Story: Liu Jinxi (Donnie Yen) lebt in einem Dorf, das von einer Papierfabrik lebt. Er hat eine Frau, Ayu (Tang Wei), und zwei Kinder, von
denen eines aus Ayus erster Ehe stammt. Eines Tages kommen zwei Schwerverbrecher in das Dorf und wollen einen Laden ausrauben, allerdings stellt
sich Liu gegen sie. Augenscheinlich mit purem Glück gelingt es ihm, die Verbrecher auszuschalten und wird nun von den Dorfbewohnern als Held
gefeiert. Kurz darauf kommt der Kriminalbeamte Xu Bai-jiu (Takeshi Kaneshiro) in das Dorf und versucht die genaueren Umstände des Falls zu klären.
Für seine Kollegen ist der Fall klar und soll so schnell wie möglich geschlossen werden, Xu glaubt aber, dass Liu alles andere als ein normaler
Dorfbewohner mit unwahrscheinlich viel Glück ist. Er hält ihn für einen außergewöhnlichen Kampfkünstler, der überdies als Schwerverbrecher gesucht
wird und vor zehn Jahren in dem Dorf ein neues Leben begonnen hat. Mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden, die Xu im Jahr 1917 zur Verfügung
stehen, versucht er die genauen Hintergründe aufzuklären und die wahre Identität des undurschaubaren Liu aufzudecken.
Kritik: Peter Chans Kampfkunst-Thriller verleiht dem angestaubten Genre neue Energie und Ideen, während die Geschichte selbst eine Hommage
an klassische Wuxia-Geschichten ist, jene Geschichten, in denen es um Schwertkämpfer, Ritterlichkeit sowie Gut und Böse geht. Dem Zuschauer wird
nicht entgehen, dass sich Chan hier speziell an "The One-Armed Swordsman" orientiert, das
westliche Publikum wird sich aber auch sehr stark an Cronenbergs "A History of Violence" erinnert fühlen, das bei genauerer Betrachtung aber eben
selbst klassische Elemente von Wuxia-Geschichten beinhaltet. Wer von wem abgekupfert hat, ist aber gar nicht wichtig, denn nicht die Geschichte ist
das Besondere an "Wu Xia", sondern die außergewöhnlich und einfallsreiche Art, wie diese erzählt wird. Der Film stellt einen Thriller dar, der stark
von seinen Charakteren getragen wird, viel Drama bietet und nur an den Stellen Kampfkunsteinlagen bietet, an denen die Story auch welche benötigt.
Das macht "Wu Xia" zu einem in sich schlüssigen, unterhaltsamen und vor allem bedeutsamen Eintrag in das Wuxia-Genre. Wirklich gut gelungene
Neubearbeitungen eines bekannten Stoffs bekommt man schließlich nur selten zu sehen, doch Peter Chan gelingt es, genau das abzuliefern!
Regisseur Peter Chan macht seit sechs Jahren Filme für das Festland-China, vorher war er den Hong Kong Kinofans wohl haupsächlich für sein "Going Home"
(aka "Dumplings") in der Horrorkurzfilm-Zusammenstellung "Three Extremes" bekannt. Bisher konnte er in China vor allem mit "Perhaps Love", einem
musicalähnlichen Drama, gelungene
Arbeit abgeben. Auch sein "The Warlords" kam beim Publikum größtenteils gut an. Es handelte sich bei beiden Filmen um ambitionierte Werke, die fast
schon vor Epik strotzten. "Wu Xia" ist da anders. Die Geschichte ist ruhiger, subtiler und bekommt gerade dadurch eine besondere
Kraft, die den Film am Ende zu Chans bisher bestem Werk macht. Das liegt vor allem an Chans sehr speziellem Stil, der niemals übersehen lässt,
dass der Regisseur ein Künstler ist, und an Chans Stärke, aus seinen Schauspielern das Beste herauszuholen. Die Charaktere in "Wu Xia" sind komplex
und, obwohl auch undurchschaubar, können dem Zuschauer zu jeder Zeit als Sympathieträger dienen.
Donnie Yen ist mittlerweile bereits 48 und hat erst jetzt den Erfolg, den er bereits vor Jahren verdient hätte. Diesen kostet er allerdings aus und
spielt in so ziemlich jedem zweiten Film die Hauptrolle, der aus Hong Kong/China kommt. Dabei ist er nun langsam auch nicht mehr der Jüngste und man
sieht gerade in "Wu Xia", das einige der Kämpfe etwas schneller abgespielt wurden, als sie tatächlich gedreht worden sind. Da Yen aber selbst wieder
für die Actionchoreographie verantwortlich ist, bleiben die Kämpfe in dem Film jedoch über jeden Zweifel erhaben. Tatsächlich gibt es nur drei Kämpfe
in dem Film und der erste richtige Kampf ist erst nach gut 70 Minuten zu sehen! Genau das und die Spannung, die der Film bis zu diesem Zeitpunkt
kreiert, machen jene Auseinandersetzung aber umso befriedigender. Für uns stellt sich natürlich nicht die Frage, ob Liu Jinxi in Wirklichkeit ein
außergewöhnlicher Kampfkünstler ist, denn wenn er es nicht wäre, warum sollte dann Donnie Yen seine Rolle übernehmen?
Yen hat sein enormes Ego bereits für "Ip Man" zurückgenommen und damit seinen bis zu jenem Zeitpunkt besten Film geschaffen, hier geht er aber auch
noch einen Schritt weiter und zeigt wirklich erstaunliches schauspielerisches Talent. Als Mann, der in einem friedlichen Dorf lebt und plötzlich von
seiner Vergangenheit eingeholt wird, eine Vergangenheit, die in ihm wieder all das Grauen, das er angerichtet hat, aufblitzen lässt, muss er die
verschiedensten Emotionen zeigen und Donnie Yen kann (selbst zu meiner Überraschung!) auf voller Linie überzeugen! In seinen Szenen mit Tang Wei ("Lust,
Caution") zeigt er seine Sehnsucht nach einem einfachen und ruhigen Leben mit einer liebenswerten Frau und wenn er Takeshi Kaneshiro ("House of Flying
Daggers", "Sweet Rain") gegenübersteht, sehen wir, wie er versucht eine Maske aufrecht zu erhalten, während alles, was ihm etwas lieb ist, durch den
Ermittler bedroht wird. Kaneshiro stellt ebenfalls einen überaus interessanten Charakter dar, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat, was dafür
sorgt, dass seine Rolle nicht einfach auf dem Abstellgleis landet.
Neben Kara Hui ("My Young Auntie") hat Peter Chan sogar Wang Yu ("The One-Armed Swordsman") selbst engagieren können, was den Boden für einen
gelungenen Vater-Sohn-Konflikt liefert. Doch neben den tollen schauspielerischen Leistungen, ist es vor allem Chans Herangehensweise an die Geschichte,
die so beeindruckt. Xu analyisiert mit scharfem Verstand und forensischen Mitteln den Tatort, die Spannung steigt in dem Film von Minute zu Minute
wie in einem guten Thriller und zum krönenenden Abschluss gibt es neben dem Drama auch noch ein paar gelungene Kämpfe, die sich nahtlos in den Rest
des Films fügen. Neben der großartigen Kinematographie, die dem Dorf gerade am Anfang etwas verträumt Idyllisches mit einer darunter liegenden Bedrohnung
durch außen verleiht, weiß vor allem der Soundtrack von Kwong Wing Chan und Peter Kam zu überzeugen, der stellenweise genauso ungewöhnlich und doch
vertraut wirkt, wie es mit "Wu Xia" im Gesamten der Fall ist. Peter Chan ist es gelungen, einem großartigen Genre durch eine sehr interessante
Erzählweise neue Facetten zu verleihen, die alten Stärken zu betonen und Schwächen durch seine eigenen Stärken zu ersetzen. Gerade wegen seiner schönen
Eigenheiten zweifellos der beste Wuxia-Film seit Jahren!