Story: Hartman (Richie Ren) leitet eine Scharfschützenspezialeinheit der Polizei. Er ist der beste seines Fachs
und wurde bisher nur von seinem ehemaligen Rivalen Lincoln (Huang Xiaoming) geschlagen. Dieser sitzt aber schon eine
Weile im Gefängnis, weil er bei einem Einsatz versehentlich eine Geisel erschossen hat. Hartman bekommt aber nicht nur
Kopfschmerzen durch den neuen dickköpfigen Jüngling OJ (Edison Chen), den er im Zaum zu halten versucht, sondern auch
durch Lincoln, der nun gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und dem Gangsterboss Tao (Jack Kao) hilft, zu entkommen.
Zusammen mit diesem will Lincoln einen größeren Coup durchführen und sich gleichzeitig an der Polizei, vor allem aber an
Hartman rächen, den er für seine Gefängniszeit verantwortlich macht, da er denkt dieser hätte dem Untersuchungsausschuss
wichtige Informationen vorenthalten, nur um ihn hinter Gitter zu bringen. Ein gefährliches Spiel zwischen Hartman und
Lincoln nimmt seinen Lauf, bei dem sich zeigen wird, wer der bessere Scharfschütze ist...
Kritik: "The Sniper" ist ein adrenalingeladener, testosteronüberfüllter Actionfilm ohne große Schnörkel und
erzählt innerhalb kürzester Laufzeit. Regisseur Dante Lam zählt zwar zu den etwas besseren Hong Kong Regisseuren,
aber diesen Ruf hat er wirklich nur sehr bedingt verdient. Seine Filme bewegen sich im (oberen) Durchschnitt und
"The Sniper" bietet zu wenig Substanz, um auch nur dort seinen Platz einnehmen zu dürfen. Die Story ist absolut
vernachlässigbar, die Charaktere können niemals interessieren und das bisschen Drama, das seinen Weg in den Film
gefunden hat, kann nicht funktionieren, weil sich der Film zu zerstückelt und inkohärent anfühlt. Zu holprige Schnitte
zur nächsten Actionszene lassen einen sich oft wundern, was denn jetzt eigentlich genau passiert ist, das zum
darauffolgenden Scharfschützenduell geführt hat. Das macht diese Duelle dann eben nicht spannend, sondern vor allem
frustrierend, weil uns der emotionale Rahmen fehlt.
Für das etwas zusammenhanglose Werk, das wir hier geliefert bekommen, dürfen wir allerdings nicht nur Dante Lam
verantwortlich machen, sondern auch Edison Chen. "The Sniper" liegt nun nämlich schon eine ganze Weile auf
Warteschleife, genauer gesagt handelt es sich um einen Film, der vor Edisons viel besprochenem Sexfotoskandal gedreht
wurde. Danach wurde Edison Chen vom Bildschirm und der Filmindustrie Hong Kongs verbannt, was dazu führte, dass man erst
jetzt Dante Lams Actionwerk auf die Leinwand bringen konnte. Allerdings auch nur nachdem Chens Rolle ordentlich
gekürzt wurde. Genau diesen Umstand sieht man dem Film allerdings auch an. OJ ist eine Randfigur im Film, die eigentlich
keine sein sollte und man bekommt oft den Eindruck, dass der Film deshalb eine ordentliche Portion seines Fokus hat
einbüßen müssen. Sein Charakter bleibt unterentwickelt, obwohl er eigentlich eine Identifikationsfigur für den
Zuschauer hätte werden sollen.
Doch auch von den anderen Charakteren sollte man nicht zu viel erwarten. Richie Ren ("Exiled", "Breaking News")
verkörpert einen taffen Ausbilder, der sich schon seit jeher mit seinem Rivalen Lincoln gemessen hat. Irgendwie
bekommen wir keinen Zugang zu ihm, trotz (oder wegen) einer eher ungeschickt eingeschobenen Episode um seine Frau und
sein Kind. Er bleibt zu kühl und fade. Edison Chen wurde wie gesagt, wo es nur möglich war, aus dem Film geschnitten und
so bleibt uns nur noch Huang Xiaoming ("The Banquet"). Huang schafft es als Lincoln einen Bösewicht darzustellen, der
eigentlich keiner ist und mehr oder weniger in seine Rolle als ein solcher gezwungen wurde. Die Schicksalsschläge,
die er hat erleiden müssen, lassen uns mit ihm sympathisieren, aber sobald er komplett durchgedreht ist, sehen wir auch
für ihn keine Hoffnung mehr und fiebern für Hartman. Huang kann immerhin die vielschichtigste Darstellung in dem Film
abliefern, auch wenn das nicht allzu viel heißen mag.
"The Sniper" hätte eine Stärke daraus machen können, dass hier die Grenze zwischen gut und böse verwischt wird, aber
diese Gelegenheit verschenkt Dante Lam wie so viele andere auch. Lams Spezialität ist aber die überaus testosterongeladene
Präsentation seiner Bilder. Wie oft hier Männer mit eingeöltem nackten Oberkörper ihre phallusartigen Gewehre fest
umklammern und konzentriert ihr nächstes Ziel anvisieren, um in einem typisch männlichen (?) Wettkampf miteinander
zu konkurrieren, kann schon beinahe beunruhigend sein. Freudianer werden in jedem Fall nur zu einem Schluss kommen können,
der uns hier jetzt allerdings nicht interessieren soll. Vielmehr sollte man an dieser Stelle noch auf die Hollywood-artige
Umsetzung eingehen, die mitsamt etlichen Zeitlupenszenen, dynamischen Kamerafahrten und diversen Farbfiltern Style
und Pathos übermitteln. Zu letzterem trägt auch der an Harry Gregson-Williams orientierte, beinahe patriotisch anmutende,
Soundtrack bei.
Lams Regie ist zu künstlich und was in einem lächerlichen Unterhaltungsfilm wie seinem früheren "The Twins Effect"
noch erstaunlich gut und amüsant funktioniert hat, mag hier nur zum Augenrollen führen. Zugegeben, es mag einige
interessante Shootouts geben, das Scharfschützenthema an sich hat seinen Reiz und der Grad an Gewalt sowie Blut ist
einem solchen Film angemessen vorzufinden, aber das Unterhaltungspotential wird eben nie voll ausgeschöpft. Mit
seiner kurzen Laufzeit bietet "The Sniper" allerdings Kurzweil, die ganz nett sein kann, wenn man mal eh nichts anderes
zu tun hat. Für alle anderen empfiehlt es sich ein paar ältere Actionkracher auszugraben. Es sei denn man steht auf
nackte verschwitzte Männeroberkörper...