Story: Tsuneo (Satoshi Tsumabuki) geht aufs College und arbeitet nebenher in einem Mahjong-Salon, wo er das Gerücht hört, dass die Oma aus der Nachbarschaft, die stets einen Kinderwagen vor sich herschiebt, in dem aber augenscheinlich kein Baby liegt, Drogen schmuggelt. Tsuneo trifft auf dem Weg nach Hause zufällig genau jene Oma, deren Kinderwagen gerade wegrollt und umkippt. Darin befinden sich aber keine Drogen, sondern die junge Frau Josee (Chizuru Ikewaki), die von der Hüfte abwärts gelähmt ist. Tsuneo bringt das Mädchen und die Oma nach Hause, wo er zum Essen eingeladen wird. Josee sagt zwar so gut wie kein Wort, ist aber eine ausgezeichnete Köchin und liest alles, was ihr ihre Oma mitbringt. Da diese aber sehr arm ist, handelt es sich schlicht um alles, was die Leute so verschenken oder wegwerfen. Tsuneo findet bald wieder einen Grund, bei Josee vorbeizuschauen und ihr Essen genießen zu dürfen. Außerdem engagiert er sich bei der Wohlfahrt und sorgt dafür, dass die Wohnung der Oma kostenlos renoviert wird. Josee ist für Tsuneo ein faszinierendes Mädchen und obwohl er gerade eine neue Freundin in Kanae (Juri Ueno) gefunden hat, verbringt er mit der körperlich behinderten Josee weitaus mehr Zeit. Schließlich muss er sich fragen, welche Gefühle er wirklich für das Mädchen hat. Josee bleibt jedoch auf Distanz und als es dann noch zu einem Zerwürfnis kommt, will sie Tsuneo nicht mehr sehen. Ein Schicksalsschlag lässt die Beziehung zwischen den beiden aber noch einmal wachsen.
Kritik: Eigentlich hat der 2020 erschienen Anime "Josee, the Tiger and the Fish" meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Schließlich ist mir dann der koreanische Film "Josee" in die Hände gefallen, der ebenfalls 2020 herauskam. Und letzten Endes hat sich dann herausgestellt, dass die Verfilmung einer Kurzgeschichte von Seiko Tanabe schon 2003 verfilmt wurde. Um schön chronologisch vorzugehen, verdient also erstmal die japanische Version eine Besprechung. Dabei ist zunächst einmal hervorzuheben, dass es sich hier um keine bonbonbunte Romantikkomödie handelt. Es ist vielmehr ein Drama, mit einem zum Teil makabren Humor und Gefühlen, die meistens auf subtile Weise zum Ausdruck kommen. Leider führt das zur größten Schwäche des Films, denn der Beziehung mangelt es etwas an Chemie und Dynamik. Die Charaktere sind an sich nicht schlecht geschrieben, aber viel findet zwischen den Zeilen oder in Form von Blicken und Gesten statt.
"Josee, the Tiger and the Fish" wandert auch ein wenig den Pfad eines Kunstfilms. Der Anfang mit seinen Standbildern, die einer Dia-Show des letzten Urlaubs gleichkommt, ist bereits der erste Hinweis darauf und der Ton des Films wird hier auch bereits etabliert. Nicht alles geht in dieser Romanze glatt, aber Tränen werden dem Zuschauer dabei nicht fließen. Das Drama ist realistisch und lebensbejahend. Das macht die Geschehnisse im Grunde auch so interessant. Die Beziehung entwickelt sich trotz der bereits angesprochenen Distanz auf natürliche Weise weiter und das trägt zur Faszination der Geschichte bei. Eine plötzliche Krankheit, die im letzten Drittel zuschlägt? Nein, das muss man hier nicht befürchten. Eine ausgedehnte Auseinandersetzung darüber, was es in der japanischen Gesellschaft bedeutet, mit einer körperlich behinderten Person zusammen zu sein? Auch das nicht. Hier wird nur angedeutet. Alles, was den Film also kitschig machen könnte, wurde komplett umschifft und dafür darf man dankbar sein.
An sich ist die Geschichte ziemlich simpel gestrickt. Es gibt aber durchaus einige Probleme, die es zu überwinden gilt. Josee ist generell kurz angebunden und interessiert sich zuerst nicht für Tsuneo. Ob dieser es auf eine romantische Beziehung abgesehen hat, ist auch nicht ganz klar. Einzig daran, dass er von ihrem Essen begeistert ist, besteht kein Zweifel. Sein Lob wird von ihr mit einem "Natürlich schmeckt das; nichts, was ich koche, schmeckt nicht", abgeschmettert und zeigt ihre Selbstsicherheit, die dem entgegensteht, was ihre Großmutter über sie sagt. Sie wird von ihr als "nicht vollwertiger Mensch" bezeichnet und ihr wäre es auch peinlich, wenn die Nachbarn mitbekommen würden, dass es sie gibt. Josee selbst interessiert sich außerdem nur für ihre Bücher. Chizuru Ikewaki ("Oishii Man") gelingt es auf wunderbare Weise, die Stärke dieses Charakters mit den unweigerlichen Minderwertigkeitskomplexen zu verbinden und dazu noch einige Eigenheiten einzuarbeiten.
Tsuneo ist da schon ein etwas flacherer Charakter. Zumindest auf den ersten Blick. Er ist bei allen beliebt und ein guter Kerl, der sich sogar für soziale Projekte einsetzt. Dass er trotz seiner Beliebtheit eigentlich sehr durchschnittlich ist, wird ihm selbst irgendwann gewahr und das trifft ihn auch nicht unbedingt sanft. Er ist auch ein Feigling, wie ein paar seiner Entscheidungen klarmachen. Satoshi Tsumabuki ("It Comes") arbeitet mit dem, was er hat, und dass seine Rolle eben doch etwas komplexer ist, als es zunächst den Anschein macht, wird irgendwann auch offensichtlich. Leider ist das aber etwas zu spät, als dass die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten als absolut gelungen bezeichnet werden könnte. Ihr fehlt der letzte Funken, auch wenn gegen Ende klar wird, dass das teilweise vielleicht sogar beabsichtigt ist. Das Drama und einige der Motive, die man in einem Film dieser Art erwarten würde, sind aber angenehm subtil umgesetzt. Das macht einige Szenen durchaus traurig, auch wenn man nie zum Taschentuch greifen muss.
Die besondere Stimmung des Films rührt auch von seinem dezent, aber immer wieder eingesetztem Humor. Da ist natürlich Josee, die im Kinderwagen durch die Gegend geschoben wird, aber auch ein Kindheitsfreund, den sie ihren Sohn nennt und der selbst ein Aggressionsproblem hat. Tsuneo trifft ihn in einem Baumarkt wieder, als er gerade mit einem Schraubenschlüssel über einem bewusstlosen Mann steht. Kontext? Keiner. Anschließend reden die beiden in einem Café über Josee, als ob nichts gewesen wäre. An einer anderen Stelle wird Josee von Tsuneos Ex-Freundin geohrfeigt, woraufhin Josee ihre Hand hebt und das andere Mädchen sich zum Kinderwagen herunterbeugt, damit auch sie eine Ohrfeige zurückbekommt. Die schöne Mischung aus Drama und Humor lässt "Josee" trotz anfänglicher Bedenken, es könnte sich um langatmiges Kunstkino halten, doch zu einer erstaunlich unbeschwerten und warmherzigen Angelegenheit werden. Gleich jenem nostalgischen Gefühl, das man hat, wenn man auf eine irgendwie schmerzhafte, aber im Großen und Ganzen doch schöne Zeit zurückblickt.