Story: Sachi Kouda (Haruka Ayase) ist Krankenschwester und hat ihre beiden Geschwister mehr oder weniger alleine aufgezogen. Yoshino Kouda
(Masami Nagasawa) arbeitet bei einer Bank und hat Probleme mit ihrem aktuellen Freund, während die jüngste Schwester Chika Kouda (Kaho) das Leben genießt
und nebenher jobbt. Zusammen wohnen die drei in einem Haus, das ihnen ihre Großmutter vermacht hat. Plötzlich erreicht sie jedoch die Nachricht, dass ihr Vater
gestorben ist. Seitdem ihr Vater die Familie für eine andere Frau verlassen hat, haben sie nichts mehr von ihm gehört. Dennoch nehmen sie an der Beerdigung
teil. Dort treffen sie Suzu Asano (Suzu Hirose), ihre 14-jährige Halbschwester. Ohne einen Vater hat Suzu nur noch eine Stiefmutter, die sich um sie kümmern
könnte, daher machen die drei Schwestern ihr das Angebot, doch bei ihr zu wohnen. Gerne nimmt Suzu das Angebot an und lebt sich sehr schnell bei ihren
Schwestern ein. Auch in der Schule findet sie sofort neue Freunde und tritt einem Fußball-Club bei. Allerdings gibt es ein Thema, das Suzu bei ihren Geschwistern
nicht ansprechen kann: ihr gemeinsamer Vater. Zu tief sitzt die Wunde, die er bei den drei Frauen hinterlassen hat.
Kritik: Mit "Our Little Sister" tritt Regisseur Hirokazu Koreeda in die Fußstapfen klassischer Familienfilme, in denen die Welt noch in
Ordnung war. Nur dass die hier gezeigte Familie nicht klassisch ist und auch nicht alles ohne Probleme abläuft. Vielmehr ist es der Schmerz, den eine nicht
intakte Familie begleitet, der im Mittelpunkt der Geschichte steht. Doch um tatsächlich als Drama eingeordnet werden zu können, strahlt dieser Film eigentlich zu
viel Wärme aus. So mag man zwar keine heile Welt gezeigt bekommen, aber dennoch eine, die so viel Gemütlichkeit und Herzenswärme ausstrahlt, dass man
bald glaubt, zuhause zu sein. Das unter der Oberfläche einige Wunden verborgen sind, ist offensichtlich, doch wenn sich der Regisseur diesen zuwendet, dann
auf sehr subtile Art und Weise. Trotz seiner Stärken kann aber nicht geleugnet werden, dass hinsichtlich seiner Geschichte der Film ein recht seichtes Wasser
darstellt.
Das wird aber durch die interessanten Persönlichkeiten wieder wettgemacht. Die vier Frauen haben alle ihre persönlichen Eigenheiten und untereinander
eine hervorragende Chemie, sodass man in allen möglichen alltäglichen Situationen stets das Gefühl hat, eine echte Familie vor sich zu haben. Die Gespräche,
auch jene, die im Hintergrund ablaufen, wirken stets natürlich und Hirokazu Koreedas Regie trägt ebenfalls dazu bei, dass alles sehr heimisch wirkt. Daneben
schaffen die Geschwister aber auch eine unbeschwerte Atmosphäre, in der auch etwas ernstere Themen ab und zu besprochen werden. Zunächst gibt es aber
verständliche Widerstände. Der Vater hat die Familie zerrüttet und auch das Auftreten der Mutter später zeigt, dass diese ihren Beitrag geleistet hat, dass
die Geschwister auch sie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen haben. Langsam werden die Leichen aus dem Keller geholt, doch das ist niemals wirklich
unangenehm.
Wirkliche Wutausbrüche gibt es nicht. Alles bleibt irgendwie gedämpft, wenn es um negative Gefühle geht. Dennoch sind die Probleme offensichtlich, auch wenn
sie unter der Oberfläche schwelen. Dafür verdient der Regisseur genauso ein Lob wie die Darstellerinnen. Haruka Ayase
("Cyborg Girl") versteckt ihre Schönheit hinter einer strengen Frisur und allgemeiner Zugeknöpfheit sowie einem ernsten Gesicht.
Sachi trägt die Verantwortung für ihre Geschwister, worunter auch ihr Privatleben leidet. Und später zeigt sich, dass ihre Beziehung zu einem Arzt auch
wichtige Aspekte ihrer Familienvergangenheit widerspiegelt. Masami Nagasawa ("Touch") verkörpert eine unbeschwerte Frau, die jedoch
in ihrem Liebesleben nie Glück hat. Im Verlauf der Geschichte reift Yoshino allerdings am meisten. Chika wird auf der anderen Seite leider stets etwas
ausgeklammert. Sie ist die noch nicht ganz erwachsene jüngste Schwester, die auch kaum eine Hintergrundgeschichte spendiert bekommt.
Dabei profitiert "Our Little Sister" eigentlich davon, dass um die Personen etwas mehr Farbe gezeichnet wurde, wodurch sie mehr Gewicht bekommen und vor allem
auch die vielen komplexen Gefühle gut transportieren können. Mit Suzu, gespielt von Suzu Hirose, kommt schließlich eine weitere Schwester in die Familie, die
ein großes Päckchen zu tragen hat und die Probleme innerhalb der Familie überhaupt erst zugänglich macht, wenn dies auch nicht ihre Absicht sein mag. Es wird
einem klar, dass dieses Drama nicht mehr zu bieten hat, als sich einem Kern zu nähern, der als faule Wurzel zu einigen unangenehmen Auseinandersetzungen mit der
Vergangenheit führen wird. Dementsprechend sollte man auch Geduld mitbringen und ruhigen Filmen dieser Art nicht abgeneigt sein. Nicht nur die vier Geschwister
- Männer spielen in dem Film kaum eine Rolle, außer der stets omnipräsente Vater, den wir jedoch nie zu sehen bekommen -, sondern auch der Rest der kleinen
Stadt wachsen einem bald ans Herz.
Es ist die bereits mehrfach angesprochene Wärme, die "Our Little Sister" so angenehm macht und wie eine Reise in schöne Kindheitstage anmutet. Die Natur wird von Regisseur Hirokazu Koreeda ("Air Doll", "After Life") ebenfalls sehr geschickt eingesetzt, sodass ausgelassene Gespräche auf der Veranda, während im Hintergrund die Zikaden zirpen, genauso angenehm dösig machen, wie die Kirschblütenbäume oder andere schön eingefangene Naturaufnahmen. Man hätte sich bei diesem auf einem Manga von Akimi Yoshida basierenden Film zwar gewünscht, ein bisschen mehr als nur das langsame Aufschlüsseln der Familienprobleme zu bekommen, aber so bleibt "Our Little Sister" auch subtil und glaubwürdig. Auf eine unaufdringliche Art kann das Drama letztlich auch bewegen. Es gibt nicht viele Filme, bei denen man eine sommerliche und familiäre, beinahe verträumte Atmosphäre zu spüren bekommt. Alleine dafür hat sich dieser Streifen eine Emfehlung verdient.