Story: Kiyoshi Yamazaki (Kenichi Endo) ist ein TV-Reporter, der auf der Suche nach der perfekten Story ist.
Dafür treibt er sich auf den Straßen rum und möchte einen Bericht über Gewalt unter Jugendlichen drehen. Er trifft
allerdings seine Tochter (Fujiko), die sich prostituiert, und nimmt ihre Dienste schließlich selbst in Anspruch...
Auf seinem Weg nach Hause schlägt ihm ein Unbekannter mit einem Stein auf den Schädel. Dieser Mr. Q (Kazushi Watanabe)
lebt fortan bei Yamazaki. Er mischt sich nicht in die Familienangelegenheiten ein und sagt auch nur sehr wenig. Er
sieht mit an wie die Mutter (Shungiku Uchida) von ihrem Sohn (Jun Muto) wegen den kleinsten Dingen verprügelt wird,
während die Mutter Heil in Drogen sucht, die sie bezahlt indem sie sich prostituiert.
Yamazaki sieht schließlich wie sein Sohn immer wieder von seinen Mitschülern tyrannisiert wird und will daraus eine
Reportage machen. Dafür trifft er sich mit einer alten Freundin, die dann aber von Yamazaki vergewaltigt und
getötet wird. Yamazaki muss die Leiche los werden und bringt sie nach Hause. Obwohl die Familie in einen Strudel der
Gewalt und Perversion gerät findet sie dank des unbekannten Besuchers Q mit der Zeit wieder zueinander...
Kritik: Es gibt Filme, die stellen ein Genre für sich dar. Takashi Miike ist als Regisseur bekannt dafür, dass
er immer wieder die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet, sein Publikum schockiert und die Perversionen der
Menschen beleuchtet. In "Visitor Q" übertrifft er sich aber wieder einmal selbst. In der japanischen Filmkultur gibt
es ein ganzes Genre, das sich damit beschäftigt Sex und Gewalt in ihren abstraktesten und krankesten Weisen zu porträtieren.
Nichts, was wirklich mein Interesse erwecken würde, doch Miikes Film hat dies geschafft, da er in Aussicht gestellt hat
auch eine Botschaft zu besitzen. Und diese kann der Film tatsächlich auch übermitteln. Neben seiner explorativen Natur
kann "Visitor Q" also gerade als eine Art "Kunstfilm" überzeugen. Wenn man es am Anfang auch nicht vermuten mag, so
besitzt der Film doch tatsächlich einen sozialkritischen und eigentlich sogar intelligenten Unterton, der dieses Werk
eindeutig zu etwas Besonderem macht.
"Abstoßend" ist wohl das Wort, das vielen Zuschauern einfallen wird, wenn sie diesen Film sehen. Gleichzeitig liegt
aber auch etwas sehr Faszinierendes in der Darstellung der unterschiedlichen Arten der Perversion. Dies liegt zum
größten Teil aber daran, dass es sich der Regisseur nicht hat nehmen lassen eine gehörige Portion Ironie in seinem
Werk zu verbauen. Ohne diese könnte man wohl nur den Kopf über das schütteln was wir da zu sehen bekommen und würde sich
wahrscheinlich allzu stark entfremdet fühlen. Tatsächlich schafft es Miike aber viele seiner Szenen so überzeichnet
und abstrus
darzustellen, dass der Zuschauer einfach lachen muss. Ein Lachen, das intendiert ist und bei dem man sich nicht einmal
schlecht fühlen muss, da es die beste Methode ist mit dem umzugehen was uns gezeigt wird. Ohne dieses Lachen, das uns
Miike dankenswerterweise erlaubt, bzw. sogar fördert, wäre "Visitor Q" wohl unerträglich geworden. Denn auch wenn die
Faszination für den Film bis zum Ende bleibt, so könnte man ohne eine gewisse Ironie wohl kaum ein emotionales Band
zu den Charakteren weben, das wir trotz deren Taten tatsächlich haben.
Die vier Hauptcharaktere, nämlich die vier Familienmitglieder, stehen im Fokus des Films. Jeder von ihnen hat seine
eigenen Probleme, und Regisseur Miike weist jedem von diesen mindestens ein Tabu-Thema zu, das dieser als Motif mit
sich zu tragen hat. Die sexuelle Perversion findet sich im Vater wieder, der Sohn stellt den typischen unsicheren Jungen dar,
der in der Schule gehänselt wird usw. Mit der Zeit finden die Familienmitglieder aber zu einer Art Katharsis, wenn auch
auf eine sehr abgedrehte Art und Weise. Die Mutter findet zum Beispiel ihr Selbstvertrauen wieder und entdeckt ihre
Weiblichkeit, während der Vater lernt zu akzeptieren wie er tatsächlich ist. Verantwortlich für diese Entwicklung ist
der merkwürdige Besucher Q, der zwar eigentlich nur wenig macht oder sagt, den Familienmitgliedern aber in gewisser Weise
zeigt wer sie wirklich sind, und der ihnen manchmal auf eine sehr verquere Art auch die Liebe zukommen lässt nach der sie
sich sehnen. Und das obwohl
er die meiste Zeit nur als Beobachter am Rande steht. Über Q kann man viel rätseln und sinnieren. Er scheint irgendwie
jenseits von dieser Welt und dann auch wieder nicht. Als wenn seine Aufgabe wäre der Familie einen Spiegel vorzuhalten,
damit sie akzeptieren oder ändern wer sie sind.
Auf technischer Ebene gibt es nicht viel zu erzählen. Der Film wurde mit einer Digitalkamera aufgenommen,
was ihm manchmal einen TV-Look gibt, ihn an anderer Stelle aber auch wie eine Dokumentation aussehen lässt. Irgendwie
ergibt das einen ganz eigenen Stil, der mir ausnahmsweise überhaupt nicht negativ aufgefallen ist, sondern der sogar
sehr passend wirkt. Gerade die Szenen, die von den Protagonisten selbst mit einer Kamera aufgenommen wurden werfen einen
direkt ins Geschehen und fühlen sich sehr real an.
Das Thema Sex in all seinen Perversionen steht natürlich im Vordergrund, denn was sonst könnte schockierender sein, als
z.B. Nekrophilie? Miike schafft es seinen Szenen eine perverse (dieses Wort muss für diesen Film ziemlich oft herhalten...)
Erotik zu verleihen, explizite Szenen gibt es aber natürlich nicht zu sehen. Genitalien werden ausgeblendet, bzw.
sehr verschwommen gezeigt etc., aber selbst in den Szenen, in denen wir uns unwohl fühlen müssten, tun wir das nicht, da
die Ironie der Szenen uns immer wieder zum Lachen bringen kann.
"Visitor Q" nimmt uns auf eine unglaubliche, faszinierende und auch abstoßende Reise mit, die vielleicht
nicht jeder über sich ergehen lassen möchte, die aber außerordentlich anders, ungewöhnlich und gelungen ist. Es
gibt nur wenige Tabu-Themen, wenn überhaupt welche, die Takashi Miike ("Audition", "Ichi The Killer") nicht anspricht,
und auch wenn es beängstigend ist: Perversion ist ein Thema, über das sich die meisten von uns - eigentlich möchte ich
hier ja das Wort "alle" benutzen - Gedanken machen, da es in unserer Natur verankert ist. Miike zeigt unwahrscheinlich
viel Mut das anzusprechen, worüber andere noch nicht mal wagen zu denken. Dafür alleine verdient er schon Respekt.
Seine Tabu-Themen dann noch in einer unterhaltsamen Art zu verpacken, die uns all die Perversionen mit einem
Augenzwinkern sehen lassen, so dass die Faszination für den Film niemals verloren geht, ist dann noch eine besonders
starke Leistung. Die einzelnen Personen mögen merkwürdig sein, aber irgendwie wirken sie immer lebendig und auch real.
Am Ende mögen ein paar der Familienmitglieder Mörder werden, und alle von ihnen bräuchten dringend psychiatrische
Hilfe, aber was uns tatsächlich bewegen kann ist die im Kontrast zum Rest des Films fast schon als "rein" erscheinende Liebe
zwischen den Familienmitgliedern, die uns am Schluss offenbart wird.
Kontrovers, abstoßend, faszinierend, humorvoll und ein kleines Meisterwerk...