Story: Sara (Charlene Choi) wird von ihrem Stiefvater vergewaltigt und ihre Mutter unternimmt nichts dagegen. Irgendwann hält sie es deswegen
nicht mehr zuhause aus und läuft weg. Auf der Straße lebend und ohne einen Schulabschluss hat sie kaum eine Zukunft. Durch Zufall kommt sie ins Gespräch
mit Kam Ho-Yin (Simon Yam), der an einer Brücke angelt. Er ermutigt sie, ihren Schulabschluss nachzuholen und bietet ihr an, ihr zu helfen. Sara willigt ein.
Für die finanzielle Unterstützung, die Kam ihr gibt, leistet sie sexuelle Dienste. Dank Kam bekommt sie ohne Probleme einen Platz in einer Schule, denn dieser
ist ein hochrangiger Beamter im Bildungswesen. Für Sara ist Kam aber nicht einfach ihr "Sugar Daddy", sondern sie hat tatsächlich Gefühle für ihn. Dennoch
weiß sie, dass niemand von ihrer Beziehung wissen darf.
Jahre später ist Sara Journalistin, aber einer ihrer besten Artikel wird von der Zeitung nicht
veröffentlicht. Um sich zu erholen, geht sie nach Thailand und lernt dort die Prostituerte Dok-My (Sunadcha Tadrabiab) kennen. Sie kauft sie für eine Nacht,
um sie vor einigen Westlern zu beschützen und erkennt, dass sie sich selbst in dem Mädchen wiedererkennt.
Kritik: "Sara" ist ein Drama, in dem sich Darstellerin Charlene Choi von ihrer schauspielerisch besten Seite zeigen darf und zudem noch
eine Rolle übernimmt, die nicht ihrem Typ entspricht. Es besteht kein Zweifel, dass dieses Drama komplexe Charaktere beleuchten will und dies zum
Großteil auch erfolgreich bewerkstelligt. Eine nicht zu übersehene Unfokussiertheit trübt jedoch gerade zum Ende hin den positiven Eindruck, bis man, wenn
der Abspann über den Bildschirm rollt, tatsächlich nicht einmal genau sagen kann, was die Intention des Regisseurs war. Denn es gibt gleich mehrere Themen,
die angeschnitten werden, dann wiederum aber nicht zu Ende gedacht wurden. Die Beziehung der beiden Protagonisten bleibt ebenfalls nur kurz beleuchtet,
doch funktioniert das tatsächlich sogar sehr gut.
Geht man nach dem Titel des Films, dürfte dieses Hong Kong Drama wohl um das Leben einer Frau gehen, die zunächst schlechte Karten ausgeteilt bekommen hat,
wegen der Vergewaltigung durch ihren Stiefvater von zuhause fortgegangen ist und dementsprechend keine höhere Bildung genossen hat. Eine zweite Chance bekommt
sie aber über einen Sugar Daddy. Ist es aber wirklich nur Sex, den sie für ein Studium und eine Wohnung eintauscht? Die Beziehung zwischen Ho-Yin und Sara
wird nur umrissen, doch genau an den richtigen Stellen. Es ist nicht einfach nur Prostitution, auch Gefühle spielen mit hinein, wie sich in einem Streit
ganz deutlich zeigt. Ho-Yin ist eigentlich auch gar nicht der Typ für eine solche Beziehung, aber irgendwie betrügt er dann letztlich doch seine Frau über Jahre.
Ob Saras Bevorzugung älterer Männer mit ihrer Vergewaltigung zu tun hat, ist aber auch eines der vielen Rätsel, die ungelöst bleiben.
Es tut "Sara" wie gesagt gut, dass nicht bis ins kleinste Detail die Beziehung ausgeleuchtet wird. Die Dinge, die nicht angesprochen werden, bleiben Leerräume,
die man selbst füllen muss und das ist gut so. Letztendlich erfahren wir auch, ob wir richtig gelegen haben, sodass es hier keine Enttäuschungen geben sollte.
Anders verhält es sich aber mit dem Rest des Films. Wir sehen das Leben der Protagonistin über 15 Jahre hinweg und begleiten sie auf wichtigen Stationen.
Es steht außer Frage, dass diese Stationen Anlässe für Sara sind, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich zu finden. Die komplexen Emotionen, die
das Drehbuch versucht zu kreieren, sind stets gegenwärtig und geben dem Drama Gewicht. Nur leider greifen sie nicht wie angedacht wie ein Zahnrad ins andere.
Manchmal schwirren die Themen etwas ziellos durch den Film. Ein stärkerer roter Faden wäre wünschenswert gewesen.
Ein gutes Beispiel ist die Geschichte von Dok-my und dem thailändischen Sex-Tourismus, der in einigen Aspekten Saras Leben und ihre inneren Gefühle
widerspiegeln soll. Gut verortet im Rest der Geschichte ist der Ausflug nach Thailand nämlich nicht. Das wird besonders im letzten Drittel noch einmal deutlich,
wenn wir erneut Dok-my einen Besuch abstatten. Das Problem ist, dass man erkennen kann, was Regisseur Herman Yau ("The
Legend is Born: Ip Man", "On the Edge") uns eigentlich für eine Geschichte präsentieren will und seine Bilder sind stark
genug, um sie zu transportieren. Leider scheint er aber etwas zu ambitioniert und verliert letzten Endes den Überblick über das, was er eigentlich am stärksten
in den Blickwinkel des Zuschauers rücken will. So fragt man sich oft, was denn nun die Botschaft des Dramas sein soll - denn zweifellos gibt es eine.
Charlene Choi ("The Sorcerer and the White Snake", "Triple Tap") rettet das Drama glücklicherweise auch über jene Szenen, in denen man ansonsten etwas verloren gewesen wäre. Sie gibt eine nuancierte Darstellung ab und geht dabei so subtil vor, dass selbst jene Szenen, die leicht hätten etwas kitschig wirken können, ernstzunehmen bleiben. Ihre Sex-Szenen sind auch etwas gewagter, als man vermuten würde. Simon Yam ("Two Thumbs Up") ist wie zu erwarten eine klare Bereicherung für den Film. Wäre also Dok-mys Geschichte mit ihrem sozialkritischen Unterton etwas passender in den Film integriert worden und wären ein paar Fragen zufriedenstellender beantwortet worden - Saras Monologe, in denen sie uns eigentlich vieles erklärt, das man auch den Umständen entnehmen konnte, sind nicht gemeint - hätte "Sara" ein sehr schönes Drama werden können. Es bleibt immer noch eines der besseren aus Hong Kong, aber der Film hätte das Zeug zu mehr gehabt, weshalb am Ende doch etwas Unzufriedenheit bleibt.