Story: Ryota (Hiroshi Abe) ist Schriftsteller und hat vor 15 Jahren einen Literaturpreis erhalten. Seitdem hat er jedoch kein weiteres Buch
veröffentlichen können. Ihm fehlen die Ideen und auch wenn er sporadisch immer wieder ein paar aufschreibt, arbeitet er hauptberuflich als Privatdetektiv
und beschattet Ehemänner, die ihre Frauen betrügen. Offiziell geht er diesem Beruf nur nach, um Erfahrungen für sein neues Buch zu sammeln. Tatsächlich aber
verspielt er sein verdientes Geld stets bei Glücksspielen und kann so nie seine Alimente an seine Ex-Frau Kyoko (Yoko Maki) zahlen. Diese hat außerdem einen
neuen Freund, wie Ryoto durch seine Beschattungen weiß. Ryoto will Kyoko zurückgewinnen, da er nicht nur an ihr, sondern auch an ihrem gemeinsamen Sohn Shingo
(Taiyo Yoshizawa) hängt. Nach dem Tod seines Vaters schaut er dann bei seiner Mutter (Kirin Kiki) vorbei, weil er hofft, dort etwas Wertvolles von seinem
Vater zu finden, das er zu Geld machen kann. Als sich diese Hoffnung als vergebens erweist, plant er, seine Ex-Frau und seinen Sohn zu seiner Mutter einzuladen,
während ein Typhoon über das Land zieht, sodass sie übernachten müssen. Vielleicht kann er seine Familie in dieser Nacht doch noch zurückgewinnen...
Kritik: "After the Storm" ist ein Drama beeindruckender Subtilität und Lebensweisheit, das keineswegs anmaßendes Art-House-Kino darstellt und
mit leicht zugänglichen, aber äußerst fein geschriebenen Individuen aufwarten kann. Die verschiedenen Ebenen dieses bittersüßen Dramas lassen vermuten, dass
der Film auf einem Roman basiert. Tatsächlich ist das Drehbuch jedoch von Hirokazu Koreeda ("Our Little Sister",
"After Life") selbst geschrieben, der mit seiner zurückhaltenden Regie das Maximum aus seiner Geschichte herausholen kann. Oft
genug hört man von Kritikern, dass dieser oder jener Regisseur auf subtile Weise die Komplexität des Lebens zu erforschen weiß und bekommt dann tatsächlich
einen Film, bei dem man gegen die einsetzende Müdigkeit ankämpfen muss. Nicht so mit "After the Storm". Der Film ist zwar gemächlich in seinem Tempo, es
passiert aber unentwegt etwas, das uns auch emotional an die Charaktere bindet.
Die Befürchtung, dass sich der Hauptteil des Films in geschlossenen Räumen abspielt, nämlich während des Typhoons, womit auf das Aufdringlichste darauf
hingewiesen wird, dass es sich hier um ein ernstzunehmendes Drama handelt, ist ebenso unbegründet. Wir bekommen einen Einblick in das Leben Ryotas und sehen den
Mann bei seiner Arbeit, der Familie und im Wettbüro. Schon hier zeigt sich die erstaunliche Leistung des Regisseurs, dass wir uns für Ryota erwärmen können,
obwohl die Liste seiner Schwächen nicht gerade kurz ist. Er hat ein klares Spiel-Problem, hintergeht seine Klienten und erpresst diese auch, wenn es nötig
sein sollte, will von seiner Mutter Geld stehlen und lügt, wo es nur geht. Wir verstehen aber mit der Zeit, dass dieser Mann, der bis heute nicht aufgeben
konnte, seinem Traum hinterherzujagen, irgendwie auch in die Ecke gedrängt ist.
Eine Entschuldigung versucht der Film aber nicht für Ryotas Verhalten zu finden. Wenn es um seinen Sohn geht, sehen wir aber sofort, dass er für diesen alles
tun würde. Außerdem trauert er dem nach, was in der Vergangenheit liegt. Dass er mit seiner Familie wieder zusammenkommen will und diese daher nicht
nur stalkt, sondern auch den einen oder anderen egoistischen Plan schmiedet, könnte leicht den Eindruck erwecken, dass "After the Storm" eigentlich nichts
Außergewöhnliches zu erzählen hat. Dem ist aber nicht so. Ryota ist seinem Vater, den er nicht leiden konnte, sehr ähnlich, erkennt dies aber nicht oder erst
sehr spät, wenn er mit seinem Sohn seine Kindheit, bloß mit vertauschten Rollen, wiederaufleben lässt. Sein Sohn Shingo dagegen weiß durchaus, dass sein Vater
im klassischen Sinne ein Verlierer ist, hat sich aber damit arrangiert und akzeptiert ihn für das, was er ist. Damit ist er um einiges reifer, als es
normal für sein Alter wäre.
Ryotas Ex-Frau mag vielleicht etwas kühl wirken, aber es ist schnell offensichtlich, dass sie lediglich versucht die Starke in der Familie zu sein, die
kalkulierend das macht, was für ihren Sohn am besten ist. Besonders in einer Szene zwischen ihr und Ryotas Mutter wird klar, dass die Frauen in der
Geschichte vielleicht sogar die Hauptleidtragenden sind, aber ihren Blick stets in die Zukunft gerichtet haben, anders als die Männer, die an der Vergangenheit
hängen. Es gibt einige sehr intensive und gelungene Szenen, besonders die Gespräche, wenn schließlich die wahren Gefühle preisgegeben werden. Hier zeigt
sich die Macht einiger wunderbar eingewobenen Dialoge, die in ihrer Subtilität oder zuweilen auch Klarheit lange nachwirken. Auch der Originaltitel,
"Even Deeper Than the Sea", eigentlich ein Liebeslied von der taiwanesischen Sängering Teresa Teng, muss im Rahmen der Geschichte weitaus tiefgründiger
interpretiert werden.
Hiroshi Abe ("The Blue Bird", "Chocolate") gibt eine sehr differenzierte Darstellung, aber auch der Rest der Besetzung ist hervorragend und erschafft Charaktere, die in ihrer Dichte so überwältigend sind, dass man das Gewicht ihres Lebens förmlich selbst spürt. "After the Storm" ist ein wunderbarer Film über Träume, das Aufgeben dieser und letztendlich über nichts Geringeres als den Sinn des Lebens. Das bedeutet vor allem auch, Vergangenes zu bereuen, aber auch loslassen zu können. Die Motive des Dramas sind tief in den unterschiedlichen Individuen verwurzelt und gerade gegen Ende hin zeigt sich, dass die Familie zwar keine mehr sein mag, aber eine starke Vertrautheit immer noch da ist und gemeinsame Narben als auch die Liebe für den Sohn verbinden können. Man sollte also womöglich kein Happy End im klassichen Sinn erwarten, aber das Ende ist auf seine Weise äußerst zufriedenstellend und lässt einen mit dem Gefühl zurück, dass hier äußerst behutsam wichtige Aspekte des Lebens behandelt wurden.