Story: Die Immobilienpreise in Korea scheinen nur eine Richtung zu kennen: nach oben. No Woo-seong (Kang Ha-neul) will sich daher endlich seinen Traum erfüllen und eine eigene Wohnung kaufen. Er arbeitet als normaler Angestellter in einer Firma, doch er schafft es, Unmengen an Kredit aufzunehmen, um endlich eine Wohnung sein eigen zu nennen. Drei Jahre später ist der Marktwert seiner Wohnung gefallen. Er hat große Probleme, die monatlichen Raten und Zinsen zu bezahlen, sodass er sogar einen Nebenjob annehmen muss. Unglücklicherweise ist seine Wohnsituation auch nicht gerade schön. Zu fast jeder Stunde hört er unglaublichen Lärm von den Nachbarn. Zu allem Überfluss klebt seine Nachbarin unter ihm auch noch ständig Zettel an seine Tür, dass er mit dem Lärm aufhören solle. Als sie schließlich bei ihm klingelt, erklärt er, dass der Lärm von über ihm kommt. Also geht er eine Etage höher, wo sein Nachbar Yang Jin-ho (Seo Hyun-woo) ihm erklärt, dass der Lärm von der Wohnung über ihm kommt. Also geht er eine Etage höher, wo man ihn weiter nach oben schickt. Als Woo-seong schon aufgeben will, bittet ihn die Penthouse-Besitzerin (Yeom Hye-ran) zu einem Gespräch. Sie möchte, dass er noch ein wenig Geduld hat, da ihr die Wohnung der Nachbarin unter ihm gehört und sie deren Vertrag in zwei Monaten nicht mehr verlängern wird. Wegen des Lärms gibt sie ihm einen Umschlag mit Geld und so ist Woo-seong zunächst einmal zufrieden. Als er dann auch noch einen Tipp bekommt, dass eine bestimmte Kryptowährung bald durch die Decke gehen wird, verkauft er sogar seine Wohnung, um schnell an etwas Geld zu kommen, mit dem Plan, den Vertrag in einigen Tagen zu annullieren und den Strafbetrag mit dem gemachten Geld zu bezahlen. Allerdings läuft nicht alles so, wie er es sich vorstellt und immer mehr Beschwerden gehen bei ihm wegen des Lärms ein, obwohl er selbst durch diesen fast verrückt wird ...
Review: Korea hat eine besondere Liebe zur Immobilie als Kapitalanlage. Bedenkt man, dass Großstädte sich immer weiter ausdehnen und eine gut gelegene Wohnung damit wahres Gold wert ist, dürfte das wohl auch nicht verwundern. Was ist aber, wenn der Traum vom Eigenheim bzw. großen Geld zum Albtraum wird? "Wall to Wall" (aka "84m²") nimmt sich dieser Prämisse an und dreht den Regler auf 1000. Das mag dann auch einer der wenigen Kritikpunkte sein. Es gibt enorm viele Zufälle und selbst nachdem alles aufgeklärt ist, erscheint die Geschichte ein wenig zu verwickelt. Das ändert aber gar nichts an dem Fakt, dass wir es hier mit einem gut produzierten und vor allem überaus spannenden Thriller zu tun haben. Den besonderen Reiz des Films macht zu Beginn das Rätsel um den Ursprung des Lärms aus. Schließlich tappen wir noch völlig im Dunkeln, ob es sich um einen Nachbarn handelt, der es vielleicht sogar auf unseren Helden abgesehen hat, oder ob auch ein übernatürlicher Ursprung möglich ist. Nicht zuletzt gibt es genug Hinweise, um auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Woo-seong schlicht den Verstand verloren hat.
Unser Protagonist hat alles auf eine Karte gesetzt und steht mit seiner Wohnung recht dumm da, nachdem die Immobilienpreise gefallen sind. Noch dazu steigen die Zinsen für seine Kredite immer weiter. Die wenige freie Zeit, die er zuhause verbringt und nicht arbeitet, schläft er - und dann darf er nicht einmal das, als ihn der ständige Lärm aus dem Schlaf reißt. Anfangs ist es noch recht lustig zu sehen, wie er von einer Etage zur nächsten geschickt wird (es wirkt ein wenig so, als würde man im Rathaus von einem Sachbearbeiter zum anderen geschickt werden). Dann ist er mit ein wenig Geld fürs Erste auch zufriedengestellt und kümmert sich nicht weiter um den Lärm. Doch die gruseligen Nachbarn von unter ihm geben keine Ruhe und sind der festen Überzeugung, dass er der Lärmverursacher ist. Wenn er jemanden in seine Wohnung bittet, damit dieser sich davon überzeugt, dass er den Lärm ebenso zu ertragen hat, verstummen die Geräusche allerdings. Ab diesem Punkt und weiteren sich häufenden Zufällen wird man sich langsam sicher, dass irgendetwas nicht stimmt. Woo-seong ist derweil aber damit beschäftigt, seine Umstände noch dramatischer zu gestalten, da er nun auch noch in eine Kryptowährung investiert. Als Zuschauer weiß man natürlich, in welche Richtung sich das alles entwickeln wird, aber der Weg dorthin ist tatsächlich spannend umgesetzt.
Irgendwann zehrt der Lärm auch so sehr an den Nerven, dass Woo-seong anfängt zu halluzinieren und sich mehr oder weniger in einem Fiebertraum wiederfindet. Das alles hat seinen Höhepunkt nach der Hälfte des Films und bis dahin ist man auch so emotional mitgenommen, dass man für eine anschließende kleine Pause dankbar ist. Ab der Hälfte des Streifens gilt es wieder, dem Ursprung des Lärms auf den Grund zu gehen. Hier hat der Thriller tatsächlich auch etwas von einer kleinen Detektivgeschichte, dennoch bleibt die Atmosphäre fast schon etwas gruselig. Kang Ha-neul ("Squid Game - Season 2") liefert saubere Arbeit als Bewohner ab, der immer mehr verzweifelt, weil augenscheinlich irgendjemand Spiele mit ihm treibt. Er ist auch niemand, der sich in einer körperlichen Auseinandersetzung wirklich verteidigen kann. Zum Glück gibt es aber kaum Momente, in denen man deshalb die Augen verdrehen müsste - er stolpert bei der Flucht zum Beispiel nicht über die eigenen Füße, wie man es in ähnlichen Thrillern manchmal sieht. Spannung wird vor allem dadurch kreiert, dass wirklich etwas auf dem Spiel steht und der Einsatz mit voranschreitender Minute auch immer höher wird.
Woo-seong ist aber nicht einfach ein Verlierer, der sich nicht verteidigen kann. Er kann auch proaktiv sein. Das Mysterium um den Lärm bekommt im Verlauf des Films einige Wendungen geschenkt und die Geschichte ist durchaus als gut einzustufen. Kritisiert werden muss aber, dass die Verwicklungen am Ende etwas die Überhand nehmen, sodass es schwierig sein dürfte, alle Details miteinander in Verbindung zu bringen. Eventuell war das auch Sinn der Sache, denn würde man sich die Mühe machen, würden höchstwahrscheinlich einige Logikfehler zutage treten. Faszinierend ist dagegen, dass unser Held zwar eindeutig einer der Guten ist, wir aber einige Charaktere bekommen, die in die Kategorie Bösewicht fallen, aber nicht am gleichen Strang ziehen, womit es unter ihnen auch ein paar Auseinandersetzungen gibt. Spannend ist auch, dass wir bei den Charakteren, besonders der Penthouse-Besitzerin gespielt von Yeom Hye-ran ("Citizen of a Kind"), nicht genau einschätzen können, ob sie den Protagonisten unterstützen oder gegen ihn arbeiten. Damit bleibt eine angenehme Ungewissheit im Raum, die alles in den Bereich des Möglichen rückt.
Die ganze Zeit habe ich mich bei "Wall to Wall" an "Unlocked" erinnert gefühlt und zu meiner Überraschung (oder eben nicht) handelt es sich mit Kim Tae-joon um den gleichen Drehbuchschreiber und Regisseur. Man kann ihm also nicht unbedingt große Vielfalt attestieren, aber glücklicherweise macht er diesmal fast alles besser, was er damals falsch gemacht hat. "Unlocked" war gerade wegen seiner Lücken im Drehbuch ein frustrierender Film, obwohl die Atmosphäre gepasst hat. "Wall to Wall" merzt viele der Probleme aus, während die Stimmung des Films packend und nervenaufreibend ist. Kritik bleibt eine unglückliche Zweigeteiltheit des Films und eine recht überladene Geschichte, die somit einige Umstände wenig glaubwürdig macht. Aber die eingearbeitete gesellschaftliche Kritik am Immobilienhype und wie nur die Lage der Immobilie zählt, auch wenn man in gigantischen, wenig einladenden Hochhäusern lebt, deren Apartments alle gleich aussehen und mit dünnen Wänden zu kämpfen haben, weiß zu gefallen. Daneben überzeugt der Thriller auch schlicht auf spannungstechnischer Ebene, womit man auf Netflix endlich mal wieder einen guten Film aus Korea bekommt.