Story: In der Ming-Dynastie hat der Prinz von Qi den Kronprinzen ermordet und sich durch ein gefälschtes Dekret selbst auf den Thron gesetzt. Allerdings hat der Kronprinz einen Sohn und dieser könnte dem Prinzen von Qi in Zukunft den Thron streitig machen. Daher befehligt dieser seinem Kommandanten Xuqing (Geng Le) das Baby ausfindig zu machen. Xuqing und seine Männer haben das Baby fast in ihrer Gewalt. Doch Nie Ling'er (Xia Meng), die sich um das Baby kümmert, sucht auf der Straße verzweifelt Hilfe von dem Kohleverkäufer Tian Anye (Zhang Jin). Tian will mit der Sache nichts zu tun haben, aber sein Geschäftspartner Qiansun (Liu Hua) überredet ihn, der Frau zu helfen. Sie verstecken sie daher vor den Palastwachen, doch letztlich werden sie gefunden. Tian ist aber ein Meister des Schwerts und kann die Wachen ausschalten. Während Kommandant Xuqing davon erfährt, dass eine neue Person das Schlachtfeld betreten hat, wird Tian von einer weiteren Partei angesprochen, die aus unbekannten Gründen das Baby beschützen und aus der Stadt schaffen will. Qin Gu (Jiang Luxia) ist die Anführerin dieser Gruppierung und zusammen mit Tian erarbeitet sie einen Plan. Xuqing ist aber nicht bereit, sie einfach ziehen zu lassen...
Kritik: Die Zeiten, in denen man gute Wuxia-Filme nur noch im Kino zu sehen bekam, sind auch in China schon lange Geschichte. Mittlerweile tummelt sich außerdem auch dort ganz nach Marvel-Manier langweiliges Effekt-Kino ohne Geschichte oder interessante Charaktere. Daher sollte es nicht allzu sehr verwundern, dass es in letzter Zeit tatsächlich beim Streaming-Dienst iQIYI immer wieder ein paar Perlen gibt, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Mein persönlicher Favorit war bisher "The Hidden Fox", aber weitaus bekannter dürfte "Eye for an Eye 2" sein. Dementsprechend halte ich immer wieder die Augen auf, was es für neue Genreeinträge auf dem Streamingdienst gibt und dank der Bewertungen kann man auch schnell auf einen potentiell guten Film stoßen. Wie eben im Falle des eigentümlich betitelten Wuxia-Werks "The Wild Blade of Strangers", das auch deswegen meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, weil Zhang Jin (aka Max Zhang) endlich wieder in einer Hauptrolle zu sehen ist. Das Resultat kann sich in der Tat sehen lassen.
Besonders auffallend ist in letzter Zeit, wie viel höher die Produktionskosten heutzutage sind bzw. wie viel teurer die Filme auf iQIYI zumindest aussehen. Die Sets in "The Wild Blade of Strangers" sind hervorragend und wirken an keiner Stelle billig oder wie recycelte Studio-Lokalitäten. Die Kostüme sind ebenso herausragend und die zahlreichen Komparsen lassen den Streifen ebenso um einiges größer erscheinen. Es sind kleine Momente wie die, in denen die Kamera kurz durch ein Fest in der Stadt schwenkt, auf dem sich verschiedene Händler und Besucher unterschiedlicher Kulturen vermischen, die dem Film Leben einhauchen. Dafür spart man an unnötigen CGI-Effekten, die in chinesischen Produktionen zumeist ohnehin wenig überzeugend wirken. Und auch wenn wir hier ganz eindeutig eine gut ausstaffierte Welt präsentiert bekommen, in deren Mittelpunkt auch eine politische Intrige steckt, konzentriert sich der Plot auf das Wesentliche, nämlich die Charaktere und ihre Motivationen. Das ist es, was die Geschichte letzten Endes auch so gut funktionieren lässt.
Der Einstieg mag allerdings ein wenig Geduld erfordern. Wir werden langsam an die verschiedenen Figuren und Parteien herangeführt und die Kameraarbeit wirkt dabei zunächst etwas befremdlich. So wird die Kamera selbst häufig bewegt, weil sie beispielsweise ein Holzscheit darstellen soll, was an sich eine interessante regietechnische Wahl ist. Nur wird dieses Stilmittel leider viel zu häufig eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Streifens wird das zum Glück zurückgeschraubt und nur noch sporadisch verwendet, z.B. wenn ein Kopf abgetrennt wird, womit es dann wieder recht gut funktioniert. Der Einstieg ist aber auch deswegen schwierig, weil die Charaktere es einem nicht leicht machen, mit ihnen warmzuwerden. Zhang Jin ("Master Z: The Ip Man Legacy") spielt den Kohlehändler mit einer enormen Ruhe und so stoisch, dass wir von Anfang an wissen, dass seine Vergangenheit ein großes Geheimnis birgt. Schauspielerisch wird das alles daher etwas klischeehaft, aber immerhin schafft es Zhang Jin in seinen Szenen stets den Bildschirm für sich zu vereinnahmen.
Tians Geschäftspartner und Ling'er bringen aber ein wenig mehr Emotionen in die Geschichte. Auch die rätselhafte dritte Partei kann unser Interesse erwecken. Niemand der Personen bekommt die Tiefe, die man sich wünschen würde, aber es reicht, dass wir uns nach der ersten halben Stunde in die Geschehnisse involviert fühlen. Darüber hinaus bietet die Geschichte genug Stoff und Wendungen, dass der Film auch abseits der Kämpfe funktioniert. Dabei ist ebenfalls eine Überraschung, dass die Kämpfe zunächst sogar enttäuschen. Tian gegen eine Vielzahl von Gegnern antreten zu sehen, ist zwar lustig - und visuell ansprechend, wie der Kampf mit einer improvisierten "Feuerpeitsche" beweist -, aber haut einen nicht aus den Socken. Das ändert sich schlagartig in der Mitte des Films als Tian zum ersten Mal gegen den Bösewicht antritt. Der Kampf bietet tolle Choreographie, Einfallsreichtum und strategisches Vorgehen. Weiterhin hat man zu jeder Sekunde das Gefühl, dass etwas auf dem Spiel steht. Bodenständige Kämpfe (inklusive etwas Wire-Fu versteht sich) wie dieser und natürlich das Finale sind genau das, was den meisten Wuxia-Filmen von heute fehlt.
Leider gibt es zwischendurch auch ein paar kleinere Längen, das Finale kann dafür aber entschädigen. Der Showdown hat einfach Charakter. Tian, der mit seinen Verbündeten zunächst einige Fallen gelegt hat, muss sich gegen eine kleine Armee wehren, während Ling'er als Dankeschön einen Tanz aufführt, obwohl Armbrustbolzen durch die Gegend fliegen. Das mag etwas zu stilisiert wirken, aber unterhaltsam ist das trotzdem und gibt dem Ganzen auch eine besondere Note. Ein wenig hat man zudem das Gefühl, dass Regisseur Li Wei auch ein wenig bei vorherigen iQIYI-Werken abgekupfert hat (beispielsweise das Vorhersehen der nächsten Angriffe des Gegners, die dann mit möglichem Ausgang gezeigt werden). Aber da er sich der Elemente bedient, die gut funktionieren, ist das verschmerzbar. Tians eigentlich bevorzugte Waffe erklärt später auch seinen Kampfstil, den wir ihn zu Anfang mit einem normalen Schwert vollführen sehen. Für Wuxia-Fans sind es solche Details, die "The Wild Blade of Strangers" zu einer Empfehlung machen, aber eben auch der Umstand, dass wir als Bonus auch noch eine ordentliche Geschichte bekommen.