Story: Autumn Moon (Sam Lee) wächst in armen Verhältnissen auf und hat die Schule geschmissen. Wie viele seines
Alters verdient er sich etwas dazu indem er als Schuldeneintreiber arbeitet. Moon ist allerdings nicht bereit blind
den Befehlen eines Triadenboss zu folgen, weshalb er keiner Organisation angehört, sondern "freiberuflich" für Boss
Wing (Chan Sang) Schulden eintreibt. Bei einem seiner Aufträge gerät Moon an Ping (Neiky Yim), ein junges Mädchen,
für das er mit der Zeit langsam Gefühle entwickelt. Unglücklicherweise leidet Ping an Krebs und braucht dringend
eine neue Niere.
Moon beschließt einen Auftragsmord anzunehmen um Pings Operation zu bezahlen und will dafür seine eigene Niere spenden.
Schlussendlich kann Moon allerdings nicht den Mut für einen Mord aufbringen. Außerdem glaubt er vom Geist des
Mädchens Susan (Amy Tam), das vor einigen Tagen Selbstmord begangen hat, heimgesucht zu werden. Moons unterbelichteter
Freund Sylvester (Wembers Li) hat in ihren toten Händen zwei Briefe gefunden, die Moon seitdem bei sich trägt. Mit der
Zeit beginnt Moon die Beweggründe des Mädchens für ihren Selbstmord zu verstehen, denn die Welt in der er lebt ist eine
grausame, in der Jugendliche keine Perspektive haben. Nachdem ihn dann nicht nur sein Vater, sondern auch noch seine
Mutter verlässt und nach dem Tod einiger guter Freunde von ihm, beschließt Moon sich an der Welt der Erwachsenen zu
rächen...
Kritik: "Made in Hong Kong" ist ein Independent Film, der auf jeden Fall in die Kategorie "Art House" fällt.
Regisseur Fruit Chan ("Dumplings") musste für seinen Film Filmreste bei seiner Arbeit als Regieassistent sammeln, um
überhaupt das Material zusammenzubekommen, seinen eigenen Film drehen zu können. Das Endprodukt ist ein Low-Budget
Werk, das dennoch durch einige stilistisch gelungene Spielereien und einen manchmal sogar leicht surrealistischen
Touch hervorsticht. Chan beweist sein Können als Regisseur in einer Geschichte rund um eine Generation ohne Perspektive,
die an sich voll von Genre-Klischees ist, aber sich niemals so anfühlt. Zum einen ist das Chans außergewöhnlicher
Regie zu verdanken, die in der Tat ein wenig Wong Kar-Wai Elemente beinhaltet, dabei aber auch ihren ganz eigenen
Stil bewahrt, als auch Sam Lees Leinwandpräsenz. Der gesamte Film wird durch seine Augen betrachtet, was dem Film
etwas sehr ehrliches und glaubwürdiges gibt.
Moon stellt nicht nur den Hauptcharakter und Fokus des Films dar, er dient auch als Erzähler. Moon erkennt sehr schnell,
dass es in dieser Welt weder ein richtig, noch ein falsch gibt, wie er uns erzählt. Er will seine eigene Freiheit
behalten, weshalb er sich keiner Organisation anschließt, grundlegend ist er aber ein Gangster. Immerhin darf er sich
aber aussuchen welche Aufträge er annimmt und welche nicht. Ist Moon also jemand, der sich eine gewisse Form eines
moralischen Kodex bewahrt hat? Schwer zu sagen, denn Moons Person ist schwierig zu definieren. Manchmal geht er Gewalt
aus dem Weg, zu anderen Zeitpunkten scheint er aber sogar Spaß an ihr zu haben. Moon ist in keine triviale Kategorie
wie gut oder böse einzuordnen. Er ist vielmehr ein Junge, der sich auf dem Pfad des Lebens verlaufen hat, weil ihm
niemand eine Richtung zeigen kann. Es ist also unmöglich Moon Vorwürfe für seine Taten zu machen, eigentlich können
wir sogar immer mit ihm fühlen, doch ein "Held" ist er auch im Sinne eines Heroic-Bloodshed Movies nicht.
Später entwickelt "Made in Hong Kong" Züge eines Rache-Films, allerdings besteht hier kaum ein Zweifel, dass Moons
Rache wesentlich tiefgehender ist. Er möchte sich nicht nur an bestimmten Personen rächen, die ihm bzw. anderen Leid
angetan haben, sondern er will sich an der Welt der Erwachsenen rächen.
Sam Lee ("Dog Bite Dog") ist ein wirklich interessanter Darsteller und besticht durch sein ungewöhnliches Charisma.
In "Made in Hong Kong" feiert er sein Debut und gibt einfach eine unwahrscheinlich ehrliche Darstellung eines Jungen
ab, der immer wieder enttäuscht wird, manchmal sogar versucht auf den rechten Weg zu kommen, aber immer wieder durch
äußere Umstände in eine Welt der Gewalt und Desorientierung gezogen wird. Moon sucht nach seinem Weg und glaubt ihn
in Form von Ping gefunden zu haben. Durch sie könnte er ein besserer Mensch werden. Aber die Welt, in der Moon lebt ist
eine komplizierte und harte, die voller Hürden ist. Mit der Zeit lernt er zu verstehen warum das Mädchen Susan Selbstmord
begangen hat, aber für diese Art des Auswegs ist Moon anfangs zu lebensfroh.
Die Faszination von Fruit Chans Film liegt in der Art wie die Welt durch Moons Augen betrachtet wird. Das erlaubt
Chan auch einige sehr faszinierende Szenen zu kreieren. In einer von ihnen will Moon einen Mann umbringen, aber für
den Zuschauer stellt sich die gesamte Szene als ein Überlagerung von Wunschdenken, Wahrheit, Vergangenheit und
Zukunft dar, die einen überaus gelungenen spannenden, als auch künstlerisch anspruchsvollen Moment darstellt.
Außerdem legt Moon auch großen Wert auf Style, weshalb wir ihn auch in ein paar sehr surrealistischen und experimentellen
Szenen zu sehen bekommen, in denen er z.B. mit eine Kanone rumspielt.
Faszinierend ist auch, dass selbst die Geschichte um eine "unheilbare Krankheit" sich in Fruits Werk keinesfalls
wirklich klischeehaft anfühlt. Das liegt eindeutig daran, dass wir die Geschehnisse aus der sehr subjektiven Sicht
Moons zu sehen bekommen. Auf diese Weise bekommen auch Moons Mutter und seine Freunde eine Tiefe, die ihnen ansonsten
vielleicht verloren gegangen wäre. Allerdings muss man den Darstellern jedoch allen ein großes Lob aussprechen, denn
dass es sich bei ihnen größtenteils um Amateure handelt, sieht man ihnen nicht an.
Über einen langen Zeitraum hinweg spüren wir in "Made in Hong Kong" die selbe Desorientierung, die auch den
Hauptcharakter beschäftigt. Wir wissen nicht genau, ob die Geschichte eigentlich irgendwo hin will und einige Teile
der Story, wie z.B. der um Susans Selbstmord, wollen irgendwie nicht in das Gesamtbild passen. Stellenweise ist
Chans Werk leider auch etwas ermüdend und tempoarm. Das mag während des Films tatsächlich etwas störend sein und die
Art des Films verlangt vom Zuschauer außerdem, dass er sich auf die Charaktere einlässt um etwas aus dem Film für sich
mitzunehmen, letzteres erweist sich aber als erstaunlich einfach. Wer das gemächliche Tempo ertragen kann, der wird
dann nämlich mit einem sehr gelungenen Ende belohnt. Erst an diesem Punkt fügen sich alle Motive des Films zusammen und
wir erkennen wie sehr uns die Ereignisse im Film tatsächlich mitnehmen. Es gibt typische Dramamotive, Triadengeschichten
usw., allerdings kommt es immer dann zu tiefgreifenden Ereignissen, wenn wir am wenigsten mit ihnen rechnen.
Schlussendlich führt alles zu einem Ende, das ungemein mitnehmend ist und den Zuschauer wahrlich für einige etwas
langatmigere Szenen entlohnt. Die Worte von Mao Zedong gegen Ende, die besagen, dass die Jugend die Zukunft des
Landes darstellt, bekommen im Rahmen des Films einen sehr bitterbösen ironischen Touch, der uns sogar noch mehr mit dem
Schicksal der Charaktere leiden lässt. "Made in Hong Kong" ist ein empfehlenswerter Film, der zu Recht etliche
Auszeichnungen gewonnen hat.