Story: Seung-hoon (Cho Jin-woong) ist ein Arzt, dessen Arztpraxis im Nobelviertel Gangnam pleite gegangen ist und der nun in einer Klinik für
Darmspiegelung arbeitet. Er lebt von seiner Frau getrennt, sieht seinen Sohn nur ab und zu und flüchtet sich in die Welt von Mystery-Romanen. Währenddessen
taucht in der Nähe eine Leiche im Fluss auf und die Polizei geht von einem Serienmörder aus. Als Seung-hoon eines Tages den alten Mann (Shin Goo) aus dem
Schlachterbetrieb in seinem Apartmenthaus in seinem Untersuchungszimmer hat, erzählt dieser während der Narkose von einem Mord. Seung-hoon hat zwar mit seinen
privaten Problemen zu kämpfen, aber er spioniert nun dem alten Mann und dessen Sohn Seong-geun (Kim Dae-myeong) hinterher, der gleichzeitig sein Vermieter ist.
Als er dann glaubt den Kopf zu sehen, welcher der gefundenen Leiche fehlt, ist er sich fast sicher, dass er den Mörder gefunden hat. Er braucht jedoch noch
stichfeste Beweise. Seong-geun scheint dagegen zu ahnen, dass der Arzt ihm auf den Fersen ist und taucht deshalb immer wieder in dessen Nähe auf. Als der Arzt
dann eines Tages eine Tüte, in der ein Kopf zu sein scheint, in seinem Kühlschrank findet, droht er den Verstand zu verlieren.
Kritik: Mystery-Thriller haben stets das Ziel, den Zuschauer an der Nase herumzuführen, kämpfen aber genau deshalb mit einer gewissen
Vorhersehbarkeit. Denn irgendwann ist auch das Unvorhersehbare nicht mehr unvertraut. Daher ist es eine gute Wahl gewesen, "Bluebeard" ebenso als
Charakterdrama aufzubauen. Denn die Frage, die hier von Anfang an im Raum steht, ist tatsächlich, ob der Protagonist nur den Umständen entsprechend
droht verrückt zu werden oder nicht viel eher schon verrückt ist. Es ist gar nicht so leicht dahinterzukommen, da Regisseurin Lee Soo-yeo mit den Erwartungen
des Zuschauers und dem Muster eines Mystery-Thrillers spielt. Nehmen die einzelnen Puzzleteile letztendlich alle ihren Platz im großen Ganzen ein, bleiben
immer noch genügend Fragen, die eigentlich ein zweites Ansehen unumgänglich machen.
Welche Hinweise waren bereits über den Film verstreut und wurden von uns falsch interpretiert? Welche der vielen vermuteten Logikfehler lassen sich im
Endeffekt doch erklären? "Bluebeard" bietet durchaus Material, an dem man sich abarbeiten kann. Den Anfang macht aber eine gemächliche Einleitung, die uns
den Alltag des Doktors vorstellt und seine schwierige Familiensituation. Wir bekommen auch Teile der Gründe geliefert, warum seine Familie auseinandergefallen
ist. Auch wenn wir an dem Punkt noch nicht wissen, dass es da noch einige Hintergründe gibt, die wir erst später zu sehen bekommen. Da wir aber direkt zu
Anfang erfahren, dass ein Serienmörder sein Unwesen treibt und der Schlachter aus dem Laden sich extrem merkwürdig verhält, wird durchgehend eine brodelnde
Spannung aufrecht erhalten.
Allerdings muss man auch anmerken, dass man die ganze Zeit hofft, die angedeutete Geschichte um den Mörder würde sich als falsch erweisen. Denn sonst wären
hier kaum Überraschungen zu finden. Vielmehr glaubt man, einen der typischen Mystery-Romane erzählt zu bekommen, die der Doktor so zahlreich liest.
Selbstverständlich erwarten wir eine überraschende Wendung. Aber in welche Richtung diese gehen könnte, ist auch ziemlich bald offensichtlich. Glücklicherweise
vermag es der Streifen, einen am Ende doch noch zu überraschen. Als wirklich sauber erweist sich das Drehbuch im Nachhinein betrachtet aber nicht, auch wenn
eindeutig einiges an Überlegung hineingeflossen ist. Es gibt aber wie gesagt den Anreiz, die Geschehnisse am Ende nochmal Revue passieren zu lassen, um auch
sicher zu gehen, dass man alles richtig verstanden hat. Das schaffen nicht viele Thriller.
Es schadet dem Film sicherlich nicht, dass Cho Jin-woong ("A Hard Day") die Hauptrolle übernimmt. Er vermittelt die abnehmende
Stabilität der mentalen Gesundheit des Helden mit Bravour und so steigt die Spannung mit jeder Minute, die das Leben des Doktors aus den Fugen gerät. Kim
Dae-myeong ("Pandora") verkörpert dagegen das Undurchschaubare und irgendwie Bedrohliche, da er stets direkt hinter dem Doktor
zu stehen scheint. Er weiß, dass ihm Seung-hoon auf die Schliche gekommen sein mag und auch wenn diese Art der Spanungserzeugung genre-typisch ist, funktioniert
sie. Es gibt demnach einen eindeutig psychologischen Horror, der einen hier an den Sitz fesseln soll. Wer jedoch glaubt, dass es das war, der irrt. Denn
gut die letzte halbe Stunde des Films wird in Rückblenden erzählt. Neue Informationen verschieben die Puzzlestücke völlig neu.
Es kann aber etwas ermüdend sein, die Geschenisse noch einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen zu bekommen, aber es ist doch genau das, was das Ende so besonders macht. Unglücklicherweise verliert der Film hier sehr stark an dem Tempo, das bis dahin stetig die Spannung hat steigen lassen. Die letzte Szene scheint außerdem unnötig und nimmt "Bluebeard" etwas von seiner Kraft, aber die düsteren Bilder, die selten, aber doch eben manchmal, erstaunlich blutig sind, können punkten und das Rätselraten um den Geisteszustand des Protagonisten und die Gefahr, die vom vermeintlichen Serienmörder ausgeht, machen "Bluebeard" zu einem guten Genre-Eintrag, der mit seinem am psychologischen Horror orientierten Stil durchaus etwas vorzuweisen hat, was ihn von den vielen anderen Thrillern aus Korea unterscheidet. Ich kann nicht umhin, mich ein wenig darüber zu ärgern, wie offensichtlich man zuweilen an der Nase herumgeführt wird - es gibt Blackouts, Kameraperspektiven, die uns raten lassen, was wir sehen - nur um später eine gute Auflösung präsentieren zu können. Das führt dazu, dass sich der Film narrativ etwas zerstückelt anfühlt. Und die Auflösung fühlt sich auch etwas over-the-top an. Doch als Thriller ist "Bluebeard" durchaus empfehlenswert.