Story: Nach einem schweren Autounfall, der nicht sein Verschulden war, wacht Hiroshi Takagi (Tadanobu Asano)
in einem Krankenhaus ohne Erinnerung auf. Seine Eltern nehmen ihn wieder nach Hause mit, wo er einige Medizinbücher
entdeckt. Er beginnt Medizin zu studieren, wie es sich seine Eltern früher schon gewünscht hatten. Schnell wird er
zu einem Musterstudenten, seine hervorragenden Leistungen sprechen für sich, nur auf menschlicher Ebene bleibt er
unwahrscheinlich distanziert. Und das obwohl die Studentin Ikumi (Kiki) augenscheinlich Interesse an ihm hat.
Takagi nimmt sich eine eigene kleine Wohnung, doch trotz seiner alten Möbel will die Erinnerung nicht zurückkehren.
Erst als er auf dem Seziertisch die Tätowierung einer weiblichen Leiche, die sein Studienobjekt ist, wiedererkennt,
kommen alte Erinnerungen wieder auf. Er findet heraus, dass das Mädchen Ryoko (Nami Tsukamoto) heißt und seine frühere
Freundin war, die bei dem selben Autounfall ums Leben gekommen ist bei dem er seine Erinnerung verloren hat.
Langsam glaubt Takagi sich wieder an gemeinsame Momente mit seiner Freundin zu erinnern. Doch haben diese wirklich
so stattgefunden oder entspringt dies alles nur der Fantasie des Medizinstudenten? Vielleicht hat Takagi sogar
Kontakt mit dem Geist Ryokos aufgenommen?
Kritik: An dieser Stelle muss ich leider einen kleinen Streit vom Zaun brechen: "Vital" war für mich
eine Enttäuschung. Das mag zum Teil daran liegen, dass ich irgendwie einen Mystery-Horror-Thriller erwartet hatte und
im Endeffekt ein Drama vorgesetzt bekam. Das ist aber eben auch die Schuld des Films selbst, denn Regisseur Shinya
Tsukamoto ("Haze", "A Snake of June"), spielt mit den Erwartungen des Zuschauers und das leider nicht im positiven
Sinne. Etliche spannungsfördernde Momente und eine gruselige Atmosphäre arbeiten auf einen Höhepunkt hin, der nicht
da ist. Für manche mag dieser ständige Antiklimax, der sich durch den Film zieht vielleicht erfrischend anders sein,
doch ich für meinen Teil empfand es einfach nur frustrierend.
Doch ich möchte nicht wie einer dieser undankbaren, prepubertären Möchtegern-Kritiker klingen. Tsukamoto ist mit seinem
Werk ein Film gelungen, der mit Sicherheit genauso vielschichtig ist, wie der menschliche Körper, welcher hier fast
bis ins kleinste Detail seziert wird.
Takagi ist ein Mensch, der seine Erinnerung und somit seine Persönlichkeit verloren hat. Wie es das Schicksal so will
bekommt er ausgerechnet den Leichnam seiner Freundin auf den Seziertisch. Mit jeder Schicht, die er von Ryokos Körper
freilegt kommt auch die Erinnerung wieder zurück. Doch handelt es sich dabei wirklich um Erinnerungen? Seine
gemeinsamen Momente mit seiner Freundin muten mehr wie Traum- oder Wunschsequenzen an. Vielleicht denkt er sich auch
alles einfach nur unterbewusst aus und glaubt mit dem Geist von Ryoko kommunizieren zu können, so dass ihm der Abschied
von ihr leichter fallen kann. Grund für diese Annahmen gibt die Surrealität der sogenannten "Erinnerungen". Ryoko tanzt
wie in Trance einen abgehackt balettähnlichen Tanz oder sie möchte z.B. nicht, dass Takagi von ihrer Seite weicht.
Klare Antworten darauf wobei es sich um Realität handelt und wobei nicht gibt es keine, doch eigentlich ist vieles
sehr naheliegend.
Die größte Schwäche des Films ist interessanterweise gleichzeitig seine größte Stärke. Das mag sich merkwürdig anhören,
aber den Grund dafür habe ich schon angesprochen. Die Atmosphäre des Films ist großartig eingefangen, die düster-kühlen
Bilder, die durch einen starken Blaustich auffallen lassen einen tief eintauchen und einige beunruhigend-spannende
Szenen, die auch noch von passender Musik untermalt werden, lassen einen den nächsten Schocker schon erwarten. Doch davon
gibt es keinen einzigen... "Vital" verspricht mit seinen Bildern, der dichten Atmosphäre, sowie seiner Story ein subtiler
Horrorfilm zu sein, doch schlussendlich erweist er sich als explorativer Film über die Selbstfindung. Takagi nimmt die
Dinge nun einmal oft anders wahr als sie wirklich sind, hier sei nur kurz die Aufzugssequenz erwähnt. Das erweckt beim
Zuschauer die Erwartungen noch mehr Horror zu sehen zu bekommen. Die beklemmenden großartigen Sets, wie der Sezierraum
tragen zusätzlich dazu bei, doch tatsächlich erweist sich "Vital" als unerwartet positiv und versöhnlich im Grundton.
Die letzte Szene kann zwar wirklich überzeugen und besitzt seine ganz eigene Magie, die einem ein Lächeln aufs Gesicht
zaubern kann, doch wer hätte während des Films gedacht, dass man am Ende des Films mit einer fast schon wohligen
Wärme zurückgelassen wird!?
Tsukamoto schafft einige sehr schöne Bilder. Später gibt es auch ein paar wunderbare Naturaufnahmen, die
von seinen atmosphärisch bedrückenden Bildern wieder wegführen. Da wären zum einen die Sezierszenen als Beispiel für
letzteres. Es ist
zwar interessant, dass man hier darauf verzichtet hat allzu viele Details zu zeigen, so dass sogar ich, der sonst starke
Magenprobleme hat wenn es ums Sezier-Thema geht, ohne größer zu klagen weiterschauen konnte, aber ein paar eindeutige
Szenen oder vor allem Geräusche sprechen dann doch für sich.
"Vital" ist ein ruhiger und sehr langsamer Film, der sich Zeit damit nimmt Takagi und seine Beziehung zu Ryoko zu
beleuchten. Manchmal ist das etwas störend, da man sich nicht sicher ist, ob der Film wirklich weiß wo er hin will.
Charaktere wie Ikumi bleiben etwas flach und rätselhaft, bis wir herausfinden, dass sie für Takagi nur eine Art
Katalysator für seine Erinnerungsfindung darstellt.
Tadanobu Asano ("Ichi The Killer) darf hier nur eine sehr zurückhaltende und minimalistische Darstellung abgeben, was
einen weiteren Kritikpunkt darstellt. Eigentlich können nur Ryoko und ihr Vater, dargestellt von Jun Kunimura wirklich
interessante Personen darstellen. Asano selbst bleibt sogar am Schluss noch eine leere Hülle, die zu allem und jedem
eine gewisse Distanz hat. Das macht es für den Zuschauer nicht gerade leicht in den Film zu finden, doch wie schon
erwähnt macht dies der Regisseur mit seiner tollen Atmosphäre wieder wett.
Es gibt in "Vital" mit Sicherheit sehr viel zu entdecken, vieles muss zwischen den Zeilen gelesen werden und eine
großartige Atmosphäre umfängt sofort den Zuschauer. Der Film besitzt eine außergewöhnliche Tiefe und all das sind
Gründe, die einen "Vital" ohne große Bedenken empfehlen lassen können. Allerdings erweckt Tsukamoto falsche Erwartungen
beim Zuschauer, der Hauptdarsteller ist etwas zu kühl und manchmal hätte das Tempo wirklich etwas anziehen können.
Vielleicht mag ich mit meiner Meinung alleine dastehen, doch ein Meisterwerk ist "Vital" eben nicht geworden.