Story: Die Menschen haben sich mit der Zeit über das gesamte Universum verstreut, doch nur noch 20 Prozent von ihnen machen die Bewohner des
Weltalls aus. Die restlichen 80 Prozent sind die von ihnen geschaffenen Androiden. Die stetigen Kriege haben die Population der Menschen stark
mitgenommen. Die Teleportationstechnik hat alles näher gerückt und das Leben eindimensional werden lassen. Aus diesem Grund gibt es immer mehr Menschen, die
sich gegenseitig Pakete schicken, auch wenn deren Ankunft nicht mal auf ein Jahr genau eingegrenzt werden kann. Einer dieser Androiden, die jene Pakete mit
Objekten von emotionalem Wert befördern, ist Yoko Suzuki (Megumi Kagurazaka). In ihrem Raumschiff, das einer umgebauten Wohnung gleicht, vertreibt sie sich
die Zeit mit Tonbandaufnahmen ihrer Vorgänger und fertigt selbst welche an. Ihr einziger Begleiter ist ein Bordcomputer, der schon seit langem nicht mehr
die Sterne außerhalb betrachtet, sondern lieber die Insekten in der Deckenlampe beobachtet. Yoko Suzuki trägt ein Paket nach dem anderen aus, bis sie
irgendwann die Neugier überkommt und sie in die Pakete hineinsieht. Doch in ihnen befinden sich lediglich äußerst profane Gegenstände...
Kritik: Nie hätte man gedacht, dass ein Film des Regisseurs, der mit "Love Exposure" ein episches
4-Stunden-Liebesdrama auf die Leinwand gebracht hat, das sich vielleicht halb so lang anfühlt, mit einem 101 Minuten Art-House-Drama wie "The Whispering Star"
Zeit so sehr dehnen kann. Wer Gewalt, Erotik oder einfach nur das von Sion Sono gewohnt flotte Tempo erwartet, wird hier bitter enttäuscht werden. Das
minimalistische Sci-Fi-Drama kommt nicht ohne Grund in Schwarz-Weiß daher. Es ist Kunstkino und leider auch genauso langweilig. Schuld daran ist eine
gewollte Repetitivität, die uns das Leben eines Androiden vor Augen führen soll, der ein ganz anderes Zeitempfinden als die Menschen hat. Aber auch die
Menschen sehnen sich nach, leben und exerzieren die Langsamkeit als ein Luxusgut, das in der Zukunft schlichtweg erstrebenswert ist.
Vielleicht ist es auch einfach so, dass sich die Menschheit langsam dem Sterben hingibt. Wie ein einzelnes Individuum, das im hohen Alter langsamen, aber
sicheren Schrittes dem Tod entgegengeht, schreitet die Menschheit als Ganzes der Auslöschung entgegen. Eine Auslöschung, die sie über Jahrhunderte und
Jahrtausende hinweg selbst zu verantworten hat. So ist es kein Zufall, dass Yoko ausschließlich in ausgestorbenen Städten unterwegs ist. Noch viel weniger
ein Zufall ist es, dass die Dreharbeiten in Fukushima durchgeführt wurden. Verlassene Gebäude, leere Straßen, zum Teil überwucherte Gehwege. Sion Sono
hat mit "The Land of Hope" das Trauma Japans für sich noch nicht genug bearbeitet und kehrt thematisch dorthin zurück.
Denn ohne Zweifel sind die ausgestorbenen Städte der eigentliche Protagonist der Geschichte. Eine Geschichte der Selbstauslöschung.
In der Tat lässt sich "The Whispering Star" auch ausschließlich auf diese Weise interpretieren. Die Pakete, die geschickt werden, beinhalten einzig
Gegenstände mit Erinnerungswert. Als wären es einige der wenigen unbedeutenden Objekte, die aus der nun zerstörten oder zurückgelassenen Heimat übrig
geblieben sind. Der Umstand, dass alle Personen in dem Film ohne Ausnahme flüstern, worauf auch der Titel verweist, denn mit "Stern" ist hier im weiteren
Sinne "Planet" gemeint, ist ebenso eine Analogie zum Umstand, dass man über den Fukushima-Vorfall immer noch flüstert und ihn bisher nicht richtig verarbeitet
hat. Natürlich kann das Flüstern auch als Ausdruck der Fragilität der Menschen betrachtet werden, deren wir uns nicht immer bewusst sind. Ein paar
Katastrophen, ein paar Kriege mehr und die Menschheit mag nur noch Teil der Geschichtsdatenbank von Androiden sein.
Das Thema an sich ist interessant, aber eben nicht ansprechend umgesetzt. Wie als Scherz bombardiert uns Sion Sono ohne Unterlass mit Wiederholungen. Die
ersten 20 Minuten des Films passiert eigentlich rein gar nichts und auch dann ist der Plot extrem minimalistisch gehalten, wenn es denn überhaupt einen gibt.
Wir folgen nämlich schlichtweg nur Yoko Suzuki, gespielt von Sion Sonos Ehefrau Megumi Kagurazaka ("Cold Fish"), auf ihrer
Postroute. Dabei hat das Raumschiff seinen ganz eigenen Charme, da die Sci-Fi-Elemente allesamt stilistisch den Genre-Kino der 30er bis 50er entliehen zu
sein scheinen. Yoko bezieht ihre Energie sogar aus AA-Batterien, die sie stets wechselt! Dennoch trinkt und raucht sie, erkältet sich sogar. Damit soll
vielleicht eine emotionale Verbindung zum Zuschauer geschaffen werden, aber dafür ist sie als Charakter einfach zu eindimensional und die Geschichte liefert
keine interessanten Aspekte.
Es führen keine beschönigenden Worte daran vorbei: "The Whispering Star" ist langweilig. Vor allem von Sion Sono hätte man einen solch minimalistischen Film nicht erwartet. Dann wiederum mag das den Film für Fans umso faszinierender machen. Da das Thema "Zeit" auch thematisiert wird und wir dieses aus der Perspektive eines Androiden vorgesetzt bekommen, mag man es als witzig ansehen, dass die einzelnen Wochentage stets angezeigt werden, manchmal sogar die genau Uhrzeit, sich aber exakt überhaupt nichts anderes ereignet als an all den anderen Tagen! Lichtblicke sind Hideo Yamamotos Kinematographie und typische Art-House Szenen wie jene am Strand, an dem vereinzelt Möbelstücke stehen. Auch einzelne Geräuschquellen werden immer wieder unterdrückt und schaffen eine Atmosphäre der Isolation. Und am Ende begeistern beeindruckende Schattenspiele, die uns Einblicke in das Leben der unterschiedlichsten Menschen geben. Die Botschaft des Films und seine Fukushima-Ausrichtung sind eindeutig und interessant, aber davon abgesehen ist Sion Sonos Werk auch ungemein repititiv und langweilig.