Story: Cheng Yi (Xie Miao) ist ein blinder Kopfgeldjäger, dessen Hobby einzig das Trinken ist. Er hat sich von der Welt mehr oder weniger zurückgezogen und interessiert sich nur noch für das Einkassieren von Kopfgeldern. Auch als das Mädchen Zhang Xiaoyu (Yang Enyou) bei ihm zuhause auftaucht, weil sie seine Hilfe braucht, zeigt er keine Emotion und wirft sie wieder raus. Xiaoyu hat mitangesehen, wie der Sohn einer wohlhabenden Familie mehrere Menschen getötet hat und dabei auch nicht davor zurückschreckt, Kinder abzuschlachten, denn auch Xiaoyus einziger Freund wurde von ihm und seinen Handlangern getötet. Das Mädchen lässt sich von Cheng Yi nicht abwimmeln und als sie erfährt, dass er Kopfgeldjäger ist, lässt sie sogar ein Poster anfertigen, doch Cheng Yi bleibt ungerührt und schickt sie erneut weg. Nachdem Cheng Yi auf dem Weg in eine andere Stadt ist, der Karren mit dem Pferd jedoch einen Unfall hat, und er nicht nur zu Fuß weitergehen muss, sondern sich auch noch herausstellt, dass sich das Mädchen im Gepäck versteckt hat, erweist sich Xiaoyu als recht nützlich, da sie dem Kopfgeldjäger ihre Augen leihen kann. Sie finden zwar den Weg in die Stadt, aber auch dann ist Cheng Yi nicht bereit, für das Mädchen Rache zu nehmen. Xiaoyu bleibt aber unglaublich hartnäckig, sodass Cheng Yi ihr zumindest gestattet, einige Zeit bei ihm zu wohnen. Schon bald trifft sie durch Zufall jedoch auf den Mann, an dem sie Rache nehmen will...
Kritik: "Eye for an Eye" hatte ziemlich große Wellen geschlagen, da der Film für den Streamingdienst Hi-Yah! gedreht wurde, qualitativ aber auf hohem Niveau angesiedelt war. Die Kinematografie war herausragend, allerdings war die Geschichte, die sich an "Zatoichi" und diversen Western orientierte, auf das absolut Nötigste beschränkt. Auch die Kämpfe waren leider eine kleine Enttäuschung. Den Hype konnte ich daher nur zur Hälfte nachvollziehen. Ich war zwar neugierig auf eine Fortsetzung, diesmal für den Streamingdienst IQiyi, aber meine Erwartungen waren gemäßigt. Erfreulicherweise hat Regisseur Yang Bingjia in allen Belangen Verbesserungen vorgenommen. Die größte Schwäche bleibt zwar die Geschichte, dafür gibt es diesmal aber echte Charakterentwicklung und man fühlt sich wesentlich mehr emotional mit den Ereignissen verbunden. Zudem gibt es zwar nach wie vor nicht außerordentlich viele Kämpfe, aber auch diese sind ein gutes Stück besser geraten.
Cheng Yi ist kein Charakter, der es einem leicht macht, Sympathien für ihn zu entwickeln. Wir wissen auch nicht, was er vom Leben überhaupt noch erwartet oder welche Ziele er verfolgt. Er lebt schlicht in den Tag hinein. Es ist die kleine Xiaoyu, die für ihn alles durcheinanderbringt. Dass ein kleines Kind das Leben eines Auftragsmörders oder in diesem Fall Kopfgeldjägers ins Chaos stürzt, ist wahrlich nichts Neues, aber der Regisseur baut dabei sehr stark auf die Beziehung zwischen dem unnahbaren Helden und Xiaoyu. Die ganze Geschichte verlässt sich dabei so gut wie komplett auf Jungdarstellerin Yang Enyou ("Lighting up the Stars") - und die Rechnung geht auf. Yang ist herausragend, bringt Emotion und Tiefe in ihre ebenfalls nicht sonderlich kreativ geschriebene Rolle und hält damit die Dinge am Laufen. Denn wenn man sich den eigentlichen Plot ansieht, unterscheidet er sich nicht grundlegend vom ersten Teil. Vielleicht davon abgesehen, dass Cheng Yi wegen seiner Erfahrungen noch weniger gewillt ist, irgendjemandem zu helfen.
Das kleine Mädchen will sich eigentlich rächen, Cheng Yi will aber diesen Teufelskreis der Rache nicht bedienen. Hier hätte mehr Tiefe erreicht werden können, ein paar schöne Dialoge hätten Wunder gewirkt. An ein paar wenigen Stellen scheint dies sogar beabsichtigt gewesen zu sein, aber wirklich gelungen ist es nicht. Dennoch muss man dem Regisseur zu Gute halten, dass er sich hinsichtlich plastischerer Charaktere mehr Gedanken gemacht hat und alles etwas natürlicher und nachvollziehbarer wirkt, nicht mehr nur wie eine Übung in schöner Bildkomposition. Wie stark aber Xiaoyu die Seele des Films ausmacht, lässt sich leider daran erkennen, dass wir uns immer wieder bei dem Gedanken erwischen, warum Cheng Yi nun auf dem Weg an den Ort xy ist bzw. welchen Mehrwert das für die Geschichte haben soll. Die Collage, wie er und das Mädchen gemeinsam Verbrecher fangen, ist ziemlich interessant, aber davon abgesehen, können wir nie nachvollziehen, was der Kopfgeldjäger eigentlich genau will. Damit ist die Geschichte leider genauso ziellos wie er.
Ab und an gibt es aber ein paar Kämpfe. Diese können teilweise erstaunlich brutal und blutig ausfallen, zumal der Bösewicht grausam genug dargestellt wird, dass er schnell unseren Hass auf sich gezogen hat. Unglücklicherweise kämpft die Fortsetzung aber immer noch mit dem Problem, dass die Schnitte zu schnell sind und die Kamera oft zu nahe am Geschehen ist. Zuweilen gibt es eine längere Szene, die nicht durch ein Musikvideo-Schnittgewitter zerstückelt wurde, und da zeigt sich durchaus die Qualität der Kämpfe. Ein paar überraschende Ideen gibt es auch, wie beispielsweise ein Widersacher, der seine Klingen entzündet, wodurch Regisseur Yang auch wieder mit seinen schönen Bildern punkten kann. Und auch gegen Ende wird ein Kampf gegen unzählige Gegner abgekürzt, um uns nicht unnötig zu langweilen und uns stattdessen anschließend einen gelungenen Endkampf zu servieren. In der Hinsicht sind also auch die Kämpfe besser geraten als im Vorgänger.
Trotz seiner 90 Minuten Laufzeit fühlt sich die Fortsetzung um einiges kürzer an als der erste Teil, was auch als Lob verstanden werden muss. Auch wenn die Geschichte immer wieder auf der Stelle tritt bzw. diese generell sehr flach ausfällt, ist dank der Charaktere doch stets Bewegung im Spiel. Es bleibt jedoch ein Fakt, dass hier alles ungemein vertraut wirkt - diesmal hat man eben hauptsächlich "Lone Wolf and Cub" kopiert und verwässert. Yang Enyou war allerdings eine hervorragende Wahl, um dem Film diesmal mehr Leben einzuhauchen. Und Regisseur Yang Bingjias Regie ist erneut über jeden Zweifel erhaben. Als Wuxia-Film hätte es noch ein paar mehr Kämpfe und weniger Schnitte geben müssen, da diese eher nach westlichem Standard anmuten und normalerweise mangelnde Kampfexpertise verschleiern sollen. Hier sieht man aber, dass eine gute Choreografie und fähige Darsteller involviert sind und ein paar Kämpfe können sogar vollkommen überzeugen - es hätte wie gesagt aber mehr herausgeholt werden können. Insgesamt mag es also noch einige Probleme geben, aber die größten Schwächen sind ausgemerzt und so kann man den Nachfolger Wuxia- bzw. Chanbara-Fans bedenkenlos empfehlen.