Story: Onuki (Koji Yakusho) hatte sich vor vielen Jahren ein kleines Geschäft aufgebaut. Seine verbissene und
zielstrebige Art, bei der er seine Mitmenschen völlig außer acht lässt, hat ihm schließlich ein riesiges Imperium
eingebracht. Doch eines Tages bricht er bei einer Sitzung zusammen und sitzt seitdem in einer Nervenheilanstalt.
Dort tummeln sich allerlei merkwürdige Gestalten, die bald schon Onuki nicht leiden können, der mit seiner gemeinen
Art vor allen Dingen bezweckt, dass ihm niemand zu nahe kommt. Allerdings setzt sich irgendwann das kleine Mädchen
Paco (Ayaka Wilson) zu ihm und er liest ihr aus einem Märchenbuch vor. Am nächsten Tag kann sich Paco jedoch nicht
an Onuki erinnern und zeigt ihm ein Feuerzeug, das dieser schon vermisst hat. Wütend darüber, dass Paco ihm anscheinend
einen Streich spielt und ihm sein wertvolles Feuerzeug gestohlen hat, schlägt er das kleine Mädchen. Doch am nächsten
Tag kann sich Paco wieder nicht an ihn erinnern und setzt sich erneut zu ihm. Onuki erfährt, dass das Mädchen seit einem
Autounfall, bei dem ihre Eltern umkamen, neue Erinnerungen nur für einen Tag aufnehmen kann und dann wieder vergisst.
Onuki beginnt das erste Mal in seinem Leben Schuldgefühle zu haben und liest Paco nun jeden Tag aus dem Buch vor,
in der Hoffnung, dass sie ihn irgendwann nicht mehr vergisst...
Kritik: Tetsuya Nakashima hat mit seiner bewegenden Tragikomödie "Memories of Matsuko" einen der besten und
beeindruckendsten Filme Japans geschaffen. Die Erwartungen an seinen nächsten Film waren dementsprechend hoch, aber
niemand erwartete wirklich, dass er mit "Paco and the Magical Picture Book" tatsächlich ein zweites Meisterwerk
abliefern können würde. Und das schafft er leider auch wirklich nicht. Um genau zu sein, hat sein neuester Film mit
erstaunlich vielen Fehlern zu kämpfen, die alle darauf hinauslaufen, dass er von allem etwas zu viel in seinen Film
implementiert hat. Seien es die Farben, die etwas zu abgedrehten Charaktere, das zuweilen hektische Tempo etc. Dennoch
schafft es sein bonbonbuntes Märchen zu bewegen und zu Tränen zu rühren. Das liegt einfach an der kindlichen Reinheit
und Naivität, die seinen Film durchzieht und an dem wohlwissend gut platzierten Kitsch mit dem er beim Zuschauer
genau die richtigen Saiten anschlagen kann.
Farbenfrohe Bilder bekommen dank Nakashima eine ganz neue Bedeutung. Die grellen Farben und bunten Sets entführen einen
sofort in eine Märchenwelt, in der alles möglich zu sein scheint. Der Grad an Detailfülle ist dabei wieder einmal
erstaunlich. Die Bilder sind stellenweise so überladen von Details, dass man gar nicht genau weiß, wo man hinschauen
soll. Wieviel Mühe in der Setgestaltung gesteckt haben muss, wird sofort ersichtlich und so bleibt einem nichts anderes übrig
als wie ein kleines Kind, das ins Schlaraffenland tritt, mit offenem Mund vor dem Bildschirm zu sitzen. Der wunderschöne Garten
mit dem kleinen Teich und den bunten Blumenfeldern bleibt dabei besonders stark in Erinnerung, genauso wie die gotisch
anmutenden Institutsfenster, durch die in verschiedener Intensität und Farbe Licht in die Innenräume fällt. Tetsuya Nakashimas
Sinn für Farben und Licht ist einfach erstaunlich, seine Bilder wirken oft so, als wenn jedes von ihnen einer Illustration
in einem Märchenbuch entnommen worden wäre und seine Bildkompositionen sind im gesamten einfach atemberaubend.
Unglücklicherweise übertreibt es der Regisseur allerdings mit den Charakteren, die alle eine Spur zu abgedreht sind.
Die erste halbe Stunde ist eine Einführung, in der uns die verschiedenen Persönlichkeiten vorgestellt werden, dabei
vermisst man noch die eigentliche Geschichte und eine Bezugsperson, die uns in den Film finden lässt. Überdies springen
und rennen die Charaktere in dermaßen schnellem Tempo über den Bildschirm, dass man glaubt sich in einem Musikvideo
zu befinden. Das kennen wir zwar alles schon von Nakashima, aber hier treibt er es wirklich auf die Spitze und ein bisschen
zu weit. Dass die Institutsinsassen manchmal ins Bild springen und direkt in die Kamera sprechen, damit ist eigentlich
vor allem Horigome gemeint, stört auch eher, als dass es lustig ist. Warum genau der Arzt eine Persönlichkeit haben
muss, als wenn er selbst einer der Insassen wäre, bleibt ebenfalls fragwürdig. Niemand in diesem Irrenhaus ist normal,
aber komischerweise wirkt kaum eine der abgedrehten Szenen wirklich lustig. Man ist sich aber auch nicht sicher, ob hier
überhaupt etwas lustig sein soll oder nur eine bestimmte Atmosphäre aufgebaut werden sollte. In jedem Fall kann Nakashima
das aber besser als hier.
Die Momente, in denen das Tempo von "Paco and the Magical Picture Book" wieder auf ein erträgliches Maß zurückgehen, sind
auch jene, die besonders gut funktionieren. Onukis Charakter bekommt endlich Ecken und Kanten, aber auch die restlichen
Charaktere bekommen alle ihre kleine Hintergrundgeschichte, die schön in den Film eingearbeitet wurde und uns mit jedem
der Personen mitleiden lässt. Koji Yakusho ("Shall we Dance?", "University of Laughs" und "Kairo") ist als alter, gemeiner
Greis kaum wiederzuerkennen und gibt eine wirklich tolle Darstellung ab. In den Nebenrollen glänzen Anna Tsuchiya ("Kamikaze
Girls") als gewalttätige Gothik-Krankenschwester sowie Satoshi Tsumabuki, Sadao Abe und Ryo Kase, alles ernstzunehmende
Schauspieler, die sich für Regisseur Tetsuya Nakashima nicht zu fein sind in die unmöglichsten Kostüme zu schlüpfen, besonders
Model Eiko Koike beweist hierbei als blutsaugende Krankenschwester Mut zur Hässlichkeit.
Ayaka Wilson mimt das kleine Mädchen Paco und gibt ihr dabei eine zurückhaltend süße Art, die sie einen sofort ins Herz
schließen lässt. Die Entwicklung des fiesen Onuki, der von niemandem in Erinnerung behalten werden will, zum lieben Onkel,
der im gemeinen Froschprinz des Märchens seinen tierischen Zwillingsbruder findet und alles daran setzt, dass Paco ihn
in ihrem Herzen behält, ist sehr bewegend und glaubwürdig inszeniert.
Bei der märchenhaften Geschichte lässt es sich der Regisseur auch nicht nehmen anhand von CGI-Effekten den Frosch und
andere Märchenfiguren, ja ganze Teile des Märchens zum Leben zu erwecken und mit der realen Welt interagieren zu lassen.
Die Grenzen zwischen Fantasie, Imagination und Wirklichkeit verwischen für die Charaktere und geben Raum für ein ganz
eigenes Märchen, das "Paco and the Magical Picture Book" am Schluss eben darstellt. Die verträumten Bilder scheinen
dabei der Vorstellung eines reinen Kinderherzens zu entspringen und das ist es auch, was die emotionalen Momente
so ehrlich und mitnehmend macht. Nakashima lässt die kindliche Unschuld über die grausame und egoistische Welt der
Erwachsenen triumphieren sowie den Zuschauer dabei selbst in einem Gefühl der kindlichen Reinheit baden, was einen
zu Tränen rühren kann. Vergessen sind die Fehler des Films, die überdrehten und zum Teil unpassenden Momente, was bleibt
ist dieses Gefühl der seelischen Reinigung.
Das mag sich jetzt alles vielleicht etwas zu spirituell anhören, aber wer den Film sieht, wird wissen was damit gemeint
ist, ohne darüber nachdenken zu müssen. Nakashima verbaut guten Kitsch (ja, den gibt es auch), verzichtet aber nicht darauf
auch einen der Charaktere sterben zu lassen oder mit dem Ende des Films ein bisschen zu spielen. Irgendwo scheint manchmal
ein kleines Augenzwinkern durch, aber der ehrlichen, warmherzigen Natur des Films schadet das nicht. Übrigens weiß der
Regisseur auch wieder hervorragend die Musik zu seinem Vorteil zu nutzen und verzaubert somit nicht nur mit seinen
fantastischen Bildern.
"Paco and the Magical Picture Book" ist oft zu schnell und abgedreht, leider nicht so lustig, wie er es hätte sein
können, aber das alles macht nichts. Dem Film eine schlechtere Wertung zu geben, vor allem wenn man ihn mit
"Memories of Matsuko" vergleicht, wäre das naheliegendste, aber manchmal muss man auch auf sein Herz anstatt auf seinen
Verstand hören und dieses sagt mir, dass "Paco and the Magical Picture Book" eine bezaubernde Märchenachterbahnfahrt ist,
bei der man sich am Ende, wenn man sich die Tränen aus den Augen gewischt hat, wieder wie ein Kind fühlt! Danke
Tetsuya Nakashima!