Story: Harry (Nick Cheung) arbeitet schon seit acht Jahren undercover. Nachdem er vier Jahre lang Beweise gegen
seinen Boss Dark (Francis Ng) gesammelt hat, schlägt die Polizei zu und bringt diesen hinter Gitter. Für Harry bedeutet
dies, dass er endlich wieder als normaler Polizist arbeiten kann. Er muss allerdings herausfinden, dass seine
Kollegen ihm nicht vertrauen und ihn immer noch zu den Gangstern zählen, die er verraten hat.
Seine ehemaligen Freunde in der Triadenorganisation, allen voran Mini B (Derek Tsang), hat er verloren, und selbst seine
frühere Freundin Cat (Rain Li) will nichts mehr von ihm wissen. Überdies bekommt Harry auch noch den taffen Cop
Lung (Anthony Wong) zur Seite gestellt, der es mit den Regeln nicht so genau nimmt und gerne mal handgreiflich wird.
Harry trifft auf Streife ehemalige Freunde wieder und muss diese nun auf der anderen Seite des Gesetzes stehend, wie
Gangster behandeln, was für seinen Partner Lung als Freibrief dient diese misshandeln zu dürfen. Immer mehr muss Harry
einsehen, dass er nicht weiß wo er jetzt in der Welt steht. Er wird von seinen Kollegen nicht als Cop akzeptiert, die
Abteilung für Innere Angelegenheiten beschattet ihn, und er hat all seine Freunde verloren. In einer Identitätskrise
steckend, wird Harry dann auch noch von Tung (Johnny Chen) reingelegt, der Darks Platz einnehmen will.
Kritik: Herman Yau schafft mit seiner Rückkehr zu den guten alten HK-Zeiten ein interessantes Drama, das leider
aber zu oft verspricht, auch ein Action-Thriller zu sein. "On the Edge" ist aber keineswegs so unterhaltsam, wie man es
sich gewünscht hätte und so bleibt der interessante Grundplot mitsamt einiger schöner schauspielerischer Darbietungen
das Einzige was einem nach dem Film in Erinnerung bleiben wird. Yaus Werk bleibt damit klar hinter dem zurück was
dieses Drama hätte werden können, was ohne Zweifel auch an seiner schlichten Regie und einem etwas strukturlosen Script
liegt. Wie erstaunlich wenig emotional mitnehmend der Film ist wird gerade nach dem Antiklimax-artigen Finale
offensichtlich. Yaus Blick auf die Welt der Gangster und das Drama eines Undercover-Polizisten erweist sich als zu
distanziert und unterkühlt erzählt um den Zuschauer wirklich bis zum Schluss bei Laune halten zu können. Dennoch sind
die Ambitionen des Regisseurs nicht zu verkennen und zumindest teilweise hat er auch Erfolg einen Film zu
schaffen, der sich nahtlos in das einreiht, was das Hong Kong Kino früher ausgemacht und erfolgreich gemacht hat.
Der Plot mag sich ein wenig nach "Infernal Affairs" anhören, aber Undercover-Storys hatten bei HK-Filmen schon immer
Hochkonjunktur. Diesmal konzentriert man sich aber auf das Leben nach erfolgreich abgeschlossener Undercover-Operation.
Unser Held Harry muss herausfinden, dass er nicht mehr wirklich ein Polizist ist, zumindest wenn es nach seinen
Kollegen geht. Er ist ein Außenseiter unter seinen Kollegen und wird nicht einmal zu den gemeinsamen Besprechungen
zugelassen. Für Harry ist das umso härter als dass er große Opfer bringen musste um wieder zur Polizei zurückkehren zu
dürfen. Seine Freunde nennen ihn einen Verräter und selbst seine Freundin wendet sich von ihm ab. Rain Li,
die Cat spielt, hat zwar einige emotionale Szenen mit Nick Cheung, aber gerade in diesen wird offenbar wie
wenig der Film auf dieser Ebene bieten kann. Irgendwie fehlt es diesen Szenen an irgendetwas. Vielleicht ist auch
Nick Cheungs etwas melancholisches Schauspiel Schuld daran.
Ohnehin konnte ich niemals verstehen warum Cheung soviel Lob als Schauspieler bekommt. Klar, er ist
nicht wirklich schlecht und da es ihm irgendwie an Charisma mangelt ist er ein besonders interessanter Darsteller, aber
meistens wirken seine Darbietungen doch immer etwas distanziert und kühl. Das ist hier nicht anders, aber immerhin
passt es gut in den Film und zu seiner Rolle, so dass man ihm eigentlich keinen Vorwurf machen kann. Es ist vielmehr die
trockene Regie und das langsame Tempo, das einen immer wieder Abstand zu den Geschehnissen auf dem Bildschirm
gewinnen lässt. Glücklicherweise ist "On the Edge" aber vollgepackt mit tollen Nebendarstellern. Anthony Wong
überzeugt uns davon, dass Cops manchmal schlimmer und brutaler als Gangster sein können, ohne dass er dabei einfach
zu einem Abziehbild des bösen Cops verkommt. Besonders gegen Ende darf er in seiner Rede beweisen, dass mehr hinter
seinem Charakter zu stecken scheint als man zuerst angenommen hat.
Francis Ng gibt wahrscheinlich die beste schauspielerische Leistung ab. Er ist zwar ein Gangster, aber ein sehr
liebenswürdiger und charismatischer. Ebenfalls nicht zu verachten ist Derek Tsang, Sohn von Eric Tsang, der hier
den wahrscheinlich am vielschichtigst anmutenden Charakter spielt. Neben all diesen tollen Leistungen verblasst
Nick Cheungs Darbietung dann auch nur allzu oft.
Um die Story aufzuwerten und den Film etwas spannender zu machen wird die Gegenwart immer wieder durch Zeitsprünge
in die Vergangenheit erläutert. Zuerst mag man bei dem vielen Gespringe durch die Zeitebenen durcheinander kommen, aber
glücklicherweise dient einem Cheungs unterschiedliche Haarfarbe immer wieder als Orientierungspunkt.
In "On the Edge" gibt es keine Schnörkel oder Spielereien. Ein direktes und einfaches Drama ist alles was wir hier
bekommen, und etwas anders gehandhabt hätte das auch schnell zur Stärke des Films werden können. Aber dieses Problem
scheint Regisseur Yau oft mit seinen Filmen zu haben. So bleibt einem nur
die interessante Idee von Harrys Charakter, der auf einer Straße zwischen Schwarz und Weiß wandert, wobei er
schließlich selbst immer mehr in Zweifel darüber gerät, wer er eigentlich ist. Besonders interessant ist ein Mord, den
Harry seinem Vorgesetzten verheimlicht. Mini B wurde zum Krüppel als er Harry beschützt hat, woraufhin er den Täter
erledigt. Hier zeigt sich wie gut die innere Zerrissenheit von Harrys Charakter auf den Bildschirm gebracht wurde,
denn der Zuschauer selbst macht Harry für sein Stillschweigen keinen Vorwurf, obwohl der Mord selbst eigentlich äußerst
brutal war.
Action wird man abgesehen von einer schönen Auto-Verfolgungsjagd gegen Ende kaum vorfinden. "On the Edge" ist ein Drama,
das von seiner Grundidee intelligent ist, aber zu kühl präsentiert wird. Außerdem ist der Antiklimax irgendwie
frustrierend. Was dieses Drama aussagen will ist nicht wirklich subtil verpackt, wie auch die Schrifttafel am Ende
des Films zeigt. Ein Undercover-Cop zu sein ist nicht leicht und stellt einen zwischen zwei Welten. Dies muss
wiederum irgendwann zu einer Identitätskrise führen, die hier anhand von Harrys Charakter und etlichen Szenen mit
seinen früheren Freunden und neuen Kollegen erfolgreich präsentiert wird. Was dem Film fehlt ist einfach ein wenig
mehr Action oder Thrill. Zumindest hätte man aber darauf achten können, dass das Tempo nicht so oft einsackt.
"On the Edge" ist ein ordentlicher Film, der mit Sicherheit das gewisse Etwas hat, aber auf zu vielen Gebieten nicht das
liefert, was er verspricht. Wenn man sich anschaut was heutzutage für Filme aus Hong Kong kommen muss man Yau danken,
dass er sich dem früheren anspruchsvollen HK-Kino zuwendet. Alleine deshalb ist der Film schon empfehlenswert.
Das kleine Meisterwerk, das viele andere Filmkritiker in ihm sehen, konnte ich jedoch nicht erkennen.