Story: Wu Tao (Eric Tsang) ist Taxifahrer in Chongqing und fährt eines Tages sein Auto in den Yangtze Fluss. Ebenfalls im Wagen war das
Karaokebar-Mädchen Su Dan (Karen Mok), die einen komplizierten Beinbruch erleidet. Sie wird im Krankenhaus behandelt, doch Wu Tao konnte nicht
gefunden werden. Wu Taos Frau Li (Jiang Wenli) kann die medizinische Versorgung für Su Dan nicht bezahlen, die sie ihr leisten müsste, da ihr Mann
den Unfall verursacht hat, bietet ihr aber an, bei ihr und ihrem Sohn Xiao-Chuan (Tan Jianci) zu wohnen, damit sie sich um sie kümmern kann.
Li hat zwei Jobs, um irgendwie über die Runden zu kommen und muss nun mit dem Tod ihres Mannes umgehen lernen. Xiao-Chuan will dagegen eine ganze
Weile lang nicht wahrhaben, dass sein Vater tot ist. Er braucht einen Leichnam als Beweis. Außerdem interessiert es ihn, wie es zu dem Unfall gekommen
ist. Er findet überdies heraus, dass zwischen dem Zeitpunkt, als sein Vater Su Dan im Taxi aufgenommen hat und der Wagen in den Fluss gestürzt ist,
eine ganze Stunde liegt. Was ist in dieser Zeit passiert? Su Dan will davon nicht erzählen...
Kritik: "Lost, Indulgence" hat einige ungewollte Promotion bekommen, da sein Starttermin zweimal verschoben wurde. Die chinesische Zensurbehörde
hatte einige Probleme mit dem Film, aber in dem nun vorliegenden Werk ist nur noch schwer ersichtlich, warum das gewesen sein mag. Hat Regisseur
Zhang Yibai ("Curiosity Kills the Cat", "About Love") seinen Film entsprechend gekürzt und zurechtgeschnitten oder handelte es sich bei dem Vorgehen
der chinesischen Regierung lediglich um Willkür? Diese Frage wird wohl genauso unbeantwortet bleiben, wie die im Vordergrund des Films stehende Frage.
Das ist auch das größte Manko von "Lost, Indulgence", da das Ende für viele etwas frustrierend sein mag und den Film im Gesamten tatsächlich sogar
abwertet. Obwohl es genügend Dramen gibt, die hervorragend mit einem offenen Ende funktionieren, ist das hier nicht der Fall. Davon abgesehen, kann
Zhangs Geschichte den Zuschauer aber auf subtile Art in seinen Bann ziehen. Das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf den Charakteren und diese sind
interessant genug, um den Verhältnissen zwischen den Personen eine gewisse Dynamik zu geben.
Regisseur Zhang Yibai vermag es, in seinen Filmen eine eigene kleine Welt zu errichten, die den Zuschauer mit der Zeit langsam für sich gewinnt. Die
Geschichte selbst entfaltet sich sehr langsam und der Film zeigt einige Momente auf, in denen das langsame Tempo leicht ein paar Hänger hätte
verursachen können. Da allerdings die Charaktere immer das Geschehen dominieren, bleibt das Drama durchgehend interessant und die Geschichte weiß
eine gewisse Undurschaubarkeit aufrechtzuerhalten. Als wenn über allem ein dichter Nebel liegen würde. Dieser Nebel hüllt vor allem die Charaktere
ein. Jeder von ihnen scheint mehr zu sein, als er von sich preisgeben mag. Vor allem die Frage nach dem Wie und Warum des Autounfalls beschäftigt
den Sohn, der zu Lebzeiten seines Vaters wohl kein besonders gutes Verhältnis zu diesem gehabt hat, aber nach dessen Unfall diesen immer noch nicht aufgeben
mag, obwohl so gut wie sicher ist, dass er tot ist. Das Lied, das sein Vater während seines Unfalls gehört hat, wird sogar zu seinem neuen Lieblingssong,
zu dem er in einer Szene sogar in Ekstase tanzt.
Noch auffälliger ist aber, warum die Mutter nicht ebenfalls danach forschen will, wie ihr Mann genau ums Leben gekommen ist. Fürchtet sie sich vor
der Antwort? Und warum will Su Dan nicht erzählen, was sie weiß? Warum hüllt sie sich in Schweigen und facht damit die Vorstellungskraft von
Xiao-Chuan umso mehr an? Fest steht, dass Mutter und Sohn jeder für sich versucht, mit dem Tod Wu Taos umzugehen. Dazu kommt noch, dass Su Dan
vorübergehend Teil der kleinen Familie wird und die Mutter Angst davor hat, dass sich ihr Sohn und Su Dan zu nahe kommen. Eine berechtige Angst, denn
obwohl Xiao-Chuan anfangs sogar Hass auf die Frau verspürt, wandelt sich dieser immer mehr in Interesse für sie, wenn auch auf subtile Art.
Verwunderlich ist das jedoch nicht, da wir im Film viel von Karen Moks Beinen zu sehen bekommen und das eine gewisse alles durchziehende Erotik
schafft. Eine wirklich Annäherung zwischen den Charakteren scheint aber schwierig, da jeden von ihnen ein inneres Hindernis davon abhält irgendeine
Form der Beziehung einzugehen.
Wie entfernt die einzelnen Individuen voneinander sind, zeigt sich auch in einer offensichtlichen Allegorie. Die Familie lebt nämlich an einer Brücke,
die nicht fertiggestellt ist. An beiden Ufern ragen Stahlstrukturen über den Fluss und gehen aufeinander zu, doch eine große Lücke bleibt den
ganzen Film über zwischen ihnen bestehen. Niemand scheint mehr an dieser Brücke zu arbeiten. Selbst die Beziehung der Mutter zu einem jüngeren Mann,
gespielt von Eason Chan, die sich andeutet, verharrt irgendwo mitten des Weges. Vielleicht liegt es daran, dass das Bild ihres Mannes in der
Wohnung wie ein alles überwachendes Auge thront? Auf jeden Fall ist jeder der Personen von einer Leere durchzogen, die vielleicht nicht nur durch den
Verlust des Familienoberhauptes entstanden ist. Diese Leere zu füllen oder die Wunden zu regenieren, die der Verlust mit sich gebracht hat, steht
im Zentrum des Films und jeder der Personen hat eine andere Methode dieses Ziel zu erreichen.
"Lost, Indulgence" ist ein Arthouse-Film, der auch das breite Publikum anzusprechen vermag, sofern dieses willens ist, sich auf ein etwas langsameres
Tempo einzulassen und die Subtilität des Films zu schätzen weiß. Die Bilder sind gelungen und erzeugen eine dichte, leicht melancholische
Atmosphäre, die jedoch nicht erdrückend ist. Die Darsteller können durch die Bank gelungene Porträts verletzter Individuen abgeben und die wenigen
Dialoge können durch subtiles Schauspiel mehr Inhalt bekommen. Wäre das Ende nicht so unzufriedenstellend, auch wegen eines plötzlich einsetzenden
Soundtracks, der überhaupt nicht zum Ton des Films passen mag und damit mehr zerstört, als man es für möglich gehalten hätte, könnte man mehr Gefallen
an den Charakterexplorationen finden. "Lost, Indulgence" kann berühren, lässt aber letzten Endes den Feinschliff vermissen, der ihn zu einem wirklich
guten und vor allem zufriedenstellenden Drama gemacht hätte. Schade, denn einen Blick ist der Film eigentlich durchaus wert.