Story: Rick Pang (Leslie Cheung) unterrichtet den Umgang mit Schusswaffen und hat früher etliche Preise bei Schießwettbewerben gewonnen. Nach
einer Verletzung hat er sich nun zurückgezogen und geht seiner Lehrtätigkeit nach, während er nebenbei auch Pistolen auf Anfrage umbaut. Eines Tages wird er von
dem Polizisten Miu (Alex Fong), ein langjähriger Rivale Ricks, zu einem Wettbewerb herausgefordert. Allerdings kommt es dort zu einem Zwischenfall, denn
ein Kollege von Miu fängt an wild um sich zu schießen, nachdem er sein ganzes Geld bei Aktienspekulationen verloren hat. Miu zögert, seinen Freund
aufzuhalten, also streckt Rick ihn mit zwei Kopfschüssen nieder. Diese Erfahrung soll Rick für immer verändern, denn anstatt von Gewissensbissen
geplagt zu sein, verspürt er ein Gefühl des Glücks...
Drei Jahre später wird die Polizei zu einem Tatort gerufen, an dem ein Kronzeuge und seine Leibwächter auf überaus professionelle Weise und in kürzester
Zeit niedergestreckt wurden. Es gibt nur wenige Männer, die solch ein Können mit der Waffe besitzen, und so fällt der Verdacht auch bald auf Rick.
Es scheint, als wenn sich der ehemalige Waffenmacher nicht mehr beherrschen könnte und seiner neuen Liebe, dem Töten, widmet.
Kritik: "Double Tap" ist ein schöner Hong Kong Thriller, der viel Drama bietet und uns daran erinnert, warum die Filme der ehemaligen britischen
Kronkolonie damals so besonders waren. Auch wenn sich das "damals" hier auf das Jahr 2000 bezieht, der Film erinnert fast schon nostalgisch an die
Hong Kong Thriller der 90er. Im Fokus der Geschichte steht ein psychopathischer Killer, der nach der Erfahrung des Tötens abhängig von dem
damit verbundenen Adrenalinrausch geworden ist. Das alleine wäre nicht unbedingt etwas Besonderes, wenn Leslie Cheung seine Rolle nicht dermaßen
gut spielen würde, dass wir hinter dem Killer immer noch den Menschen und seine innere Zerrissenheit sehen würden. Rick ist ein Bösewicht, der
allerdings zu unserem eigenen Erschrecken häufig auch die Sympathien des Zuschauers hat. Das geht sogar so weit, dass wir uns am Anfang seine Taten
noch schön reden. Schließlich tötet er die Polizisten in dem ersten großen Shootout nicht mit Kopfschüssen, sondern verletzt sie nur. Dass diese
Verletzungen aber letztendlich trotzdem tödlich sein können, ist irgendwie klar, aber Rick hat dann bereits unser Wohlwollen und es ist schwer, ihm
dieses wieder loszusprechen, womit "Double Tap" auch ein interessantes Drama ist!
Der Film nimmt sich auch die Zeit für eine halbstündige Einleitung, die zwar anfangs etwas lang wirkt, aber im Nachhinein betrachtet wirklich Sinn
hat. Wir lernen Rick kennen, der auf seinem Schießstand keine lebenden Hühner als Ziele zulässt, und treffen Miu, ein Polizist, der wie die meisten
anderen der Polizisten einige Charakterschwächen hat und damit nicht wirklich als einer der typisch Guten fungieren kann. Er ist eingebildet und dennoch
in seinem Herzen ein Feigling, wie sich herausstellt. Als es dann zum Schießwettbewerb kommt, ist es deshalb ganz klar, dass wir Rick anfeuern. Vielleicht
liegt es auch genau daran, dass wir nach dem zeitlichen Sprung im Film nur schwer die Seiten wechseln können. Wir sehen Miu immer noch als eine nicht gerade
sympathische Figur, und es fällt schwer, unsere Meinung zu ändern. Im Laufe des Films wird das aber nötig. Das hindert uns aber nicht daran, auf eine
merkwürdige Art immer noch Verständnis für Rick zu haben.
Wie kann man aber Verständnis für jemanden haben, dem es Freude bereitet, Menschen zu erschießen? Das ist ganz einfach, Rick war gezwungen, diese Tür
zu seinen inneren Dämonen aufzustoßen, weil Miu nicht in der Lage war, den Amokläufer selbst zu erschießen, was als Polizist natürlich seine Pflicht
gewesen wäre. Zum Teil trifft also auch ihn die Schuld dafür. Rick selbst ist verwirrt, erschrocken, aber auch in Ekstase wegen seiner neuen Gefühle.
In einigen Szenen darf Leslie Cheung ("A Chinese Ghost Story", "Happy Together") seine Gratwanderung über den Abgrund des Wahnsinns und seinen Absturz
in diesen auch mit Bravour zur Schau stellen. Es gibt nur wenige Schauspieler, denen man den Wahnsinn direkt in den Augen ablesen kann, aber Cheung
schafft genau das. Die Leistung von Alex Fong ("One Nite in Mongkok"), der in vielen Filmen immer wieder die zweite Geige spielen muss, obwohl er auf
seine eigene, etwas subtilere Art ebenfalls ein guter Schauspieler ist, kann auch als gelungen betrachtet werden. Schließlich lernen wir am Ende
doch auf seiner Seite zu stehen.
"Double Tap" ist neben dem Drama, das sich dank der gut ausgearbeitenen Charaktere ergibt, aber auch ein Actionfilm, was sich in hauptsächlich zwei
hervorragenden Shootouts beweist. Wenn es sein muss, geizt der Film dabei auch nicht mit Gewalt. Was aber die ganze Zeit auffällt, ist, dass der Film
mit seinem recht hohen Budget und der guten technischen Umsetzung auch auf ein Mainstream-Publikum abzielt. Während des Showdowns war dann
sogar noch etwas Geld übrig, um ein paar Bullet-Time-Aufnahmen einzubringen. Aber im Endeffekt hätte das alles nicht funktioniert, wenn das Drama um die
Charaktere nicht so ausgefeilt wäre. Denn die Geschichte selbst ist etwas schwächer geraten. Aufgewertet wird diese aber wie gesagt durch die Entwicklung
der Charaktere und noch einiger weiterer Nebenpersonen, wie z.B. Ricks Freundin, die ihm lange Zeit Halt geben kann oder Mius Ehefrau, welche allerdings
etwas kühl wirkt.
"Double Tap" ist unterhaltsam bis zur letzten Minute. Gleichzeitig ist es auch verstörend zu sehen, wie Rick ganze Heerscharen von Polizisten erschießt,
gerade weil er immer noch ein wenig unsere Sympathie besitzt. Damit ist der Thriller auch ein gelungener Blick in die Seele eines Monsters, das, und
da bleibt für uns kein Zweifel, niedergestreckt werden muss. Mitleid darf man aber trotzdem mit Rick haben. Es gibt eben manche Türen, die niemals
aufgestoßen werden sollten, weil es unmöglich ist, diese wieder zu schließen. Leslie Cheung ist die perfekte Besetzung für die Rolle und
lässt den Film hervorragend funktionieren. Drama und Action stehen in einem guten Verhältnis, mit seinen 90 Minuten ist der Film auch sehr eng
strukturiert und so bleibt eigentlich nur zu sagen, dass "Double Tap" zu Teilen kommerzielles Hong Kong Kino ist, das aber niemals die düstere
und nihilistische Atmosphäre, die wir an solchen Filmen lieben gelernt haben, missen lässt.