Story: Tae-in (Ha Jung-woo) ist 1969 bei der Luftwaffe und wird bei einem Trainingsflug zu einem Notfall gerufen. Ein Passagierflugzeug wurde von einem Geiselnehmer übernommen und steuert auf Nordkorea zu. Tae-ins Vorgesetzter gibt den Befehl, auf eines der Triebwerke zu schießen, sodass die Maschine zur Notlandung gezwungen ist. Allerdings verweigert Tae-in den Befehl, da er die Passagiere nicht in Gefahr bringen will. Die Maschine fliegt über die Grenze und nach langen Verhandlungen werden einige der Passagiere in einem Austausch nach Südkorea zurückgebracht. Doch elf von ihnen verbleiben nach wie vor im Norden. Jeden Tag fragt sich Tae-in, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Für seine Befehlsverweigerung wird er zudem vorerst vom Dienst suspendiert.
Ein paar Jahre später, im Jahr 1971, ist Tae-in Co-Pilot für Passagierflüge. Immer noch machen Gerüchte über seine frühere Entscheidung die Runde und so hat man ihm bisher nie seine erste eigenständige Landung erlaubt. Der Pilot (Sung Dong-il) scheint jedoch gewillt, ihn endlich landen zu lassen. Unglücklicherweise wird das Flugzeug von einem Geiselnehmer übernommen. Yong-dae (Yeo Jin-goo) bringt die Maschine mit einem Messer und selbstgebastelten Bomben in seine Gewalt. Und er will nach Nordkorea ...
Review: Der Titel deutet bereits an, dass dieser spannungsgeladene Thriller auf wahren Begebenheiten beruht. Zu Beginn werden wir auch ein wenig über den politischen Wind aufgeklärt, der zu der Zeit im Land weht, für den Fall, dass man nicht bereits im Bilde ist, wie verhärtet die Fronten zwischen Nord- und Südkorea sind. Das ist auch deswegen nötig, damit wir das Motiv des Flugzeugentführers verstehen. Denn "Hijack 1971" gibt sich Mühe, den Charakteren Farbe zu verleihen. Die erste halbe Stunde des Films mag daher auch etwas schleppend sein, doch das Tempo zieht immer weiter an, bis am Ende der Spannungsgehalt so hoch getrieben wird, dass es eigentlich schon zu deutlich wird, welche Anstrengungen der Regisseur unternommen hat, um dieses Ziel zu erreichen. Häufige Schnitte, eine oft verwackelte Kamera, um die Panik und Angst besser einzufangen, und eine passende Soundkulisse sind zwar sehr effektiv, aber manchmal wird man sich dadurch auch allzu klar, dass wir gerade einen Film sehen - wodurch man sich dann eben wiederum nicht mehr mitten im Geschehen fühlt. Trotz allem bleibt der Film aber spannend.
Besonderes Lob gilt dem Set. Da wir uns die meiste Zeit im Flugzeug befinden, ist es unabdingbar, auch in diesem kleinen Raum deutlich zu machen, dass wir uns in den 70er befinden. Das gelingt sehr gut, manchmal auch einfach nur in kleinen Szenen, in denen beispielsweise jemandem der Aschenbecher gezeigt wird, als er sich eine Zigarette anzündet. Daneben machen aber auch Kleidung und Frisuren deutlich, in welcher Zeit wir uns befinden. Unglücklicherweise nicht immer gelungen sind die Spezialeffekte. Während die Jets und das Flugzeug von außen oft überzeugend aussehen, gibt es ein paar Szenen, in denen das Flugzeug, speziell beim Ein- und Aussteigen, irgendwie fake aussieht. Weiterhin wirkt der Bösewicht rein visuell etwas zu klischeehaft umgesetzt. Man sieht ihm bereits seit der ersten Minute an, dass er der Entführer sein wird, und warum man daher auf ihn nicht ein genaueres Auge hat, scheint etwas eigenartig. Es ist auch schade, dass er irgendwie schlicht wie das Abziehbild eines "Nordkoreaners" aussieht, weil seine Hintergrundgeschichte um einiges plastischer geraten ist, als das in einem solchen Film normalerweise der Fall wäre.
Yeo Jin-goo ("Hwayi: A Monster Boy") bekommt mehr zu tun, als nur den Antagonisten zu spielen. Wir erfahren auch etwas über seine Vergangenheit und wie sehr ganze Familien stigmatisiert werden und keine Chance auf ein normales Leben bekommen, wenn ein Familienmitglied sich als Kommunist erwiesen hat. Der Flugzeugentführer ist mehr oder weniger in die Ecke getrieben und hofft auf ein besseres Leben im Norden, wobei sich bei ihm ganz klar auch ein gewisses Wunschdenken über die Realität gelegt hat. Alles in allem macht das seinen Charakter aber glaubwürdiger. Bei den Rückblenden ist man jedoch etwas willkürlich vorgegangen. Im Falle des Bösewichts wäre es nicht schlecht gewesen, wenn wir die eine oder andere Rückblende mehr bekommen hätten. Tae-in bekommt dagegen ein paar, die unnötig erscheinen und speziell gegen Ende nur das Drama verschärfen sollen. Das wirkt zu manipulativ. Allerdings kann Ha Jung-woo ("The Closet") den Helden der Geschichte mit der nötigen Leinwandpräsenz porträtieren.
Der Co-Pilot hat mit seinen eigenen Gewissensbissen zu kämpfen, wodurch auch er ein paar mehr Facetten bekommt. Die restlichen Charaktere bleiben jedoch auf das Nötigste beschränkt. Ein wenig schade ist es, dass wir über die Passagiere zu wenig Informationen bekommen. Nur bei ein paar wenigen von ihnen kann man eine ungefähre Vorstellung bekommen, um was für Menschen es sich handelt. Bei den gerade mal 100 Minuten Laufzeit wäre da genug Zeit für mehr gewesen. Auf der anderen Seite vermeidet Regisseur Kim Sung-han in seinem Debüt somit aber auch Füllmaterial. Stattdessen gibt es eben Spannung und Action, bei der allzu offensichtlich ist, dass man sich einige Freiheiten genommen hat und von den tatsächlichen Ereignissen abgewichen ist. So steuert Tae-in das Passagierflugzeug in einer Szene beispielsweise so, als wäre er noch beim Militär und würde in einem Jet sitzen. Leider gibt es auch ein paar Momente, in denen nicht klar ist, warum der junge Mann nicht mit Leichtigkeit überwältigt wird. Einmal mehr sieht man hier, dass die Geschichte nach den etwas klischeehaften Regeln eines Thrillers funktioniert.
Nach einem eher langsamen Einstieg entwickelt sich "Hijack 1971" zu einer spannenden Achterbahnfahrt, die in cineastische Hinsicht so gut wie alles richtig macht. Manchmal leidet die Glaubwürdigkeit unter dem Ziel, den Zuschauer bis wenige Zentimeter vor den Bildschirm zu locken, aber gerade beim Ende erkennt man, dass man emotional doch involvierter war, als man gedacht hätte. Das Ende ist gelungen und die im Kern recht simple Story wirkt nicht unnötig in die Länge gezogen oder zu platt. Darstellerisch wird auch auf hohem Niveau gearbeitet und das Setting in den 70ern gibt derm Geschichte auch einen frischen Anstrich. Wenn man sich für spannende Thriller erwärmen kann, wird man mit "Hijack 1971" genau das richtige Genre-Futter bekommen. Aber auch jene, die einfach mal einen unterhaltsamen und fesselnden Film sehen wollen, werden hier nichts falsch machen können.