Story: Ryuhei Sasaki (Teruyuki Kagawa) ist Angestellter, bis ihm eines Tages ohne Verwarnung gekündigt wird. Da er nicht weiß, wie er seiner
Familie gegenübertreten soll, jetzt da er seine Arbeit verloren hat, geht er wie gewohnt jeden Tag aus dem Haus. Er sieht sich zwar heimlich nach einer
neuen Arbeit um, doch liegen die Jobangebote weit unter seiner Würde. Ryuhei trifft zufällig einen alten Freund wieder, dem es ähnlich ergeht. So wie dessen
Frau scheint auch Megumi Sasaki (Kyôko Koizumi) zu ahnen, dass etwas nicht stimmt. Derweil jobbt der ältere Sohn Takashi (Yû Koyanagi) ohne eine wirkliche
Perspektive, während der jüngere Sohn Kenji (Kai Inowaki) unbedingt Klavier lernen will, aber von seinem Vater nicht die Erlaubnis bekommt. Kenji lernt
daraufhin im Geheimen das Klavierspielen und Ryuhei sieht sich schließlich gezwungen niedere Arbeit anzunehmen. Doch zuhause muss er weiterhin den Schein
wahren, denn sollte er den Respekt seiner Familie verlieren, hat er nichts mehr im Leben, woran er sich klammern kann. Megumi versucht die Familie
zusammenzuhalten, so gut es nur geht, doch eine Krise scheint unausweichlich.
Kritik: "Tokyo Sonata" ist ein ungewöhnliches Drama, das auf einem schmalen Grat zwischen depressiv und hoffnungsvoll wandert. Leider erweckt
der Film manchmal den Eindruck, das er selbst nicht genau weiß, wohin er möchte, doch merkwürdigerweise geben die vielen Richtungswechsel im Film am
Ende ein episches Bild einer Familie ab, die durch die verschiedensten Prüfungen gehen muss. Ein Beigeschmack des Unperfekten bleibt zwar, aber im Endeffekt
geht es genau darum auch in dem Drama. Das Leben nimmt nicht immer die schönsten Wendungen und dabei dennoch als Familie zusammenzuhalten ist besonders
schwierig. Überaus gefallen kann, wie differenziert die Probleme betrachtet werden. Eine einfache Lösung gibt es nicht und dennoch erweist sich der
Film keineswegs frustrierend, was ihn von ähnlichen Werken abhebt.
Wir lernen auch viel über die japanische Kultur. Im Speziellen darüber, dass es unmöglich für einen Familienvater ist, seiner Frau zu erklären, dass er seine
Arbeitsstelle verloren hat. Nicht nur Ryuhei ist betroffen, auch andere Männer verbringen in Anzug und mit Aktenkoffer ihre Zeit auf der Straße und stellen
sich zur Essensausgabe bei der Wohlfahrt an. Nichts ist wichtiger, als vor der eigenen Familie und den Freunden das Gesicht zu wahren. Auf die Spitze wird das
von einem Freund Ryuheis getrieben, der fünf Mal in der Stunde sein Handy klingeln lässt, damit er beschäftigt wirkt. Dabei scheint es alles andere als
möglich, dass seine Frau nicht längst über seine Arbeitslosigkeit Bescheid weiß. Doch Ryuhei bewundert ihn sogar für dieses Verhalten und versucht sich
ein Beispiel an ihm zu nehmen. Es gibt richtiggehend eine Subkultur der heimlichen Arbeitslosen in Japan.
Wo andere Dramen jedoch den Rest der Zeit verharren würden, um in ruhigen Bildern das Leiden der Familie zu beleuchten, rückt Regisseur Kiyoshi Kurosawa
("Pulse", "Cure") weitere Themen in den Vordergrund. Die Perspektive wechselt oft, um auch das Leiden der
Hausfrau genauer in Augenschein zu nehmen. Sie spielt, wie so viele japanische Frauen, die Rolle der Mutter und Ehefrau, ohne selbst einen richtigen
Charakter zu haben. Doch im Laufe des Films lernen wir mehr über ihre Träume, wie den Führerschein, den sie endlich gemacht hat, und dass sie sich so
fühlt, als sei sie in einer Sackgasse gelandet. Kyôko Koizumi gibt die überraschendste Darstellung ab, da sie später auf subtile Weise verschiedene
Facetten zum Tragen bringt, von denen wir zuvor nicht einmal wussten, das sie diese hat.
Auch die beiden Söhne bekommen etwas Zeit auf dem Bildschirm. Der ältere möchte seine Familie beschützen und geht zum US Militär, hauptsächlich aber aus
Mangel an Alternativen, der jüngere Sohn findet seine Bestimmung im Klavierspiel, bekommt von seinem Vater allerdings nicht die Erlaubnis das Instrument
zu lernen. Damit geht es in "Tokyo Sonata" auch um Träume und gerade um die, die man aufgeben muss. Auffallend sind aber vor allem einige Zufälle, die ihren
Weg in den Film finden. Diese sind nicht nur dramatisch, sondern wirken durch ihre Konstruiertheit auch auf eine gewisse Art gewollt ungewollt komisch,
was Parallelen zu dem koreanischen Regisseur Kim Ki-Duk nahelegt. Das betrifft gerade den Überfall und eine Reihe darauf folgender Ereignisse, die
unerwartet noch etwas Spannung in den Film bringen.
Kiyoshi Kurosawa bringt in seinen Filmen gerne das Übernatürliche unter und vermag es, Angst, die aus den Urinstinkten hervorgeht, zu erzeugen: Die Angst vor Einsamkeit. Das ist auch die besondere Leistung in "Tokyo Sonata". Die Stimmung gleitet oftmals in erschreckende Melancholie ab, die ein ungewöhnliches Angstgefühl hervorruft. Allerdings wird dieses niemals unerträglich, denn ständig schwankt der Ton des Films und auch Hoffnung mischt sich in die düstere Schwere des alltäglichen Dramas. Da "Tokyo Sonata" oft auf subtiler Ebene arbeiten will, haftet ihm auch etwas Künstliches an. Gegen Ende ist das Drama emotional fast schon erschöpfend, aber alles andere als ein Taschentuchdrama. Das ist sehr positiv zu vermerken und speziell das etwas Art House-typische Ende weiß zu überzeugen.