Glück nicht negativ. Es gibt zudem noch unzählige weitere Charaktere, die allesamt interessant sind, einige von ihnen bekommen etwas mehr Zeit, andere, wie der indigene Ainu-Bogenschütze gespielt von Shota Sometani ("Parasyte"), leider weniger.

Das kann sich aber noch ändern, denn die Serie umfasst gerade einmal sechs Episoden und bei der fünften wird uns spätestens bewusst, dass in der letzten Episode unmöglich Dutzende noch ausstehende Schwertduelle abgehandelt werden können, zumal die große Verschwörung auch noch nicht zerschlagen wurde und wir stattdessen immer wieder Rückblenden bekommen. Nein, wir bekommen keine fertige Geschichte, sondern das erste Kapitel. Es gibt also noch genug Gelegenheiten, mehr Einblick in die anderen Charaktere zu bekommen. Das Drama und die zwischenmenschlichen Beziehungen sind so gut getroffen, dass man diesbezüglich in Zukunft tatsächlich noch mehr möchte. Actionfans dürfen sich des Weiteren über intensive und gut choreographierte Schwertkämpfe freuen. Besonderes Lob gilt Hauptdarsteller Junichi Okada (hier ebenso als Produzent und Creative Director tätig), der einige halsbrecherische Actionszenen augenscheinlich selbst durchführt und mit vollem Körpereinsatz dabei ist. Ich war nie ein großer Fan von ihm, aber das hat sich schon bei "Hell Dogs" gewandelt und diesmal scheint er eine Rolle gefunden zu haben, die ihm wie auf den Leib geschnitten ist. Neben all den faszinierenden Persönlichkeiten verkörpert von bekannten Darstellern obliegt es schließlich ihm, weiterhin das Zentrum der Geschichte zu bilden und sich nicht von anderen an die Wand spielen zu lassen - und das gelingt ihm. Ein wenig mangelt es "Last Samurai Standing" an Innovation, wie hoffentlich deutlich geworden ist, aber wer eine Serie mit knallharter Samurai-Action sowie Anime-Anleihen und überraschend nahegehendem Drama sucht, wird hier fündig.
