Story: Min-seong (Park Seo-joon) ist Beamter und hat mit seiner Frau Myeong-hwa (Park Bo-young) den Traum von einem Apartment realisieren können. Eines Tages kommt es jedoch zu einem massiven Erdbeben, das weit und breit alles verwüstet. Nur das Apartmenthaus, in dem das Ehepaar wohnt, blieb verschont. Da es keine Informationen von außen gibt und nicht einmal ein Helikopter am Himmel kreist, scheint es eine gute Weile zu dauern, bis sie damit rechnen können, gerettet zu werden. Bald kommen aber Überlebende der umliegenden Apartmenthäuser und suchen in dem Hochhaus Schutz vor der Kälte. Die Bewohner des Apartmenthauses haben nur begrenzte Rationen und wollen darüber diskutieren, wie sie mit den "Außenseitern" verfahren sollen. Man beschließt, in einer anonymen Entscheidung darüber abzustimmen, ob die Außenseiter bleiben dürfen. Um zukünftige Entscheidungen schneller zu ermöglichen, entschließt man sich zudem, einen Delegierten zu bestimmen. Die Wahl fällt auf Kim Yeong-tak (Lee Byung-hun), weil dieser bei einem Wohnungsbrand kurz zuvor Initiative und Aufopferungsbereitschaft gezeigt hat. Yeong-tak wächst langsam in seine Rolle und so obliegt es ihm, das Apartmentgelände vor Räubern zu schützen und auf Erkundungen neue Lebensmittel zu beschaffen. Min-seong kommt dabei die Rolle des Sicherheitsbeauftragten zu. Schon bald gibt es aber nicht nur Probleme mit den Außenseitern, sondern auch Yeong-tak scheint etwas zu verbergen, das zu einem Problem führen könnte.
Kritik: Wann hat Korea das letzte Mal einen mutigen, unterhaltsamen Feldzug durch verschiedene Genres unternommen, ohne dass dabei das Gesamtwerk wie ein willkürlicher Mix verschiedener Ideen gewirkt hätte? Beispielsweise ein Film wie "Save the Green Planet", in dem ein Verschwörungstheoretiker eindeutig nicht mehr bei gesundem Menschenverstand ist, aber sich seine "Theorie" nichtsdestotrotz als Realität herausstellen könnte? Aus irgendeinem Grund hat mich "Concrete Utopia" an diesen Film erinnert, denn auch hier wird an einem bekannten Genre (diesmal das Katastrophen-Genre) gedreht und alles ist letztlich doch etwas anders, als erwartet. Das fängt schon damit an, dass man gar nicht weiß, ob man die Prämisse überhaupt ernstnehmen kann: Ein einziges Apartmenthaus ist verschont geblieben... Daraufhin wird das Genre des Katastrophenfilms aber durch ein sozialkritisches Objektiv betrachtet. Als würde man ein Sozialexperiment durchführen und fragen, wie sich eine Gruppe nach dem Kollaps des bisherigen Gesellschaftssystems neu formieren würde. Die Antworten sind spannend, wenn auch zum Teil naheliegend.
Wahrscheinlich fragt man sich bald, wann endlich Rettungskräfte eintreffen oder was im Rest des Landes vorgeht. Sicherlich kann nicht die ganze Welt von dem Erdbeben betroffen sein, wo bleiben also die Hubschrauber am Himmel? All das interessiert in dieser Geschichte nicht. Es ist beinahe so, als wäre das Apartmenthaus in eine andere Dimension befördert worden und dort würde alles nur aus Schutt, Geröll und Staub bestehen. Einzige ein Hochhaus dient als Symbol der Hoffnung. Wie würden sich aber die Menschen verhalten, die noch ein Zuhause haben? Würden sie teilen und damit etwas schlechter dastehen, oder ist sich jeder selbst der nächste? Die Antwort dürfte nicht wirklich überraschen und die Außenseiter, die vertrieben werden, sowie die Grenzen, die hochgezogen werden, können im Kontext der heutigen politischen Probleme auch als Aufgreifen der Migrationskrise verstanden werden. "Concrete Utopia" ist aber nicht moralisierend, etwas, was heute fast eine Seltenheit geworden ist. Man muss sich selbst Gedanken machen, wie man zu den Entscheidungen der Charaktere steht.
Dennoch gibt es ein paar typische Bösewichte und für deutsche Zuschauer mögen die Szenen, in denen in Wohnungen versteckte Außenseiter (oder auch "Kakerlaken" genannt!) von der selbsternannten "Polizei" aufgespürt und aus dem Haus gezerrt werden, zu offensichtliche Parallelen zur Gestapo aufzeigen. Man fragt sich nur, wann es zur ersten Hinrichtung kommt, aber genaugenommen ist es schon so gut wie ein Todesurteil, wenn man ausgestoßen draußen in der Kälte zurechtkommen muss. Als sich die neue Gesellschaft langsam organisiert und herausbildet, werden sogar lächerliche Slogans und Videos produziert, die an ein faschistisches oder eben kommunistisches Regime erinnern. Wie sollte sich in einer Extremsituation eine Gesellschaft auch neu ausbilden, wenn nicht auf extreme Weise? Anders als beim Kommunismus wird das Essen aber nach dem eigenen Beitrag zur Gemeinde verteilt. So sind die Bewohner des Wohnhauses eben doch nicht alle gleich, falls man zuvor gedacht haben sollte, dass es sich bei dem Apartmenthaus um ein Sinnbild für die Elite handeln könnte, während die draußen Lebenden das gemeine Volk darstellen, um das sich niemand schert.
Die Grenzen zwichen gut und böse sind nicht sehr scharf gezeichnet und speziell die Wandlung der Individuen macht einen Großteil der Faszination an der Geschichte aus. Lee Byung-hun ("Emergency Declaration") wird mehr oder weniger zufällig zum Oberhaupt gewählt und durch den Druck immer mehr in seine Rolle gedrängt. Macht und Verantwortung lassen ihn immer extremer werden, aber auch er hat noch eine tragische Vergangenheit und ein Geheimnis, das darauf wartet, gelüftet zu werden. Bei einer der Erkundungen der Außenbezirke zur Essensbeschaffung wird auch klar, dass die Bewohner des Hochhauskomplexes für die restlichen Überlebenden die Bösewichte verkörpern. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht und mit Myeong-hwa, gespielt von Park Bo-young ("The Silenced"), gibt es noch jemandem, mit dem wir sympathisieren können, auch wenn die Frauen bis zur zweiten Hälfte erstaunlich inaktiv bleiben und anscheinend nur froh sind, dass die Männer die gefährlichen Aufgaben übernehmen.
Park Seo-joon ("Dream") ist die Person, die im Reibungsfeld zwischen seiner Frau, die das Herz darstellt, und Yeong-tak steht, welcher wiederum alles macht, was zum Überleben nötig ist.
Während die graue Farbgebung, ein paar eher düstere Szenen und das frei gewählte Eingesperrtsein im Apartmenthaus manchmal ein klein wenig an "Sweet Home" erinnern, punktet der Film vor allem zu Anfang mit angenehmem Humor. So fragt einer der Bewohner, gerade nachdem er anhand von zwei farblich unterschiedlichen Go-Steinen gewählt hat, bei der Auszählung, welche Farbe nochmal was bedeutet. Da fragt man sich, warum manche Menschen überhaupt wählen dürfen. Es wird aber an anderer Stelle auch ernst, da sich fast alle Bewohner sofort von der Machtdynamik mitreißen lassen und jene, die die Gefahr erkennen, werden entweder nicht ernstgenommen bzw. sogar tyrannisiert oder es kümmert sie zunächst einfach nicht. Als der Geschichte, die auf dem Webtoon "Cheerful Outcast" basiert, langsam die Luft ausgeht, kommt mit dem Auftreten eines neuen Charakters wieder frischer Wind hinein und der Film entwickelt sich mehr in Richtung Thriller. Regisseur Eom Tae-hwa hatte bereits mit "Vanishing Time" ein fantasiegeladenes Drama erschaffen können. "Concrete Utopia" ist dagegen um einiges trostloser und man fragt sich irgendwann, ob ein Happy End überhaupt möglich ist. Auf jeden Fall ist das Ende aber kraftvoll in der Präsentation seiner Aussage, womit einmal mehr Unterhaltung und Sozialkritik wunderbar verbunden werden. Zwar mögen manche Charaktere etwas unausgegoren und einige Aspekte fast schon überzeichnet wirken, aber als Koreas Wahl für den besten internationalen Film bei den Oscars 2023 hat man hier eindeutig eine gute Wahl getroffen.