Story: Der Boss der Anjo-Gang ist beim Besuch einer Prostituierten zusammen mit dieser und einem Haufen Geld
verschwunden. Die rechte Hand des Boss, Kakihara (Tadanobu Asano), macht sich zusammen mit seiner Gang auf die Suche
nach dem Verbleib des Boss, trotz der Gerüchte, das dieser längst nicht mehr am Leben sei. Alles wird noch
schlimmer, als die Gruppe nach und nach dahingeschlachtet wird. Der Mann hinter all dem und dem Mord am Gangsterboss
ist der Killer Ichi (Nao Omori). Dieser ist, wenn auch auf eine andere Art, genauso ein Psychopath wie Kakihara. Ein
Duell zwischen den beiden scheint unausweichlich...
Kritik: "Ichi" ist in mehrfacher Hinsicht ein Film der Extreme. Entweder man liebt oder hasst ihn, dazwischen
gibt es nichts. Oft wird kritisiert, dass Takashi Miikes Werk nur ein brutaler Splatterfilm ohne Substanz sei. Dem kann
ich mich aber, wie einige andere Kritiker auch, keineswegs anschließen.
"Ichi" ist brutal. Nein, eigentlich ist der Film eine Superlative der Brutalität. Die Menge an Blut, Körperteilen und
Gedärmen, die einem im Minutentakt um die Ohren gehauen wird ist dabei nur das geringste Problem. Trotzdem ist es
unbedingt erforderlich einen guten Magen zu haben, sonst wird man gar nicht lange genug durchhalten können um den tieferen
Sinn des Films (ja, den gibt es tatsächlich!) zu erfassen.
Wirklich brutal ist allerdings der Anteil an sadistischen und masochistischen Szenen, von denen es einige gibt. Die
ausgefallenen Foltermethoden Kakiharas sind mindestens genauso schockierend, wie die sexuelle Gewalt.
Der Plot ist simpel gehalten und gibt genügend Freiraum für allerlei verquere Charaktere. Jede einzelne Person hat
seine eigene Geschichte zu erzählen und ergänzt alles zu einem großen Ganzen. Jeder Nebencharakter ist hervorragend
gezeichnet und glänzt auf seine eigene Art und Weise. Die Schauspieler geben ihr Übriges um den Film so gut
funktionieren zu lassen. Jeder nutzt seine Chance um beim Zuschauer einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Der
eigentlich gute Bodyguard Kaneko, die gute-Laune-machende Prostituierte Karen, der in die Jahre kommende Takayama
für den sein Gangsterdasein auch nicht mehr das Wahre darstellt, die abgedrehten korrupten Polizisten Jiro und Saburo
oder der alle Fäden in der Hand haltende Jijii, begeistern auf voller Linie.
Bei so vielen Personen, die alle ihre Eigenheiten haben, scheint es naheliegend, was uns Takashi Miike mit
dem Film liefern möchte: eine Charakterstudie. Das Hauptaugenmerk liegt laut Titel auf dem Killer Ichi. Dessen
unterdrückte, und von Jijii zu dessen Vorteil genutzten, krankhaft sexuellen Phantasien führen ihn immer wieder zu
grauenhaften Taten, die er eigentlich nicht begehen möchte. Jijii hat mit den ohnehin schon starken Psychosen und
krankhaften Trieben Ichis per Hypnose herumexperimentiert um aus diesem eine Killermaschine zu machen. Dadurch
wirkt Ichi trotz der Metzelei, die er anrichtet, bedauernswert. Gleichzeitig stört es uns aber meistens auch
gar nicht, wen er tötet. Den Falschen kann es in Miikes düster-nihilistischen Welt nämlich gar nicht erwischen!
Hier gibt es nämlich nur "schlechte" Menschen, die allesamt auf die eine oder andere Weise psychisch gestört sind. Die
Welt dieser Charaktere zu erforschen macht aber gerade "Ichi" so faszinierend.
Für einige mag es störend sein, keine Person zu haben, mit der man sich identifizieren kann, man sollte aber in der
Lage sein damit zurecht zu kommen.
Tadanobu Asano als Kakihara stiehlt allen, selbst Ichi, die Show. Seine Faszination für Schmerzen und SM
kommt auf grauenhaft gut dargestellte Weise rüber. So sucht er z.B. nur nach seinem Boss, weil er eine Art Liebesverhältnis
zu diesem hatte, denn nur dieser konnte ihm wirkliche Schmerzen bereiten.
Eigentlich ist Kakihara nur jemand, der auf der Suche nach seinem Platz in der Welt ist. Natürlich sind bei ihm so gut
wie alle Schrauben locker, die nur locker sein können, dennoch schafft es Tadanobu Asano beim Zuschauer so etwas
wie einen Funken Verständnis zu wecken.
Miike zeichnet eine düster-krankhafte Gangsterwelt, in der alles was passiert bedeutungslos zu sein scheint. Gerade
das ist, neben der Erforschung der einzelnen krankhaften Charaktere, aber genau Takashis Absicht. Seine
antagonistische Welt soll provozieren und wachrütteln. Welchen Sinn hat das alles? Gibt es überhaupt einen? Wer
vorschnell zu einem klaren "Nein" als Antwort kommt, wird wohl nicht sehr viel Gefallen an dem Film finden.
Neben Blut, sprudelt der Film auch voller schwarzem Humor und Zynismus über. Gerade dieser selbstkritische Humor
schwächt die sonst unerträgliche Gewalt auf ein gerade noch erträgliches Maß ab. Man kann "Ichi" ansehen, dass
er eigentlich auf einem japanischen Manga beruht. Der Film schafft es trotz aller ernsthafter Charakterstudie dem
Zuschauer immer mal wieder ein Augenzwinkern zuzuwerfen.
Visuell macht "Ichi" auch einiges her. Takashi Miikes Handschrift ist während der experimentellen Kamerafahrten
und netten Shots immer klar erkennbar. Er schafft es selbst mit einer verwackelten Handkamera den Film durchwegs
anspruchsvoll in Bewegung zu halten. Hier gibt es keinen Stillstand, sondern eine nicht enden wollende Achterbahnfahrt
der Gewalt. Selbst die ruhigeren Szenen und Dialoge haben Dynamik.
Daneben wissen aber auch die Effekte und das Make-Up zu überzeugen, was die Gewalt natürlich umso realistischer
macht.
Einziger Kritikpunkt, oder besser gesagt Streitpunkt bietet das Ende, das uns keinen wirklichen Höhepunkt bietet.
Vielmehr scheint uns dieser absichtlich verwehrt zu bleiben. Die letzten Bilder des Films lassen uns dann auch
erstmal verwirrt zurück. Erst bei genauerem Nachdenken und interpretieren kann sich einem dann ein sinnvolles
Ende offenbaren. Vielleicht war ein sinnvolles Ende aber auch nie Miikes Absicht!? Vorstellbar wäre es und so muss
jeder selbst entscheiden, was er aus dem Film für sich mitnimmt.
"Ichi The Killer" ist harte Kost. Eine Reise durch die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele, die desto
beunruhigender ist, als dass sie auch realistisch gezeichnet ist. Der Sadismus und die Gewalt, die man uns hier
zeigt, verstört und lässt nachdenklich werden.
Wer sich allerdings nicht in diese tiefere Ebene des Films begeben
kann oder möchte, dem bleibt zumindest eine blutige Splatterorgie, die man einfach gesehen haben muss,
wenn man es denn verkraften kann.
Auf jeden Fall wird der Film das Publikum in zwei Lager spalten. Die einen werden ihn gar nicht genug lobpreisen
können und die anderen werden nicht aufhören können ihn zu kritisieren. Es lohnt sich herauszufinden auf welcher
Seite man steht!