Story: Kei (Simon Yam) sowie seine drei Freunde Bo (Gordon Lam), Sak (Law Wing-cheong) und Mac (Kenneth Cheung)
sind Taschendiebe, denen niemand etwas auf ihrem Gebiet vormacht. Eines Tages erzählt Kei von einem Spatz, der in seine
Wohnung geflogen ist. Für die anderen ist ganz klar, dass es sich dabei um ein schlechtes Omen handeln muss, und das soll
sich schon bald als wahr herausstellen. Kei trifft nämlich die schöne Chung Chun-lei (Kelly Lin), die von jemandem verfolgt
zu werden scheint. Mit ihrer geheimnisvollen und verführerischen Art hat sie schon bald Kei erobert. Dieser ist jedoch
nicht der einzige, den Chung versucht für sich zu gewinnen. Auch Keis Freunde werden von ihr aufgesucht. Chung
sucht nämlich Schutz vor dem Untergrundboss Fu (Lo Hoi-Pang), der sie nicht zurück nach Hause aufs Festland gehen lassen will.
Diese Gründe für Keis Verhalten erfahren die vier Taschendiebe allerdings erst, nachdem sie von Fu schon auf
schmerzhafte Weise mit auf den Weg bekommen haben, dass sie sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen sollten.
Doch obwohl den vier nun bewusst ist, dass sie von Chung manipuliert wurden, sind sie bereit, es mit Fu aufzunehmen.
Denn ihre Ehre als Taschendiebe wurde verletzt...
Kritik: Johnnie To erfüllt sich mit "Sparrow" einen kleinen Traum, denn seit drei Jahren arbeitete er immer wieder
mit Unterbrechungen an diesem Film, der für ihn etwas Besonderes sein sollte. Kann er das aber auch für den Zuschauer sein?
Die Antwort ist ernüchternd: Nein. Ich selbst sehe mich als einen großen Johnnie To-Fan, und auch wenn mir seine
atmosphärischen Gangsterfilme am besten gefallen, dann doch aber bestimmt nicht nur wegen ihrer "coolen Schießereien", sondern
der Perfektion der Bildsprache und -komposition. Tos latenter, aber alles durchdringender Zynismus, seine Fähigkeiten
als Film-noir-Regisseur und seine oftmals tiefgründigen Themen suchen in dieser Mischung einfach ihresgleichen. Kurz
und gut: Johnnie To ist die Nummer 1 in Hong Kong. Allerdings immunisiert ihn das nicht, auch mal Fehler
zu machen. "Sparrow" ist ein Film, der nicht wegen des Umstandes, dass es sich um ein Liebesdrama - zumindest im
allerweitesten Sinne - handelt, starke Abzüge bekommt, denn auch auf diesem Gebiet hat sich To schon profilieren können,
sondern wegen des Fakts, dass hier eindeutig Stil über Substanz siegt.
Johnnie To hat in seinen Werken immer etwas zu sagen. Oft geht es um Karma, Bruderschaft, Triaden oder die Medien. In
"Sparrow" geht es aber eigentlich um nichts. Das macht den Film eben auch so frustrierend. Klar, manchmal will
man auch einfach nur gut unterhalten werden, aber bei To erwarten wir doch etwas mehr. Außerdem kann "Sparrow"
mit seiner verspielten und abstrakten Art auch oft einfach nur befremdlich sein. Natürlich kann man Tos Handschrift
hier und da ganz eindeutig wiedererkennen, aber alles in allem ist dies einfach die Light-Version von einem echten
To-Film. Dafür hat To also fast drei Jahre gebraucht? Wäre da nicht seine Finesse im Umgang mit den Bildern und den
wie immer großartigen Milkyway-Darstellern, wäre "Sparrow" wohl noch ein Stück langweiliger geworden. Aber obwohl
der Film mit seiner Laufzeit von gerade einmal 86 Minuten ziemlich kurz ausgefallen ist, gibt es ab und zu dennoch
einige unnötige Längen, die vor allem daher rühren, dass der Film keine Botschaft hat.
Der Spatz, der in Keis Wohnung fliegt, hat natürlich eine metaphorische Bedeutung. Chung verkörpert nämlich diesen
Vogel, der plötzlich in das Leben der Protagonisten geflogen kommt und alles durcheinanderbringt. Sie hat
dabei etwas Rätselhaftes und Anziehendes an sich, das nicht leicht zu beschreiben ist. Sie ist wie die Jungfrau in
Not, der man gerne bereit ist zu helfen und dabei sogar ernste Opfer gibt. Sie verzaubert dabei auf sehr
berechnende Art die Taschendiebe, jeden auf die Art, wie es ihn am ehesten anspricht. Kelly Lin kann dabei durchaus
überzeugen und mit ihrem kühlen Charme, der allerdings auch eine gute Portion Verletzlichkeit durchscheinen lässt, die
Männer um den Finger wickeln.
Johnnie To schafft es in seinen leicht erotischen Bildern eine ganz eigene abstrakte Welt zu kreieren, die sich nicht
an gewisse Filmregeln klammert. Das zeigt sich z.B. auch in der Szene, in der Kei von Chung im Auto abgeholt wird und
sich wie ein dummer, zum ersten Mal verliebter, Junge von Chung verführen lässt.
Es sind genau solche Szenen, die in ihrer eigenen künstlerischen und künstlichen Welt wirken, welche "Sparrow" oft an
einen französischen Kunstfilm erinnern lassen. Dazu trägt auch der jazz-artige und verspielte Soundtrack
bei, der eine gewisse Unbefangenheit in den Film bringt. Aber wo ist Tos Gewitztheit in Bezug auf die Story und
Wendungen? Was bleibt am Ende, nach Abzug der visuellen Leistungen übrig? Nichts.
Dass man "Sparrow" nicht in unserer Welt ansiedeln kann, sieht man schon allein an dem Fakt, dass die Diebe Rasierklingen
in ihrem Mund verstecken, mit denen sie die Taschen ihrer Opfer aufschneiden. Alles im Film wirkt auf seiner ganz
eigenen Bühne, so ist Fu natürlich auch einmal ein gerissener Taschendieb gewesen, mit dem es sich in einem Showdown
zu messen gilt. Das kommt zu unerwartet und ist einfach unglaubwürdig. Der "Taschendieb-Kampf" im Regen ist dabei
wirklich sehr schön anzuschauen, zeigt aber einmal mehr, wie konstruiert hier alles ist.
Die ironischen Johnnie To-Momente sind aber nach wie vor zu finden. Da wäre Fus emotionaler "Ausbruch" am Ende oder die Aufzugsszene, in der zwei "verfeindete" Parteien mit einer dritten auf engem Raum zusammentreffen. Erinnerungen an Tos Stärken werden geweckt, mehr ist aber nicht möglich. Die Spannung, die in Tos Thrillern alleine durch die Stimmung und Atmosphäre erzeugt wird, erscheint hier einfach nur leer. Sicher hat hier niemand ein zweites "Exiled" erwartet, aber auch wenn "Sparrow" seine ganz eigene Atmosphäre bieten kann, so arbeitet der Regisseur gerade für einen "Liebesfilm" zu sehr an der Oberfläche. Wir wissen zu wenig über die Charaktere sowie ihre Hintergründe und eigentlich mag uns nichts wirklich an ihnen faszinieren. "Sparrow" ist damit nichts weiter als ein unbedeutender Rausch der Bilder, der manchmal recht unterhaltsam sein kann, aber nicht im Ansatz das ist, was sich Johnnie To wahrscheinlich vorgenommen hat. Zu viel Form, zu wenig Inhalt.