Story: Siu Wais (Cecila Cheung) Verlobter, der Minibusfahrer Ah Man (Louis Koo), stirbt bei einem Verkehrsunfall.
Er hinterlässt einen 5-jährigen Sohn aus seiner ersten Ehe. Siu Wai kommt mit dem Verlust nicht zurecht und ist am
Boden zerstört. Nichtsdestotrotz beschließt sie den Minibus ihres Mannes wieder reparieren zu lassen und fortan
selbst zu fahren. Neben ihrer Arbeit will sie auch noch Mans Sohn aufziehen. Doch das stellt sich alles als gar nicht
so einfach heraus. Ihre Fahrkünste lassen zu wünschen übrig, die Fahrgäste sind auch nicht die freundlichsten Gesellen
und sie steht mit der Miete im Rückstand. Ihren "Sohn" muss sie außerdem öfters alleine zu Hause lassen. Doch je mehr ihre
Eltern und ihre Schwester ihr sagen, dass sie das alleine nicht schaffen kann, desto sturer wird sie.
Als Siu Wai kurz davor ist ihren Verstand zu verlieren, tritt Dai Fai (Lau Ching-Wan) in ihr Leben, ein Kollege ihres
Mannes, der am Unfallort Ah Mans anwesend war und in dessen letzten Sekunden diesem zur Seite stand. Er hilft ihr im
Haushalt, weist sie im Bus fahren ein und kümmert sich liebevoll um den 5-jährigen Lok Lok (Daichi Harashima).
Doch aus welchem Grund ist er so hilfsbereit? Er scheint jedenfalls keine romantische Beziehung mit Siu Wai eingehen
zu wollen. Dai Fai hat seine eigene Vergangenheit zu bewältigen und Siu Wai ist ihm anfangs einfach nur dankbar für seine
Hilfe. Aber auch wenn es die Beiden nicht wollen, scheint ihre Beziehung mit der Zeit tiefer zu gehen. Doch die Zwei
leben noch zu sehr in der Vergangenheit...
Kritik: "Lost in Time" ist ein hoffnungsvoller Funke am Horizont des Hong Kong Kinos und zeigt uns, dass die
Filmindustrie der ehemaligen britischen Kronkolonie tatsächlich noch anspruchsvolle und intensive Dramen schaffen
kann, ohne jede Rolle mit Popsängern besetzen zu müssen, die den Film ins Lächerliche ziehen.
Derek Yee schafft hier ein Werk, das ich wegen seiner Ernsthaftigkeit und großartigen Charakterzeichnung vielleicht
aus Korea erwartet hätte, aber bestimmt nicht aus Hong Kong, vor allem wenn eine der Hauptrollen mit Cecilia Cheung
besetzt ist. Ich war also vollkommen überrascht als ich dieses kleine Meisterwerk zu sehen bekam. "Lost in Time" ist
so lebensnah, dass man sich sofort in dem Film verliert und die großartige Besetzung gibt eine grandiose Vorstellung ab.
Das schließt nicht nur Lau Ching-Wan (von dem wir ja mittlerweile eh nichts Geringeres erwarten), sondern eben auch
Cecilia Cheung ein!
Derek Yee ("One Night in Mongkok") erzählt eine ergreifende Geschichte über Liebe, Verlust, Trauer und die Kraft sich
von der Vergangenheit zu lösen. Warum der Film so gut funktioniert ist ganz einfach. Yee hält sich an keine bestehenden
Regeln, vermeidet somit Klischees und hat zwei sehr gut ausgearbeitete Charaktere im Vordergrund, die wie aus dem wahren
Leben gerissen scheinen. Sie tragen den Film vollkommen natürlich voran und man hat niemals das Gefühl, dass das
Drehbuch irgendwas erzwingen würde. Nichts von dem was sie tun wird jemals in Frage gestellt, da es einfach natürlich
wirkt. Besonders die etlichen kleinen Fehler der Charaktere machen den Film so glaubhaft. Siu Wais unwahrscheinliche
Sturheit, mit der sie glaubt alles im Leben schaffen zu können, selbst als alles um sie herum auseinanderbricht, macht
sie nämlich sehr menschlich.
Auch Dai Fais Person ist sehr gut ausgearbeitet. Bei ihm wird der Zuschauer allerdings einige
Zeit im Dunkeln darüber gelassen, warum er so zuvorkommend gegenüber Siu Wai ist. Doch wer aufmerksam ist, kann sich
noch vor der Auflösung selbst einiges zusammenreimen, denn über den Film verstreut gibt es einige Hinweise über Fais
Vergangenheit.
In simplen Bildern und ohne viele Schnörkel erzählt uns der Regisseur seine Geschichte. Dabei stehen die Charaktere, aber
vor allem deren Emotionen im Vordergrund. Jeder lässt sich soviel Zeit wie er braucht um den nächsten Schritt zu gehen und das
Script erzwingt zum Glück nichts. So wirkt alles sehr real und menschlich. Natürlich bedeutet das auch, dass das Tempo
durchwegs langsam ist, aber das stört keineswegs, da wir schnell ein so enges Band zu den Protagonisten aufgebaut
haben, dass es keiner außergewöhnlichen Vorkommnisse bedarf um die Spannung aufrecht zu erhalten. Zur Abwechslung gibt
es aber durchaus auch ein paar schnellere Szenen, z.B. wenn Dai Fai mit dem Bus durch den Verkehr jagt und Siu Wai
zeigt worauf man achten muss. Man könnte glatt meinen in Hong Kong darf jeder fahren wie er will, solange nicht die
Polizei in der Nähe ist! Naja, hier in Deutschland ist das wohl nicht viel anders...
Ebenfalls positiv erwähnt werden muss der Soundtrack, der immer passend das Geschehen untermalt und gerade die
emotionaleren Augenblicke mit schönen Pianomotiven unterstreicht, ohne billig zu wirken.
Derek Yee schafft einige sehr starke und ausdrucksvolle Szenen, die den Film eben so besonders machen. Z.B. als Siu Wai
ihren "Adoptivsohn" in ein Waisenhaus bringen will, oder als Siu Wai endlich mit ihrem Vater, über den kleinen Lok Lok
als Vermittler ein Gespräch führt. Diese Szenen haben etwas Magisches an sich, trotz oder gerade wegen ihrer
Einfachheit der Darbringung. Eben das sind auch die Augenblicke, die den Film ins überzeichnet Melodramatische
hätten abdriften lassen können, wenn da nicht die großartigen Schauspieler gewesen wären.
Über Lau Ching-Wan irgendwelche
Worte zu verlieren ist ja eigentlich schon unnötig. Er würde selbst bei der Wettervorhersage als Blinder und Taubstummer
noch eine preisverdächtige Darstellung abgeben. Und so verwundert es auch nicht, dass er hier alles aus seiner Rolle
herrausholt. Anfangs etwas verschlossen und immer darum bemüht seine Emotionen zu verbergen, taut er langsam auf und
am Ende erfahren wir mit einer sehr glaubwürdigen Auflösung warum er eben so ist.
In solcher Gesellschaft und dank des hervorragenden Regisseurs blüht auch Cecilia Cheung so richtig auf. Sie
beeindruckt als unwahrscheinlich dickköpfige Frau, der alles über den Kopf wächst, die das aber nicht zugeben will
und versucht stärker zu sein als sie es in Wirklichkeit ist. Sie kommt bei weitem nicht so gut mit ihrem Leben zurecht
wie sie es allen weiß machen will. Cheung spielt mit ihrem Charakter etliche Facetten aus und zeigt dass sie wirklich
eine sehr gute Schauspielerin sein kann. Seit "Failan" ist das ja bekannt, nur leider scheint sie ansonsten
Pech mit ihren Rollen zu haben, denn sie ist wirklich zu mehr in der Lage, als das kleine Cantopop-Sternchen zu sein,
das nur gut aussehen soll. Hier zeigt sie wirklich was in ihr steckt und vor ihrer Leistung kann man sich nur
verneigen.
Außerdem stimmt einfach die Chemie zwischen Cheung und Lau. Ihre Gefühle füreinander und die Hindernisse, die ihnen im
Weg stehen um eine richtige Beziehung aufzubauen sind nur allzu menschlich und nachvollziehbar.
"Lost in Time" ist viel mehr ein Drama als eine Romanze und dennoch schafft es der Film nicht nur trübsinnig,
sondern auch herzerwärmend zu sein. Dank seiner tollen Darsteller und einem grandiosen Regisseur wird der Zuschauer
zu einem mitfühlendem Begleiter, der sich niemals durch Klischees oder überzeichnete Melodramatik betrogen
fühlt, sondern der eine Geschichte über echte und fast schon greifbare Gefühle erzählt bekommt. Nur schade, dass man
in Hong Kong wohl immer noch nicht weiß, wie man einen Film richtig beendet, denn man wird etwas zu plötzlich aus
dem Film herausgerissen.
"Lost in Time" ist eine klare Empfehlung und ein Hong Kong Highlight in der Rubrik Drama!