Story: Drei Familien treffen sich in einer Hütte am See, um dort in einem Vorstellungsgespräch den Lehrer Tsukumi (Etsushi Toyokawa) davon
zu überzeugen, dass ihr Kind es verdient, an einer renommierten Privatschule aufgenommen zu werden. Sunsuke Namiki (Koji Yakusho) passt allerdings nicht
wirklich zu den anderen Eltern, da er in den Interviews zeigt, dass er sich nicht über die Schule informiert hat und außerdem nicht viel von
Privatschulen und schulischem Druck hält. Für seine Frau Minako (Hiroko Yakushimaru) ist es jedoch ganz klar, dass ihre Tochter Maika (Arisa Makino)
unbedingt aufgenommen werden muss. Dafür spielt sie mit Sunsuke ein Ehepaar, das die beiden schon seit einer Weile gar nicht mehr sind. Sunsuke hat
seit einiger Zeit schon eine Affäre mit der Fotografin Eriko (Yuko Mano) und als diese dann plötzlich in der Hütte auftaucht, muss Sunsuke sich fragen,
was genau ihre Motive sind. Er befürchtet, dass sie eine Scheidung erzwingen will, und als er sich am Abend in einem Hotel mit ihr treffen möchte, bekommt
er von seiner Frau einen Anruf, die ihn darüber informiert, dass sie Eriko umgebracht hat, nachdem sie von ihr unter Druck gesetzt wurde. Zusammen mit
den anderen beiden Familien wird beschlossen, den Mord zu verheimlichen, da sonst die Ausbildung der Kinder in Gefahr wäre. Unter der Leitung des
Chirurgen Fujima (Akira Emoto) werden die Leiche und Beweismittel aus dem Weg geräumt. Doch mit der Zeit muss Sunsuke daran zweifeln, ob es nicht andere
Motive für den Mord gebeben hat.
Kritik: "The Lakeside Murder Case" ist ein Film, der von seiner dichten, manchmal etwas verträumten, aber auch realitätsnah detailfreudigen
Atmosphäre lebt. Der Thriller spielt die meiste Zeit in einer Hütte, die komplett mit Holz verkleidet ist und an einem nebelverhangenen See liegt.
Die ganze Stimmung erinnert deshalb oft an "Twin Peaks", von dem fehlenden schrägen Humor abgesehen. Das gibt der Mordgeschichte etwas Besonderes,
genauso wie der Umstand, dass wir anfangs etwas verwundert darüber sind, dass es gar keine Frage in Hinblick auf die Täterschaft gibt. Täter und Motiv
sind sofort gefunden und so wird der Fokus auf das Verschwindenlassen der Leiche gelegt. Erst nach und nach zeigt sich, dass doch nicht alles so
einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Was den dialoglastigen Film aber ebenfalls sehr speziell macht, ist, dass er in seinem Zentrum
ganz andere Fragen behandelt. Die Notwendigkeit einer Eliteausbildung und die Mühen, die Eltern dafür aufnehmen, um den Kindern eine Schulbildung
zu ermöglichen, die ihnen in einer von Leistungsdruck geprägten Gesellschaft gute Karten gibt, nicht auf dem Abstellgleis zu enden, rücken mit den
dazugehörigen Nachteilen immer mehr in den Vordergrund und machen den Thriller damit auch zu einem gesellschaftskritischen Drama.
Wer sich nicht schon ein wenig mit der japanischen Kultur und Denkweise auseinandergesetzt hat, wird es aber vielleicht etwas befremdlich finden,
welche Mühen die Eltern auf sich nehmen, nur um ihr Kind in "guten Händen" zu wissen. Tatsächlich ist Sunsuke der Einzige im Film, der daran glaubt,
dass die Kinder Kinder sein sollten und durchaus das Recht haben, selbst darüber zu bestimmen, was sie in ihrem Leben machen wollen. Er sieht es nicht
ein, sich in eine Gesellschaft zu fügen, in der alle verbissen darum kämpfen, besser als die anderen zu werden, um nicht derjenige zu sein, der am Ende
als Verlierer am Boden liegt. Sunsuke verweigert sich diesem System und das wird auch sofort offensichtlich, als er das erste Mal den Raum mit den
anderen Eltern teilt. Alleine seine etwas legerere Kleidung hebt ihn wie einen Fremdkörper vom Rest ab. Sein wildes Haar und der Umstand, dass er sich
überhaupt nicht über die Schule informiert hat, weil er nicht glaubt, dass die Insitution gut für seine Tochter ist, machen ihn aber nicht gleich zu
einem sympathischen Charakter, dafür zeigt er zuerst zu viele Schattenseiten. Seine Trauer über den Tod seiner Geliebten hält sich merkwürdigerweise
ebenfalls stark in Grenzen.
Sunsuke scheint ein notorischer Fremdgeher zu sein, seine Stieftochter liebt er aber über alles. Man kann nicht umhin, zu vermuten, dass er alleine daran
schuld ist, dass seine Familie auseinandergebrochen ist. Wenn er aber vom Mord erfährt, ist er der Einzige, der ein Gewissen zeigt, und sofort die
Polizei alarmieren will. Auch später ist er immer wieder derjenige, der die moralisch richtigen Fragen stellt, während die anderen Familien offensichtlich
einfach die Augen vor unangenehmen Wahrheiten verschließen und nicht aus dem Raster der fürsorglichen japanischen Familie fallen wollen, die alles
für ihre Kinder tut, aber ihnen damit ihre Kindheit zerstört. Die Eltern kennen es schließlich auch nicht anders, denn sie wurden ebenfalls so erzogen.
Mit der Zeit zentriert sich der Film immer mehr auf dieses Thema und bringt noch andere
Aspekte ein, die an dieser Stelle nicht verraten werden sollen, um so wenig wie möglich von den zahlreichen Wendungen preiszugeben. Letztendlich
macht aber gerade das "The Lakeside Murder Case" so vielschichtig und auch tiefgründig.
Die Geschichte von "The Lakeside Murder Case" ist außerordentlich gut geschrieben und bietet viele gelungene Wendungen und Hinweise, die es dem Zuschauer
ermöglichen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Das sollte auch nicht verwundern, basiert der Film doch auf einem Roman von Keigo Higashino. Es muss
allerdings angemerkt werden, dass man nicht alle Antworten auf dem Präsentierteller bekommt. Einige Fragen bleiben auch schlichtweg unbeantwortet, doch
wirkt sich das keineswegs negativ aus. Im Gegenteil, es macht klar, welche Fragen tatsächlich wichtig sind und für welche jeder seine eigene
Antwort finden sollte. Ein offenes Ende kann manchmal recht frustrierend sein, doch in "The Lakeside Murder Case" darf das Ende nur genau so und nicht anders
ausfallen, sonst wäre es alles andere als zufriedenstellend. Dabei zeigt auch der Schluss, dass der Thriller die gesamte Zeit über zwischen
Lichtblick und Hoffnungslosigkeit schwankt, eine Mischung, die ausnahmsweise wunderbar aufgeht.
Regisseur Shinji Aoyama ist für seinen Cannes-prämierten "Eureka" bekannt und schafft es auch hier, seine Expertise unter Beweis zu stellen. In ruhigen
Bildern und mit vielen Dialogen schafft er eine subtile Spannung, die mit Sehgewohnheiten bricht. So bekommen wir zwar nicht den Mord zu sehen, aber
wie die Leiche aus dem Weg geschafft wird in all seinen Details. Der Mord ist von Anfang an geklärt, nur um dann erneut aufgerollt zu werden. Technisch
fängt Shinji seinen Film hervorragend ein, gerade einige Aufnahmen aus der Vogelperspektive geben dem Film eine unterschwellige Dynamik. Unterstützt
wird der Regisseur dabei von Koji Yakusho ("Shall we Dance", "Cure"), der erneut seinen ganz eigenen Charme spielen lässt und einen komplexen Charakter,
der in anderen Händen etwas uneins gewirkt hätte, perfekt verkaufen kann. Auch die anderen Darsteller überzeugen und das müssen sie auch, ist der Film
doch hauptsächlich wie ein Kammerspiel aufgebaut. "The Lakeside Murder Case" ist damit ein sehr schöner Thriller, der ein paar kleinere Längen aufweist, aber
durch seine wunderbare Atmosphäre und gute Geschichte besticht.