Story: Zhang Baomin (Song Yang) ist Minenarbeiter und legt sich oft mit seinen Kumpeln oder anderen Bewohnern seines Heimatdorfs Gufeng in der staubigen Wüstengegend, die sich sein zuhause nennt, an. Als er erfährt, dass sein Sohn beim Hüten der Schafe verschwunden ist, eilt Zhang zu seiner kranken Frau nach Hause und beginnt seine Suche nach dem Sohn. Diese wird allerdings dadurch verkompliziert, dass er stumm ist. Von seinen Nachbarn darf er außerdem nicht viel Hilfe erwarten, da er sich mit diesen schon lange zerstritten hat. Er war der einzige gewesen, der sich geweigert hat, seinen Grund und Boden zum Kohleabbau freizugeben, und bei einer Auseinandersetzung hat er sogar einem seiner Nachbarn das Auge ausgestochen. Jenen Nachbarn vermutet er als ersten Verdächtigen, der seinen Sohn entführt haben könnte. Das stellt sich jedoch als falsche Fährte heraus. Bald gerät er zufällig in eine Schlägerei zwischen einigen Minenarbeitern und Gangstern des "Geschäftsmanns" Chang Wannian (Jiang Wu). Chang lässt ihn zu sich holen und verspricht ihm, dass seine Männer die Augen nach seinem Sohn offenhalten. Derweil setzt Chang den Anwalt Xu Wenjie (Yuan Wenkang) unter Druck, da dieser einige Beweise gegen ihn in der Hinterhand hat. Das ist besonders deshalb unangenehm für Chang, weil die Polizei bereits gegen den Anwalt ermittelt und dieser einen Deal aushandeln könnte. Von diesen komplizierten Machenschaften im Hintergrund weiß Zhang nichts, er sucht weiterhin einfach seinen Sohn. Einer der Gangster Changs legt sich allerdings mit dem verzweifelten Vater an und die Angelegenheit wird weitaus komplizierter, als zunächst angenommen...
Kritik: Ein erster Blick in diesen Thriller und die schönen Bilder einer staubigen Landschaft können nicht nur wahrlich beeindrucken, sondern lassen auch vermuten, dass es sich hier um Art-House-Kino handelt. Speziell, wenn wir im Kontrast die hässlichen und wahrlich deprimierenden Betonbauten einer Industriestadt zu sehen bekommen. Dazu kommt noch die Geschichte um einen stummen Helden, dessen Frau schwer krank ist und der verzweifelt nach seinem Sohn sucht. Langatmigkeit scheint vorprogrammiert und die erste halbe Stunde des Films bleibt tatsächlich alles ziemlich gemächlich. Dann jedoch zieht das Tempo ganz subtil an. Die Stimmung des Films ist dank der Fokussierung auf das ländliche Leben nahe eines Kohlebergwerks außergewöhnlich, aber mit dem Bösewicht kommt auch noch eine etwas modernere Note in den Film, womit auch ein wenig Gangster-Thriller vorzufinden ist. Schließlich gibt es sogar noch einige Prügeleien, sodass man wider Erwarten sogar Action bekommt.
Bevor einen die Entwicklungen der Geschichte ins Geschehen ziehen - es gibt immer mal wieder auch Rückblicke, die uns verdeutlichen, das mehr hinter dem Fall steckt, als zunächst angenommen -, packt einen jedoch die Atmosphäre. Das ist nicht nur den großartigen Bildern und einigen etwas gemächlicheren Momenten, in denen Zhang durch die Einöde stapft, zu verdanken, sondern auch einem wunderbaren Soundtrack von Sylvian Wang, der manchmal sehr synthesizerlastig ist und eine schwelende Spannung kreiert. Dann wiederum hämmert er zum passenden Moment mit guten Bässen ins Ohr. Die hervorragende Verbindung zwischen Bildern und Soundtrack sorgt auch dafür, dass wir bei einem Blick aus und in eine Höhle glauben, uns in einem Horrorfilm zu befinden. Irgendetwas lauert dort, irgendein Geheimnis erwartet uns in dieser Dunkelheit. Und hinsichtlich der Storyentwicklung ist man sich ohnehin nie sicher, was als nächstes passieren könnte. Eine der großen Stärken von "Wrath of Silence".
Song Yang ("The Sword Identity") spielt einen interessanten Helden, der seine schlechten Seiten hat. Er prügelt sich oft und das führt natürlich auch zu ein paar gelungenen Actionsequenzen. Hier gibt es von ihm aber diesmal keine sauber durchchoreographierte Kampfkunst zu sehen, sondern er kämpft eben einfach wie jemand, der extrem verbissen ein Ziel verfolgt. Ästhetisch mag das nicht aussehen, aber glaubwürdig ist es und darüber hinaus trotzdem auch spannend. Wenn er sich in einem mit teurem Holz verkleideten schmalen Korridor zum Büro des Gangsterbosses vorkämpft, dann hat das auch etwas von dem Kleinen Mann, der versucht, sein Recht zu erkämpfen. Trotz seines fatalistischten Tons und einiger eigentlich recht offensichtlichen Breitseiten gegen die chinesischen Regierung verstößt der Film nicht gegen die strengen Zensurbestimmungen des Landes. Das ist eine beachtliche Leistung des Regisseurs, denn einen so düsteren Thriller bekommt man nicht alle Tage aus dem Land zu sehen.
Neben dem eher düsteren Helden gibt es auch einen Bösewicht, verkörpert von Jiang Wu ("A Touch of Sin"), der durchaus auch Momente hat, in denen er Seiten von sich zeigt, die keineswegs nur "böse" sind. Das macht die Entwicklungen innerhalb der Geschichte sowohl interessant als auch unberechenbar. Jiang hat überdies viel Spaß an seiner Rolle und zeigt das vor allem in jenen Momenten, in denen er den gnadenlosen Gangster mimt. Immer wieder gibt es in dem Film aber auch subtile Momente des schwarzen Humors, für die hauptsächlich er zuständig ist, und diese können der Atmosphäre, die die Welt versprüht, noch weitere Nuancen verleihen. Im Grunde haben wir hier aber einen Film noir, der ebenso Aspekte eines Westerns aufweist. Das alles fügt sich sehr gut zusammen, womit Xin Yukun beweist, dass er einer der Regisseur Chinas ist, auf die man auch in Zukunft ein Auge haben sollte. Genau genommen sind die einzelnen Aspekte der Geschichte nämlich relativ bekannt, aber die Art, wie diese miteinander verwoben sind, ist sehr gelungen.
Ein Kritikpunkt kann aber in Form der vielen Zufälle herausgestellt werden. Allerdings wäre das auch etwas unfair, denn Karma spielt in "Wrath of Silence" eine wichtige Rolle. Warum die Dinge so laufen, wie sie es tun, hängt mit einer überirdischen Macht zusammen, von der nie gesprochen wird, die man aber stets wahrnehmen kann. Großartig ist in diesem Zusammenhang auch das ruhige, aber sehr kraftvolle Ende. Xins Werk fängt sehr ruhig an, baut aber stetig ein höheres Tempo auf, das nicht durch schnelle Schnitte, sondern eine sich organisch entfaltende Geschichte geprägt ist. Das Setting ist dabei außergewöhnlich und prägnant. Der Einschub der gestückelten Rückblenden kann als Stilmittel etwas angeprangert werden, aber letztlich stört es nicht den Fluss des Films. "Wrath of Silence" ist ein düsterer Thriller mit wunderbaren Landschaftsaufnahmen einer eigentlich trostlos anmutenden Szenerie und lebt von seiner sich stets weiter entfaltenden Geschichte. Ein wirklich schönes Werk, das Regisseur Xin Yukun hier abliefert.