Story: Jin (Jo Odagiri) wacht eines Tages aus einem Traum auf, in welchem er einen Autounfall verursacht hat.
Doch Jin ist beunruhigt, da sich der Traum ungewöhnlich real angefühlt hat. Er geht zum Ort des Unfalls und muss
feststellen, dass er nicht nur geträumt hat. Allerdings ist nicht er der Verursacher des Unfalls gewesen, sondern
die Frau Ran (Lee Na-yeong), welche sich jedoch an nichts erinnern kann. Es stellt sich heraus, dass Ran schlafwandelt
und genau das macht, was Jin träumt. Das ist umso schlimmer, als dass Jin nicht seine Ex-Freundin (Zia) vergessen kann
und immer wieder diese in seinen Träumen aufsucht. Wenn Jin von dieser träumt, besucht Ran in der Realität aber ihren
Ex-Freund (Kim Tae-hyeon), den sie eigentlich verabscheut. Niemand will Jin und Ran von ihrer merkwürdigen Verbindung
glauben, außer einer Psychiaterin, die ihnen rät, sich ineinander zu verlieben, um dieses Problem zu lösen. Aber
für so etwas sind die beiden nicht bereit. Also beschließen sie aufeinander aufzupassen, dass der eine immer nur dann
schläft, wenn der andere wach bleibt. Allerdings erweist sich das als gar nicht so einfach...
Kritik: "Dream" ist ein Film, der zwischen oder besser gesagt jenseits der Grenzen von Traum und Realität
arbeitet. Wer das nicht akzeptieren kann oder sich unmöglich auf einen filmischen Rahmen einlassen kann, den man
böse umschrieben auch "künstlich" nennen könnte, der wird mit diesem Drama nur wenig Freude haben können und am Ende
wahrscheinlich
sogar mit einem Gefühl der Frustration dastehen. Aber genau so ist es doch immer mit Kim Ki-duks Filmen, oder?
Um es gleich vorweg zu nehmen, Kim ist nach seinem letzten enttäuschenden Werk "Breath" wieder auf dem
Weg, zu alter Form zu finden, allerdings gibt es immer noch viele Probleme in "Dream" zu entdecken, die einem schon in
seinen anderen Werken immer wieder ins Auge gesprungen sind. Da wäre zum einen das Implementieren von Symbolik und schwer
greifbaren Andeutungen, die welche sein könnten oder auch nicht. Der Zweifel des Zuschauers an der eigenen Intelligenz
lässt ihn natürlich nach einem Sinn hinter allem suchen, was auf dem Bildschirm zuerst keinen Sinn zu machen scheint,
aber handeln wir damit nicht blindlings nach dem Motto "im Zweifel für den Angeklagten"? Weiß Regisseur Kim denn
wirklich so genau, was er sagen will?
Manchmal ist es auch gar nicht nötig, Kims Filme zu verstehen. "3-Iron" und "Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und
Frühling" sind Filme, deren Vielschichtigkeit man erst nach mehrmaligen Anschauen zu schätzen lernt. Hier gibt es
tatsächlich vieles aus dem Film herauszulesen, aber auch wenn einem dies alles entgeht, so versteht man diese Filme
doch fast schon intuitiv mit dem Herzen. Dieses Kunststück schafft Kim in "Dream" nicht. Vieles fühlt sich deshalb
einfach surreal, falsch, unlogisch und nicht greifbar an. Das fängt schon damit an, dass die beiden Hauptcharaktere
nie auf die Idee kommen, jeweils entweder am Tag oder in der Nacht zu schlafen. Und wie hält man sich wach, wenn man
einfach nicht mehr kann und schlafen will, allerdings um jeden Preis wach bleiben muss? Richtig, wir zertrümmern uns
mit einem Hammer die Füße oder stechen uns Nadeln in den Kopf! Kim Ki-duk zeigt wieder einmal autoaggressives
Verhalten wie man es vielleicht von jemandem mit Borderline-Persönlichkeitsstörung erwarten würde, so dass hier
leider wieder unnötige Distanz zum Zuschauer aufgebaut wird. Das ist umso bedauerlicher, als dass der Regisseur
diesmal endlich die Charaktere etwas lebendiger und für den Zuschauer leichter zugänglich gestaltet hat.
Kim Ki-duk schafft es aber, sich auf faszinierend gerissen-intelligente Weise gegen jegliche
Form von Kritik auf dieser Ebene zu immunisieren, denn sein Film heißt schließlich "Dream"! Wie könnte man ihm da
vorwerfen, dass die Verhaltensweisen der Charaktere unrealistisch oder befremdlich sind? So sind Träume nun einmal, und
das ist auch der Schlüssel, um Kims Film zu verstehen, andernfalls wird man nämlich nichts weiter als Frustration
für sich mitnehmen können. Der ganze Film ist ein einziger Traum, in dem weitere Träume verschachtelt aufeinandertreffen
und einen Wirbel der Illusion und Desillusion erzeugen. Einen guten Beweis für den Traumcharakter des ganzen Films
stellt der Fakt dar, dass Jin, gespielt von Jo Odagiri, im ganzen Film Japanisch spricht, während jeder um ihn herum
Koreanisch spricht, und dennoch stellt die Kommunikation kein Problem dar! So etwas gibt es nur in Träumen. Außerdem
werden wir immer wieder an die Grenzen des Abstrakten und Irrealen herangeführt und sogar darüber hinaus. In einer
Szene, in der Jin, Ran und deren Ex-Freund/Ex-Freundin aufeinandertreffen, geraten diese in einen Streit und in einem
irrealen Wechsel tauschen Jin und Ran mit ihren Ex-Freunden die Rollen.
In der gleichen Szene ist auch etwas anderes Interessantes zu sehen. Bis zu diesem Punkt trug Ran nämlich überwiegend
weiße Kleidung, während Jin schwarz trug. Hier ist es nun umgekehrt. Weiß und schwarz sind die gleiche Farbe, wie uns
im Film mitgeteilt wird, und so gibt es auch hier genügend Stoff, der interpretiert werden darf. Doch Vorsicht wie
weit man dabei geht. So ist es auch möglich den ganzen Film sehr religiös zu verstehen und Jin als Jesus zu betrachten,
der für andere leidet, und wenn wir dann noch die Ursünde mit einbringen, dann... könnten wir auch einfach überinterpretieren.
Dennoch wird man durch den Surrealismus des Films immer wieder gezwungen, sich mit dem auseinander zu setzen, was auf dem
Bildschirm passiert. Kim Ki-duk findet dabei auch oft schöne Bilder und gerade die vielen Häuser, die alle in traditionellem
Stil mit den typisch koreanischen Giebeldächern gehalten sind, aber dennoch durch hochmoderne Eingabeschlösser gesichert
sind, stellen einen merkwürdigen Kontrast dar, wie es für einen Traum angemessen erscheint.
Glücklicherweise sind die Charaktere aber nicht wie bei Kim Ki-duk üblich stumm. Die Sprache und gerade die sehr guten
Leistungen von Lee Na-yeong ("Maundy Thursday", "Someone Special") und Jo Odagiri, der vom androgynen, abgedrehten
Anime-Bösewicht in "Azumi" über den tragischen Romeo in "Shinobi" bis zum leidenden Stempelhersteller hier anscheinend
alles spielen kann, können den Film emotional zugänglicher machen, als es bei den letzten Werken Kims der Fall war.
Kurz muss auch noch auf das Motiv des Schmetterlings eingegangen werden, das in "Dream" durchaus eine zentrale Rolle
hat. In der Traumdeutung nimmt der Schmetterling natürlich die Rolle der Verwandlung und Wiedergeburt an bzw. spirituell
gesehen bedeutet er die befreite Seele und Unsterblichkeit. Allerdings heißt der Film nicht umsonst "Dream" und so
kam mir eine Erzählung des chinesischen Philosophen Zhuangzi in Erinnerung, die mit Sicherheit auch Kim Ki-duk kennen
dürfte, weiß ich doch, dass sich auch die Koreaner mit den chinesischen Klassikern auseinandersetzen.
Zhuangzi schrieb: „Ich träumte, ich wäre ein Schmetterling. Jetzt bin ich aufgewacht und weiß nicht, ob ich ein Mensch
bin, der gerade geträumt hat, er sei ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der gerade träumt, dass er ein
Mensch ist.“ Und plötzlich macht der ganze Film in seinem eigenen surrealen Rahmen einen Sinn.
"Dream" ist keine leichte Kost und Kim Ki-duk ist nach wie vor zu selbstverliebt, wie wir an den vielen Symbolen, die
auch einfach keine sein könnten, erkennen. Dennoch schafft er es, hier die Zuschauer zum Nachdenken anzuregen und dabei
auch noch auf emotionaler Ebene zu arbeiten. Hoffen wir, dass sich Kim nun aus seiner Lethargie befreit hat und weiter
in diese Richtung arbeitet.