Story: Suet (Lam Suet) muss für einen Kollegen einspringen und übernimmt dessen Busstrecke von Mongkok nach Tai Po. Nachdem der Bus den
Lion Rock Tunnel durchquert hat, sind die Straßen jedoch völlig leer. Einige Studenten steigen aus, wobei einer von ihnen äußerst blass scheint. In Tai Po
angekommen realisieren die Fahrgäste, dass etwas nicht stimmt. Nicht eine Menschenseele ist weit und breit zu sehen. Bevor jeder der Fahrgäste nach Hause
geht, werden Telefonnummern ausgetauscht, falls am nächsten Morgen Hong Kong immer noch wie ausgestorben sein sollte. Yau (Wong You-nam) sieht auf dem Weg
nach Hause einen Mann mit einer Gasmaske und hat überdies eine eigenartige Vision von Yuki (Janice Man), die ebenfalls eine der Fahrgäste des Busses ist.
Als am nächsten Morgen die Straßen immer noch leer sind und jeder der Fahrgäste einen Anruf mit merkwürdigen Geräuschen bekommt, versammeln sich alle
in einem Restaurant und beraten sich. Der Computerspezialist Shun (Chui Tien-you) findet heraus, dass die Geräusche des Anrufs einen Morse-Code darstellen und
das Lied "Space Oddity" von David Bowie wiedergeben...
Kritik: "The Midnight After" ist ein ungewöhnlicher und mutiger Film. Einer, der sich nicht um Genre-Konventionen kümmert, aber auch einer,
der uneinheitlich, befremdlich und frustrierend sein kann. Gerade ein westliches Publikum wird sich an den negativen Eigenschaften des Films stören. Denn
eigentlich ist dieser post-apokalyptische Streifen eine Metapher des heutigen Hong Kongs und seiner Bewohner, die politisch und als Gesellschaft nicht
wissen, wohin sie gehören. Wer den Film nicht als genau diese Metapher erkennen kann, wird sich nicht nur an den zahllosen ungeklärten Ereignissen stören,
sondern sich wahrscheinlich auch an dem schwarzen Humor und dem Umstand aufreiben, dass der Film gegen Ende immer weiter in Eigentümlichkeiten abgleitet.
Es sind Filme wie diese, die es einem wirklich schwer machen, eine Wertung zu geben.
Regisseur Fruit Chan zeigt mit seinem neuesten Werk, dass er sehr gekonnt seine Independent-Wurzeln mit visuell beeindruckenden Bildern verbinden kann und dabei
das Maximale aus seinem Budget herauszuholen vermag. Außerdem zeigt er die Art von Mut zum Unkonventionellen und Provokativen, die bereits in seinem
"Dumplings" zu sehen war. Zunächst beginnt sein Film jedoch auf äußerst rätselhafte Weise. Vom einen auf den anderen Augenblick
ist Hong Kong wie ausgestorben. Die Bilder der leeren Straßen des ansonsten speziell bei Nacht ungewöhnlich lebhaften Hong Kongs sind beeindruckend und sorgen
für ein beklemmendes Gefühl. Auch die Beleuchtung ist großartig gelungen. Dieses Setting, das an eine Zombie-Apokalypse erinnert, liefert den Rahmen für einige
eigenartige Mysterien, die sich mit der Zeit offenbaren. Dabei verstrickt sich der Film immer weiter in neuen Ungereimtheiten, auf die man brennend nach einer
Antwort verlangt, bis es irgendwann frustrierend wird.
Man wird daher unweigerlich an "Lost" erinnert. Die gleiche Art der Selbstbeweihräucherung durch neue Enthüllungen, die eigentlich keine sind und nur nach
noch mehr Antworten verlangen, lässt sich auch hier finden. Was hat es genau mit dem maskentragenden Mann auf sich? Wie genau passt dieser in Yaus Vergangenheit,
welches Geheimnis verbirgt Yuki und warum sieht Yau sie häufig wie eine Dämonin? Und was ist mit Major Tom? Ja, der Song von David Bowie spielt eine nicht
unerhebliche Rolle in dem Film und unterstreicht einmal mehr die Metapher des Verlorenseins. Und der Moment, in dem uns der Song in einem absichtlich schlecht
gedrehten Music-Clip präsentiert wird, stellt den Schnitt dar, ab dem der eigentümliche Humor des Films oft die Oberhand gewinnt. Im Grunde kann man
sich mit dem schwarzen Humor, der oft ins Abstruse abgleitet, ziemlich gut anfreunden, es ist nur der tonale Wechsel, der vor allem zum Ende hin in Richtung
überdrehtem Chaos geht, der stört.
Dieses Chaos bringt uns erneut zu den Fragen, die der Film aufwirft. Schon zu Anfang bangt man, ob der Film sich selbst nicht völlig gegen die Wand fahren wird,
da es unmöglich eine ausreichend zufriedenstellende Erklärung für die Geschehnisse geben kann. Ab der zweiten Hälfte wird uns klar, dass so gut wie jede
unserer Fragen unbeantwortet im Raum stehen bleiben wird. Zum einen mag das daran liegen, dass der Film auf einem nicht zu Ende gestellen Webroman von
"Mr. Pizza" basiert, von dem sich Fruit Chan aber oft weit entfernt, zum anderen aber auch daran, dass der Regisseur augenscheinlich kein Interesse daran hat,
Antworten zu liefern. Grundlegend ist das eine äußerst gewagte und wenig erfolgversprechende Entscheidung, aber da Fruit Chan seinen Film als
gesellschaftssatirische Metapher aufbaut, mag man ihm das unter Umständen sogar verzeihen.
Die Charaktere des Films stellen verschiedene Archetypen unterschiedlichen sozialen Stands dar und hier können vor allem Simon Yam ("Exiled", "The Thieves") und Lam Suet ("PTU") überzeugen. Wie ungewöhnlich dreidimensional die Personen trotz der Fülle an Charakteren sind, zeigt sich auch in der von Janice Man ("Nightfall") dargestellten rätselhaften Yuki. Die Dialogie sind nie langweilig, das Tempo ist sehr gut, aber es gibt ein paar eigenartig unangenehme Szenen, inklusive Nekrophilie, die man aber von Fruit Chan eigentlich bereits gewohnt sein müsste. Das offene Ende ist dann wieder enorm verwirrend und man könnte fast eine Fortsetzung erwarten, doch hier zeigt sich der besondere Charakter des Films. Wenig ergibt in dieser Horror-Komödie Sinn. Sobald man aber die einzelnen Elemente auf das heutige Hong Kong und die Probleme der Menschen dort überträgt, offenbart sich ein ganz neuer, äußerst komplexer Film unter der Oberfläche von "The Midnight After".