Story: Der Regisseur Kim Jung-rae (Kim Seung-woo) überredet seinen Freund Chang-wook (Kim Tae-woo), mit ihm in einen kleinen Ort am Strand
zu fahren, damit er dort Energie und Inspiration für sein neues Drehbuch finden kann. Chang-wook besteht aber darauf, seine Freundin Mun-suk
(Ko Hyun-jung) mitzunehmen. Zu dritt verbringen die drei einen interessanten Tag am Strand und es stellt sich heraus, dass Mun-suk sich nicht
wirklich als Freundin von Chang-wook sieht. Das freut Jung-rae, da er schnell Interesse an der Frau findet. Die beiden verbringen schließlich die
Nacht miteinander, können dies aber vor Chang-wook geheim halten, der immer noch glaubt, dass er mit Mun-suk zusammen ist. Als Jung-rae am nächsten
Tag etwas reservierter ist und der Frau mitteilt, dass er erst über seine Gefühle nachdenken muss, geht sie zusammen mit Chang-wook zurück nach Seoul.
Jung-rae erkennt aber bald, dass er tatsächlich Gefühle für die Frau hat und ruft sie an, kann sie allerdings nicht erreichen. Schließlich trifft
er in dem kleinen Küstenort die Frau Sun-hee (Song Seon-mi), die Mun-suk ähnlich sieht, und will mit ihr die Nacht verbringen. Am nächsten Tag kommt
allerdings Mun-suk zurück und ein Chaos an Gefühlen muss zuerst einmal geordnet werden, wenn eine Beziehung zwischen den beiden überhaupt eine Chance
haben soll...
Kritik: Ich muss zugeben, dass ich, will man den Kritikern glauben, einen der wichtigsten Regisseure Koreas bisher sträflichst vernachlässigt
habe: Hong Sang-soo. Bisher habe ich lediglich "Tale of Cinema" von ihm gesehen, der mich nicht vollkommen begeistern konnte, aber das ist Jahre her
und wahrscheinlich bin ich seitdem auch als Zuschauer gereift sowie zugänglicher für anstrengende Analysearbeiten geworden, die seine Charaktere und
Geschichten erfordern. Denn "Woman on the Beach" ist in der Tat ein interessanter Art-House-Film, der nicht nur eine komplizierte Beziehung im Fokus hat,
sondern die Schwächen des Menschen gnadenlos in den Vordergrund stellt und die Ehrlichkeit der Worte, die den Protagonisten über die Lippen gehen
schließlich zu jeder Zeit hinterfragt. Denn die Charaktere mögen zwar selbst glauben, dass sie ehrlich sind, letzten Endes werden ihre
rationalisierten Selbstreflexionsversuche aber von ihren Gefühlen Lügen geschimpft. Regisseur Hong Sang-soo wurde dagegen häufig beschimpft, dass seine
Filme frauenfeindlich seien. Das liegt wohl an dem Bild der demütigen und keuschen Frauen, das er häufig in seinen Filmen gezeichnet hat, aber
seine Frauenfiguren sind auf jeden Fall stärker geworden. Oder zumindest ebenso schwach wie die Männer.
Im Zentrum des Films steht ein Liebesdreieck. Zuerst zwischen Jung-rae, Mun-suk und Chang-wook, später wird letzterer dann durch Sun-hee ersetzt.
Es ist interessant zu sehen, wie die Männer bei ihrem Liebesinteresse vorgehen. Natürlich sind sie der aktive Part und Mun-suk verhält sich eher
passiv, Feministinnen werden auch hier wieder Angriffspunkte finden, da Mun-suk schließlich sagt: "Ich hab nichts dagegen, du kannst mich haben."
Doch das Bild wandelt sich mit der Zeit. Als das Liebesdreieck Sun-hee mit einschließt, sind die Frauen in der Überzahl und tatsächlich auch aktiver.
Sun-hee sagt zwar, dass sie mit Jung-rae keineswegs die Nacht verbringen wird, um ihm gleich falsche Hoffnungen zu nehmen, davon abgesehen ist es
aber sie, die dann den Ton angibt und sogar einen Rabauken, der eigentlich nur den Regisseur ärgern will, weil er von diesem schlecht behandelt wurde,
in die Flucht schlägt. Mun-suk und Sun-hee suchen schließlich sogar das Gespräch, etwas das Jung-rae und Chang-wook zu keinem Zeitpunkt getan
haben, um Klarheit bezüglich ihres Interesses an Mun-suk zu bekommen.
Am Ende bekommt man sogar das Gefühl, dass die Frauen die Stärkeren in diesem Film sind. Mun-suk kann sich aus eigener Kraft aus dem Kreislauf der
Begierde, Sehnsucht, Einsamkeit und Abhängigkeit befreien, da sie sich sehr wohl ihrer Schwächen bewusst ist. Es scheint fast so, als wenn sie eines
Morgens plötzlich erleuchtet aufwachen würde. Jung-rae dagegen kann zwar Mun-suk sogar seine Schwächen gestehen, aber ändern kann er nichts an ihnen.
Er hofft auf das Verständnis seiner Freundin und versucht beinahe kindische Wege einzuschlagen, um seine Schwächen nicht zu zeigen, so verlangt er
eben auch Verständnis und Nachsicht von Mun-suk, nachdem er ihr von seinen Gedanken erzählt hat. Aber handelt es sich dabei wirklich um
intime Geständnisse? Regisseur Hong Sang-soo lässt uns häufig daran zweifeln. Zu viele Widersprüche gibt es zwischen dem Gesagten und Handeln der
Charaktere. Als Zuschauer muss man deshalb zu jedem Zeitpunkt genauestens aufpassen, um nicht wichtige Informationen zu verpassen.
Regisseur Hong Sang-soo kritisiert auch die koreanische Gesellschaft und die Falschheit der Männer. Wobei angemerkt sein muss, dass er indirekt eben
auch zeigt, dass die Frauen genauso falsch sind. Mun-suk hat einige Zeit in Deutschland (!) verbracht und erzählt, dass die Menschen dort langweilig,
aber ehrlich und entspannter sind. Mun-suk vermisst die Ehrlichkeit bei den koreanischen Männern. Welche Ehrlichkeit kann sie aber von Jung-rae
erwarten? Er ist in den Küstenort gegangen mit dem Ziel, ein Drehbuch zu schreiben und dafür Inspiration, auch in Form eines Abenteuers, zu finden.
Kann sich Mun-suk das nicht denken? Warum hört sie nicht auf ihre eigenen Worte? Anscheinend ist sie selbst auch nicht ehrlich. Zumindest nicht sich
selbst gegenüber. Die Gefühle, die in "Woman on the Beach" gezeichnet werden, sind komplex, vielschichtig und in ihrer Unehrlichkeit eben absolut
ehrlich und authentisch. Das macht den Film auch so mitnehmend. Darüberhinaus können einige vom Regisseur ungewohnt lustige Szenen, den Film um
einiges aufheitern.
Hong Sang-soo verwendet lange Aufnahmen, in denen er seine Schauspieler augenscheinlich fast schon improvisieren lässt, sodass sich alles sehr
natürlich anfühlt. Allerdings komme ich immer noch nicht damit zurecht, dass er mitten in den Aufnahmen anfängt, an die Charaktere heranzuzoomen.
Das macht einem die unsichtbare Mauer zwischen Zuschauer und Film unnötigerweise bewusst. Davon abgesehen können die langen Aufnahmen jedoch auch
eine ganz spezielle Dynamik erzeugen, die vor allem in der ersten Hälfte des Films, wenn uns die Charaktere vorgestellt werden, eine schöne Spannung
erzeugen. Später verliert der Film leider etwas den Fokus, auch wenn es immer wieder schöne Dialoge mit philosophischen Einschüben und subtilen
Lebensweisheiten gibt. Im Endeffekt können allerdings die sehr guten Darsteller und die Mischung aus melancholischer und süßer Stimmung den Film
zusammenhalten. Das Ende ist erwachsen und entlässt einen zufrieden in den Abspann, über den hinaus es noch einiges nachzudenken gibt. "Woman on the
Beach" konnte mein Interesse an den anderen Werken Hongs wecken und stellt ein ehrliches Drama dar, das wahrscheinlich fast schon naturalistisch
genannt werden muss, in jedem Fall aber durch die Komplexität der gezeigten Gefühle wie aus dem Leben gegriffen scheint.