Story: Kim Man-soo (Kim Kang-woo) arbeitet als U-Bahn-Fahrer. Sein Leben verläuft sehr gradlinig und
unspektakulär. Außerdem spricht sein Vater ihn darauf an, dass es langsam Zeit wird zu heiraten. Man-soo kennt
tatsächlich auch ein Mädchen, das ihn interessiert. In regelmäßigen Abständen versorgt eine Unbekannte (Cha Seo-won)
ihn mit etwas zu lesen für seine Pausen, doch ihren Namen will sie ihm nicht nennen. Eines Tages jedoch wirft sich
eine Frau vor Man-soos Zug. Man-soo bekommt einige Tage frei, und versucht den Schock mit Alkohol zu ertränken. Er
setzt sich in einen Zug und fährt bis zur Endstation - der nordkoreanischen Grenze. Doch er ist nicht alleine im Zug.
Eine andere verletzte Seele befindet sich ebenfalls an Bord.
Lee Hanna (Son Tae-yeong) ist Dozentin für Deutsch an einer Universität und arbeitet dort als Teilzeitkraft. Sie fühlt
sich irgendwie nutzlos und alleine. Nur ihre Affäre mit ihrem Vorgesetzten (Baek Jong-hak), einem verheirateten Mann,
macht sie glücklich. Eines Tages erfährt die Ehefrau allerdings von der Affäre und konfrontiert Hanna auf offener
Straße. Verletzt und betrunken setzt Hanna sich in einen Zug und fährt bis zur Endstation. Zusammen mit Man-soo
begibt sie sich zu Fuß in ein Hotel, wo die beiden Fremden sich von ihrem Schmerz erzählen...
Kritik: "The Railroad" ist ein ruhiger und einfacher Film, der abseits von jeglichem Kommerz arbeitet, aber
gerade deshalb so emotional vereinnahmend sein kann. Der Film nimmt sich viel Zeit mit seiner Geschichte und so sollte
auch der Zuschauer ein wenig Geduld mitbringen. Aber es lohnt sich wirklich, denn am Ende wird man einfach mit einem
"schönen" Film belohnt. "Schön" deshalb, weil "The Railroad" ein Drama abseits von irgendwelchen Krankenhausgeschichten
oder Liebesdramen ist. Stattdessen besticht er mit seiner Ehrlichkeit. Die Geschichte dreht sich um zwei verletzte
Individuen, die sich zufällig in den gleichen Zug setzen und erst an der Endstation aussteigen. Der Regisseur arbeitet
bewusst mit diesem Bild, denn der zugeschneite Bahnhof nahe der nordkoreanischen Grenze fühlt sich tatsächlich wie das
Ende der Welt an. Aber ist es auch die Endstation im Leben der beiden Protagonisten, oder finden sie den Mut in ihre
Welt zurückzukehren und weiterzumachen?
Die Story ist an sich keineswegs besonders ausgefallen und fühlt sich manchmal auch etwas zu gestreckt für fast 108
Minuten Film an, aber sie überzeugt gerade wegen ihrer Simplizität und Realitätsnähe.
"The Railroad" beginnt mit Man-soo und Hanna, zwei verletzten Seelen, die im gleichen Zug sitzen. Der Regisseur
benutzt dann gekonnt Rückblenden um uns in das Leben der zwei Personen einzuführen, verpasst es dabei aber auch nicht
immer in ausgeglichenem Verhältnis zwischen Hannas und Man-soos Geschichte hin- und herzuspringen. Grundlegend haben
die beiden Geschichten aber nichts miteinander zu tun, außer dass in ihrem Mittelpunkt eine verletzte Seele steht, die
unglücklich mit sich und ihrem Leben ist.
Die Geschichte um Man-soo, einem Zugfahrer, dessen monotones Leben durch repitative Aufnahmen der Bahngleise und der
Route des Zugs verbildlicht wird, ist eine, die das Leben eines einfachen Arbeiters beleuchtet. Trotzdem ist Man-soos
Beruf irgendwie faszinierend, auch wenn wir feststellen müssen, dass er vielleicht nicht sonderlich spannend ist.
Wir alle haben uns vielleicht auch schon Gedanken darüber gemacht, wie es dem Zugfahrer wohl gehen muss, wenn wieder
einmal jemand vor die Bahn springt um seinem Leben ein Ende zu machen. Was für ein traumatisches Erlebnis dies
allerdings wirklich sein muss, wird uns hier erst bewusst, wenn es auch nur angedeutet wird. Der Film hält sich
nämlich glücklicherweise nicht zu lange mit diesem Thema auf.
Die kleine angedeutete Liebesgeschichte zwischen dem Zugfahrer und einer Zeitungsverkäuferin ist nett anzusehen und
hätte durchaus das Zeug dazu gehabt mehr zu werden, aber "The Railroad" ist schließlich keine Romanze, von daher muss
man hier Abstriche erwarten.
Trotz allem bleibt es fraglich, warum die unbekannte Frau, deren Identität später
aufgelöst wird, vor den Zug sprang. Es gibt zwar vielleicht den ein oder anderen Grund, den sich der Zuschauer vorstellen
kann, aber irgendwie wirken sie doch zu trivial. Hier hätte der Film also durchaus noch die eine oder andere Antwort
liefern dürfen.
Die Story rund um Hanna ist besonders für mich als Deutschen sehr interessant, da Hanna als Deutsch-Dozentin
arbeitet. Ein Beruf, der, unter anderen möglichen, ebenfalls an meinem Horizont zu erkennen ist. Doch bis dahin muss
ich noch ein paar weitere Jahre Koreanisch lernen...
Nichtsdestotrotz fragt man sich, wie der Drehbuchschreiber und
Regisseur nur auf einen Deutschlehrer kam? Ganz einfach, Regisseur Park Heung-shik hat Filmwissenschaft in Berlin
studiert und von daher seine persönlichen Erfahrungen und Einblicke mit in den Film gebracht. Kein Wunder also, dass
neben Hermann Hesse und Günter Grass auch Christa Wolf Erwähnung in dem Film bekommt, eine der bedeutendsten deutschen
Schriftstellerinnen der Gegenwart, die sich anscheinend gerade unter Koreanern großer Beliebtheit erfreut. Aber
in Korea wird sowieso mehr deutsche Literatur oder Literatur im Allgemeinen gelesen, als hier in Deutschland. Traurig,
aber wahr...
Hannas ungewöhnlicher Beruf lässt Selbstzweifel in ihr hochkommen, da sie glaubt nichts Richtiges gelernt zu haben.
Gerade in ihrem Gespräch mit ihren Freunden wird dies deutlich. Hier kommt auch ihre innere Einsamkeit besonders stark
zum Vorschein. Was sie sich genau von ihrer Affäre mit ihrem Vorgesetzten verspricht ist ein wenig kurzsichtig gedacht,
denn natürlich möchte sie, dass dieser seine Frau für sie verlässt. Warum diese emotionale Bindung Hannas zu ihrem
Vorgesetzten so stark ist, sollen wir erst später wirklich erfahren.
Schließlich stehen Man-soo und Hanna am gleichen Bahnhof, da ihre ziellose Reise an der Endstation ein Ende finden musste.
Langsam kommen die beiden ins Gespräch, aber ihr erstes Kennenlernen fängt interessanterweise mit ein paar Lügen an.
Der Grund dafür ist einfach: Sie wollen sich durch die Lügen schützen und nicht wieder verletzt werden, bzw.
zu einem gewissen Anteil kommt auch ihr Wunschdenken dabei zum Vorschein. An einem Hotel angekommen, beschließen die
beiden jedenfalls sich für den kurzen Aufenthalt ein Zimmer zu teilen. Ein wenig merkwürdig ist das schon, und die
erotische Anspannung, die ganz natürlich im Raum liegt, wenn ein junger Mann und eine junge Frau sich ein Zimmer
teilen, wird noch dadurch unterstrichen, dass die beiden als sie alleine sind jeweils kurz beim Zappen in einem
Erotikkanal bleiben.
Regisseur Park spielt aber nur mit dieser Szene. Eine plötzliche Romanze würde sich einfach falsch anfühlen und
nicht in den Film passen. Park Heung-sik weiß das, und verunstaltet seinen Film nicht unnötig in letzter Minute.
Die beiden lernen stattdessen langsam ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen und finden Halt bei ihrem Gegenüber. Leider
schüttet aber eigentlich nur Man-soo sein Herz aus, während es Hanna nur bei ein paar Worten belässt. Dennoch scheint
auch sie große Kraft aus dem Gespräch zu ziehen. Dies alles führt zu einem Ende, das zwar irgendwie unspektakulär,
aber dennoch bewegend ist. Die Wärme, die "The Railroad" ausstrahlt, breitet sich eigentlich erst nach dem Abspann im
Zuschauer aus. Gerade diese Wärme ist es, die mich diesem simplen Drama über Schmerz, Einsamkeit und das Weiterleben
in dieser Welt eine klare Empfehlung aussprechen lassen. Der Film mag außerdem mit nur sehr kleinem Budget gedreht
worden sein, aber so wirklich sieht man dies ihm nicht an. Einzig störend ist, dass man manchmal nicht das Gefühl
hat, dass der Film zu jedem Zeitpunkt ein Ganzes darstellt.
Es sind Filme wie "The Railroad", kleine Low-Budget-Streifen, die ohne große Schnörkel das Leben auf einfache und
bewegende Art beleuchten, die zu einem großen Teil das koreanische Kino erst zu dem machten, was es heute ist.
Und es muss ja nicht immer Kim Ki-duk sein...