Story: Mitsuko (Reina Triendl) ist mit ihrer Klasse in einem Bus unterwegs ins Feriencamp. Alle sind bereits fröhlich gestimmt und
Mitsuko schreibt an einem Gedicht. Als ihr der Stift runterfällt und sie sich danach bückt, rettet ihr das das Leben. In dem Moment teilt nämlich eine
plötzliche Klinge aus Wind den Schulbus in zwei Hälften. Alle ihre Schulkameradinnen sind auf der Stelle tot. Mitsuko ist völlig geschockt und rennt davon,
denn der Wind scheint ihr zu folgen. Nachdem die eigenartige Präsenz nicht mehr da zu sein scheint, wird sie plötzlich von dem Schulmädchen Aki (Yuki Sakurai)
angesprochen, die sich als ihre beste Freundin vorstellt. Sie bringt sie in ihre Schule, doch ist das nicht Mitsukos Schule. Die Mädchen dort, die ihre
Freundinnen zu sein scheinen, glauben schlichtweg, dass sie unter Amnesie leidet und auch Mitsuko kann sich langsam damit arrangieren, dass vielleicht doch alles
nur ein böser Traum war. Doch eine weitere Tragödie ereignet sich und plötzlich ist das Schulmädchen in der Haut von Keiko (Mariko Shinoda), die kurz davor ist,
zu heiraten. Nichts ergibt für sie mehr einen Sinn, doch Aki taucht erneut auf und verspricht, ihr Antworten zu geben.
Kritik: Die fröhliche Busfahrt einer Klasse von Schulmädchen an einem wunderbar sonnigen Tag versprüht so viel Lebensfreude, dass man nur
darauf wartet, dass etwas unglaublich Grausames passiert. Und Sion Sono enttäuscht nicht. Seit seinem "Suicide Club" hat man nicht
mehr einen so blutigen und brutalen Film von ihm gesehen. Die erste blutige Szene wird man bis zum Ende nicht vergessen. Und von da an lässt einem der Film
kaum noch eine Verschnaufpause. "Tag" ist ein Exploitation-Film, angefüllt mit bizarren Morden und vielen Panty-Shots von Schulmädchen. Während
man verzweifelt versucht, in diesem ganzen Chaos, das keinen Sinn zu ergeben scheint, irgendeine Form des roten Fadens zu finden, begibt man sich auf eine
Reise in eine surreale Welt, an deren Ende eine Botschaft steht, die dem Film doch noch Substanz verleiht. Sowas sucht man in diesem Genre sonst
vergeblich.
Ich bekenne mich schuldig: Fast hätte ich übersehen, welches kleine Juwel in diesem Streifen steckt. Regisseur Sion Sono macht es einem aber auch leicht, ihm
zunächst alles andere als Wohlwollen entgegenzubringen. Denn während seine sonstigen Filme uns von Anfang an mit dem ganzen Blut und der Verzweiflung irgendeine
Form der Botschaft vermitteln wollen, bringt er in "Tag" alles dermaßen auf die Spitze, dass man sich nur verzweifelt an den Kopf fassen kann. Lehrerinnen, die
mit einer Minigun ihre Schüler abmetzeln? Ein Bräutigam mit einem Schweinskopf? Und noch mehr Panty-Shots? Nichts ergibt hier einen Sinn und man ist bereits
wütend darüber, dass es unmöglich für den Regisseur sein wird, dem ganzen am Ende noch eine Wendung zu geben, die das Bild mit einem letzten Puzzlestück zu einem
wunderschönen Gemälde zusammensetzt. Nein, das gelingt Sion Sono nicht.
Doch ist das gar nicht nötig! Denn die Botschaft ist auf Meta-Ebene durch den gesamten Film gewoben! Sion Sono muss sich die Kritik gefallen lassen, dass er
seine weiblichen Helden oftmals glorifiziert und zugleich als Sex-Objekte darstellt. Denken wir nur an "Love Exposure", ein
wunderbar bewegender und epischer Liebesfilm. Aber die Panty-Shots? Der Regisseur hat Spaß daran, Schulmädchen unter den Rock zu blicken und damit ist er
nicht viel anders als die meisten anderen Jungs. In "Tag" frönt er erneut seinen diversen Leidenschaften. Doch diesmal stellen seine explorativen Einstellungen
eine Karikatur ihrer selbst dar! Ja, "Tag" ist ein Horror-Drama, dass die Gesellschaft und damit auch sich selbst dafür anprangert, Frauen als Objekte
darzustellen. Frauen sind lediglich dafür da, Männern als Spielzeug zu dienen. Ihr Schicksal selbst zu bestimmen, das steht ihnen nicht frei.
So kommt es auch, dass die Protagonistin die gesamte Zeit am Wegrennen ist. Wovor Mitsuko da genau wegrennt, ist ebenfalls sehr vielschichtig. Nicht zuletzt
kann es nämlich auch das Erwachsenwerden sein, das ihr die Rolle einer Frau aufzwängt. Und irgendwann dämmert es dann auch, was so eigenartig an "Tag"
ist. Nun ja, neben den vielen völlig offensichtlichen Eigenheiten, versteht sich. Bis zum letzten Akt gibt es in dem Film nur Frauen, oder solche auf den
Weg dorthin, zu sehen. Und ist es nicht auch bezeichnend, dass diese sich untereinander bekämpfen müssen, um zu überleben? Dabei ist der wahre Feind erst gegen
Ende offensichtlich. Kann sich Mitsuko gegen diesen zur Wehr setzen? Ohne zu viel sagen zu wollen: "Tag" ist sehr zynisch und irgendwie auch deprimierend. Das
Ende stellt da keine Ausnahme dar. Und ist das nicht fantastisch, wenn man bedenkt, dass "Tag" an der Oberfläche wie ein simpler Spaß-Film mit viel Gewalt
und Blut wirkt?
Daneben versucht Sion Sono auch noch andere wichtige Fragen aufzugreifen. Ist unser Schicksal vorherbestimmt? Vielleicht müssen wir dann nur völlig spontan sein, um uns unserer Fesseln zu entledigen? Einige dieser Botschaften wirft uns der Regisseur aber doch etwas zu unbeholfen an den Kopf und auch die Wendung ist trotz intendierter Surrealität etwas ungeschickt. Wunderbar anzusehen sind dagegen einige Aufnahmen, die mit Kameradrohnen gemacht wurden und daher dem Film eine schöne Dynamik geben. Die Handkamera-Aufnahmen können aber mit ihrer HD-Auflösung und den schönen Farben ebenfalls überzeugen. Die meisten CGI-Effekte können sich ebenso sehen lassen. Bleibt also am Ende nur zu sagen, dass "Tag" viel von dem Wahnsinn und der Genialität hat, die auch das bereits erwähnte "Suicide Club" ausgezeichnet haben. Nur erreicht es nicht dessen Klasse, da man emotional nicht ganz so sehr eingebunden ist. Speziell mit dem Meta-Charakter und seiner Kritik an einer männerorientierten Gesellschaft und sich selbst als Teil dieser (!) beeindruckt Sion Sono aber erneut.