Story: Es sind die 70er und Regisseur Kim Ki-yeol (Song Kang-ho) hat seit seinem Debüt keinen ordentlichen Film mehr auf die Beine gestellt, sodass sich die Kritiker schon seit geraumer Zeit über ihn lustig machen. Gerade hat er einen Film fertig gedreht, als ihm eine Offenbarung kommt. Wenn er nur das Ende neu dreht, wird daraus sein Meisterwerk, das er so bitter nötig hat. Er trommelt daher Schauspieler und Filmcrew erneut zusammen und will mit den Dreharbeiten beginnen, als sich herausstellt, dass das neue Ende von der Zensurbehörde nicht genehmigt wird. Mi-do (Jeon Yeo-been), die Tochter der Produzentin, die eines Tages die Produktionsfirma übernehmen wird, ist aber so begeistert von dem neuen Ende, dass sie Regisseur Kim die neuen Szenen trotzdem drehen lässt. Daneben gibt es aber das Problem, dass die Crew nur zwei Tage Zeit hat, weil das Set von einer anderen Produktion benötigt wird. Weiterhin hat die Darstellerin Yoo-rim (Jung Soo-jung) ein großes Problem damit, wieder am Set zu sein, da sie eine Affäre mit ihrem Kollegen Ho-se (Oh Jung-se) hat und sogar sein Kind erwartet. Die Dreharbeiten laufen dennoch an, bis schließlich jemand von der Zensurbehörde vorbeikommt und wissen will, warum im Geheimen gedreht wird. Mi-do kann die Situation entschärfen, indem sie den Mann betrunken macht. Während Regisseur Kim immer wieder mit den hysterischen Anfällen der Darsteller zu kämpfen hat, überkommen ihn stets Selbstzweifel, ob sein Film wirklich ein Meisterwerk wird ...
Review: Wenn ein Regisseur einen Film über einen Regisseur dreht, dann handelt es sich entweder um Hong Sang-soo wie in "Oki's Movie" (um nur einen von etlichen zu nennen) oder er steckt selbst in der Krise und möchte sein künstlerisches Tief durch das Medium selbst lösen - analog zu den zahllosen Schriftstellern mit einer Schreibblockade, die schließlich ein Werk über einen Schriftsteller mit Schreibblockade verfassen. Das Werk wird also unweigerlich den Leser, oder im Fall von "Cobweb" den Zuschauer, auf eine Meta-Ebene verfrachten und ihn da sich abmühen lassen, einen Blick hinter die Fassade und eventuell sogar auf die Persönlichkeit des Regisseurs zu werfen. Wenn dieser Regisseur Kim Ji-woon ("I Saw the Devil") ist, verspricht das interessant zu werden, denn so etwas hätte man wohl nicht von ihm erwartet. Tatsächlich erweist sich "Cobweb" auch als Kims innovativster, aber auch strukturlosester Film, der immer mal wieder frustriert, an anderer Stelle aber auch dank seines schwarzen Humors und einer Prise Slapstick unterhalten kann.
Selbstverständlich ist es nicht das erste Mal, dass sich Kim Ji-woon als experimentierfreudig erweist und eine gute Portion Humor in seinen Film verbaut. Man muss nur an den Kimchi-Western "The Good, the Bad, the Weird" denken. Wie in diesem spielt auch Song Kang-Ho die Hauptrolle und sogar Jung Woo-sung ist in einem Cameo als Kim Yi-yeols Mentor zu sehen und gibt eine erschreckend extrovertierte und absurde Vorstellung ab, die vollkommen ins Schwarze trifft, da sie den Ton dieser Komödie gekonnt unterstreicht. Song Kang-ho kann derweil als Regisseur, der pillenabhängig ist und sein Ende wohl im Drogenrausch umgeschrieben hat, den Film zusammenhalten und spielt darüber hinaus sogar eine seiner erinnerungswürdigsten Rollen, eben auch weil man ihn ab und an gar nicht richtig wiedererkennt. Einige seiner inneren Monologe bieten uns zusätzlich eine Möglichkeit, uns in dem Chaos des Films nicht komplett zu verlieren. Denn die grundlegende Handlung bleibt zwar der Nachdreh trotz Problemen mit Zensurbehörde und Darstellern, aber daneben scheint "Cobweb" einen offenen Raum für allerlei Unsinn am Set zu bieten.
Unsinn ist damit zuweilen auch im positiven Sinne zu verstehen, denn die Probleme der Darsteller geben selbst ein billiges Drama ab, das eine Spiegelung des zu drehenden Films ist - nur, dass dieser etwas anspruchsvoller sein will und mit den 70ern auch eine ganz andere Zeit wiedergibt. Eine Auflösung im Film des Films ist dabei enorm klischeehaft und lächerlich, aber durch den zeitlichen Rahmen und die cineastische Aufbereitung, die zumindest teilweise jener Zeit entspricht, irgendwie auch wieder glaubwürdig. Hier spielt "Cobweb" dann auf der Meta-Ebene und lässt uns wiederum über die hysterischen Darsteller am Set und ihr Verhalten lachen, da irgendwie alles viel zu absurd wirkt. Kim Ji-woon erhöht sogar das Tempo enorm, indem er einiges an Chaos entstehen lässt, bei dem man - auch der dokumentarähnlichen, manchmal verwackelten Kameraführung geschuldet - glaubt, wirklich am Set zu sein, bis Kim es übertreibt und man sich fragt, was denn nun überhaupt noch ernst gemeint ist. Man kann sich natürlich großartig gegen jede Kritik feien, indem man nie klar ersichtlich werden lässt, ob man sich gerade über sich selbst lustig macht oder nicht. Aber es kann auch anstrengend sein.
Anstrengend wäre der Film noch um einiges mehr, wenn die Darsteller nicht durchgehend gute Arbeit abliefern würden. Zudem sehen die Bilder des Films, den Ki-yeol dreht, einfach fantastisch aus. Kim Ji-woon versucht die Ästhetik des koreanischen 70er Jahre Kinos einzufangen. Eines Urteils, ob ihm dies gelungen ist, werde ich mich entziehen, da ich von jener Ära zu wenig weiß, aber von der Musik, der Tonqualität und vor allem dem großartigen Spiel mit Licht und Schatten, die Kim Ji-woon hier auf den Bildschirm zaubert, kann man nur begeistert sein. Augenblicklich wird eine dichte Atmosphäre kreiert, obwohl wir nur kleine Schnipsel des Films zu sehen bekommen. Ein Film durchgängig in jenem Stil wäre auf jeden Fall etwas, das der Regisseur sich überlegen sollte. Das Ende kann überdies beide "Welten" noch einmal aufeinandertreffen lassen, als am Set etwas schiefgeht, aber die One-Shot-Aufnahme unbedingt weitergeführt werden muss. An dieser Stelle hätte "Cobweb" dann vielleicht auch enden sollen, doch er geht noch weiter.
Mit seinen multiplen Enden bekommt man den Eindruck, dass Kim Ji-woon seinen Film selbst ein paar Mal umgeschrieben und letztlich einfach alle seine Enden hintereinandergehängt hat. Da das Ende von Ki-yeols Film überaus absurd ist, weiß man auch gar nicht, was man aus all dem machen soll. Hätte das Augenmerk mehr auf Ki-yeol und seinem Prozess des Filmemachens im Angesicht der Zensurbehörde gelegen, hätte unter dem Strich ein politisches Statement stehen können. Ki-yeols Tablettensucht, Selbstbeweihräucherung und Verbitterung, weil niemand ihn und seine Kunst versteht, kann als Botschaft nicht bestehen, weil dafür zu wenig Substanz im Film vorzufinden ist. Mit sicherer Hand sind die Charaktere nämlich auch nicht geschrieben. Nur dank der Darsteller funktionieren hier Szenen, die ansonsten lediglich als Slapstick bezeichnet werden müssten. In seinem Bemühen, das große Meisterwerk herauszubringen, verläuft sich Ki-yeol in seinem eigenen Kopf in einem Spinnennetz (auf Englisch eben "Cobweb") und findet nicht mehr heraus. Musste Kim Ji-woon es ihm wirklich gleichtun (auch wenn man nicht den Eindruck bekommt, dass er ein Meisterwerk auf die Beine stellen wollte)? Vielleicht ist das die Botschaft des Films...