Story: Kyoko (Ami Tomite) ist eine bekannte Künstlerin. Zunächst malt sie die Protagonisten ihrer Romane, dann schreibt sie das Buch und
präsentiert die Gemälde später in einer Ausstellung. Sie lebt alleine in ihrer großen Wohnung und spricht dort mit ihrer verstorbenen Schwester. Ihre Agentin
Noriko (Mariko Tsutsui) klärt sie über ihre Termine an diesem Tag auf. Doch Kyoko wird von Selbstzweifeln und inneren Dämonen geplagt. Ihre Wut auf die Welt
lässt sie an Noriko aus, die sich der Dominanz der Künstlerin unterwirft. Als die Frauen vom Lifestyle-Magazin kommen, die Kyoko interviewen wollen, setzt
die Künstlerin die Erniedrigung ihrer Agentin fort. Plötzlich schreit ein Regisseur "Cut" und Kyoko erweist sich als Darstellerin, die von ihren Kollegen
gemobbt wird. Es zeigt sich, dass die Darstellung Kyokos eine Spiegelung dessen ist, was sie selbst erfahren muss. Die Szene wird einige Male wiederholt,
doch diesmal gibt es keine Filmcrew mehr. Ist dies nun Kyokos wahres Leben oder nicht? Darüber hinaus sieht sich die junge Frau immer wieder in ihre
Jugendzeit katapultiert, in der ihr die Eltern Sex als etwas Anstößiges und Schlechtes propagiert haben. Dies hat Kyokos Leben bis heute geprägt und ist
Teil ihrer psychischen Probleme.
Kritik: Wenn Regisseur Sion Sono einen Pornofilm dreht, dann dürfte der sicherlich anders ausfallen, als man das normalerweise bei einem
Film dieser Art erwarten würde. Speziell, wenn es sich um eine von Nikkatsu in Auftrag gegeben Arbeit handelt, die damit ihr Roman Porno (Romantic Porno)
Label wiederbeleben wollen. Das Label hatte vor allem in den 70ern und 80ern künstlerisch anspruchsvolle Filme zu bieten, da junge Regisseure relativ freie
Hand bei ihren Filmen hatten und ihre Experimentierfreudigkeit nur damit beschnitten war, dass eine bestimmte Anzahl an Sexszenen zu sehen sein musste.
Es sollte demnach nicht verwundern, dass Regisseure wie Yojiro Takita dort angefangen haben, um dann z.B. in Form von "Nokan - Die
Kunst des Ausklangs" später einen Oscar zu gewinnen. Sion Sono lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen, hier ein interessantes Art-House-Werk
abzuliefern.
Es sollte Fans des Regisseurs bekannt sein, dass dieser eine besondere Liebe zum Körper der Frau hat. In seinen Filmen hat man daher oft den Eindruck
vermittelt bekommen, dass er Frauen nur als Sexobjekte sieht. Doch spätestens mit seinem Horrorthriller "Tag" hat der
Filmemacher gezeigt, dass er von den Kritikern missverstanden wird. So hat er sich über seinen eigenen Hang zum Voyeurismus lustig gemacht. Sollte es daher
ernsthaft verwundern, dass "Antiporno" einen auffällig feministischen Blick auf die Welt wirft? Daneben liefert Sion Sono außerdem eine außerordentlich
verschachtelte Geschichte, die mit Metaebenen arbeitet und viel Interpretationsraum lässt. Kein Zweifel, das ist Kunstkino. Zuweilen fast schon Kunst, wie
man sie aus dem Programmkino kennt, aber die Handschrift des Regisseurs ist dennoch da und das kommt dem Film zu Gute.
Ich hatte nach den ersten Minuten bereits Bedenken, dass der Regisseur erneut die Art von langatmigem Kunstkino schaffen würde, die bereits
"The Whispering Star" war. Doch dem ist nicht so. Hier gibt es durchaus viel zu sehen und nachzudenken. Kyokos Spiel
der Dominanz und ihre aggressive Art könnten das Resultat einer verqueren Einstellung zu Sex sein, da ihre Eltern ihr Sex stets als etwas Schmutziges
eingeredet haben, während sie sich selbst mit aller Lust und Verlangen abends im Bett wälzten. Wahrscheinlich ist da auch eine Vergewaltigung und dann Kyokos
Trauma ihrer verstorbenen Schwester. Warum musste dieses talentierte Mädchen sterben, während sie weiterleben darf? Kyoko hat Selbstzweifel und kaschiert
diese auf unterschiedlichste Weise, bzw. nutzt die Kunst als Ventil für ihre vielen Probleme. Doch dann erweist sich nach einer halben Stunde alles als
ein Film.
Der Regisseur ist unzufrieden mit Kyokos Leistung und die Rollen von ihr und Noriko sind vertauscht. Hat Kyoko zuvor nur Personen gespiegelt dargestellt?
Oder findet gar alles in ihrem Kopf statt? Realität und Fantasie verschwimmen in einem Bildermeer des Surrealen. Speziell als dann auch noch Rückblenden
auftauchen und Kyoko später verzweifelt nach der Filmcrew in ihrem Leben sucht, aber es sich doch um ihr tatsächliches Leben zu handeln scheint. Ist Kyoko
einfach wahnsinnig? Das Spiel mit den Farben und Lichtern lässt kein Zweifel daran, dass es sich hier um einen Kunstfilm handelt und das Schauspiel selbst
unterstreicht dies einmal mehr. Ami Tomite und speziell Mariko Tsutsui können in ihren zum Teil sehr langen Szenen, in denen sie auch mal zwischen ihren Rollen
wechseln müssen, eine großartige Darstellung abgeben, auch wenn Ami Tomite manchmal vielleicht sogar etwas zu sehr auf ein Art-House-Publikum zugeschnitten
spielt. Aber vielleicht macht sie das ja als Kyoko für die Filmcrew im Film. "Antiporno" ist schon ein verquerer Film.
Dann sind da noch die diversen Dialoge über die Rolle der Frau und ihre Freiheiten, die keine sind. Dazu muss man sagen, dass in Japan die Rolle der Frau zwar auch etwas moderner ist als früher, aber immer noch sehr traditionell ausgerichtet ist. Sion Sono spricht dies durch die Charaktere deutlich an, stellt das Voyeuristische des Filmmediums durch die Filmcrew dar und lässt Kyoko als Krönung sogar noch auf einer Theaterbühne auftreten. Natürlich gibt es auch ein paar Sexszenen, doch erinnern diese niemals an einen Porno, sondern wirken klar für ein Art-House-Drama gedreht, wie es eben "Antiporno" eines ist. Man kann nur erstaunt darüber sein, wie viel Material in dem Film trotz seiner mageren 75 Minuten steckt. Ich war anfangs skeptisch, doch es gibt viel in "Antiporno" zu entdecken und zu entschlüsseln. Man darf dem Kunstkino aber nicht unbedingt abgeneigt sein, denn auch wenn man hier nicht geradeheraus gelangweilt wird, muss man doch etwas Willen zur Interpretation zeigen, um den Film ganz genießen zu können.