Story: 1923: Shun-pei Kim (Takeshi Kitano) wandert aus seinem Heimatland Korea aus und beginnt ein Leben in Osaka. Obwohl er in
einer koreanisch-japanischen Einheit gegen China kämpft, wird er bei seiner Rückkehr nach Osaka nicht gerade herzlich
empfangen. In dem nationalistischen Japan scheint kein Platz für Immigranten zu sein und das lässt man Shun-pei Kim und
seine Landsleute jeden Tag aus Neue spüren. Ungeachtet dessen eröffnet Kim jedoch mit grausamer Härte und Strenge eine
Fischfabrik. Seine Arbeiter treibt er aufs Brutalste voran und so ist es kein Wunder, dass er ein gut laufendes
Geschäft aufbaut und sich dann sogar als Kredithai einen Namen macht. Geld scheint für Kim das einzig Wichtige zu sein.
Seine Familie behandelt er beinahe noch unmenschlicher als seine Arbeiter, er verprügelt Frau und Kinder und macht seinem
Namen als grausamer Patriarch alle Ehre. Doch seine Kinder werden erwachsen und stellen sich gegen ihn. Auch Kims
zunehmendes Alter lässt ihn spüren, dass er nicht nur die Macht über seine Familie, die nur durch seinen Psychoterror
zusammengehalten wird, verliert, sondern auch, dass er in seinem Viertel nicht mehr das Ansehen hat, das er sich einst
erarbeitet hatte...
Kritik: "Blood and Bones" ist eine gelungene Mischung aus Familiendrama und Historienepos. Die Kritik an der Gesellschaft des
nationalistischen Japans steht in dem Film allerdings im Hintergrund. Hauptsächlich geht es um die psychologische
Charakterdarstellung Shun-pei Kims, seinem Egoismus und seiner Härte anderen gegenüber. Von Anfang an löst Kim
seine Probleme mit Gewalt und verursacht dadurch die Notwendigkeit von noch mehr Gewalt. Mit rücksichtsloser Härte
unterdrückt er seine Familie und treibt seine Arbeiter voran Unmögliches zu leisten, so dass er es tatsächlich
vermag die Armut endlich hinter sich zu lassen. Doch zu welchem Preis? Kim scheint jegliche Menschlichkeit abhanden
gekommen zu sein.
Die Gewalt ist in dem Film das vorherrschende Motiv. Die Hilflosigkeit der Familie gegen den grausamen Patriarchen
wird durch etliche Gewaltszenen vermittelt, die auf ausgefallene Choreografien oder Blut verzichten, und gerade dadurch
eine beklemmende Atmosphäre schaffen. So vergewaltigt Kim nicht nur des Öfteren seine Frau, sondern weiß auch jeglicher
Aufsässigkeit seiner Kinder mit, im wahrsten Sinne des Wortes, eiserner Faust entgegenzuwirken. Auch das Zerstören der
Einrichtung bei Kims etlichen Wutausbrüchen schafft eine Intensität, die den Zuschauer die Gewalt förmlich spüren lässt.
Der Realismus, den Regisseur Yoichi Sai mit solchen Szenen schafft, lässt die Hilflosigkeit der Menschen um Kim immer
im Vordergrund stehen, so dass man sich zwar öfters fragt, warum denn niemand etwas gegen Kim unternimmt, aber man
selbst unterbewusst die Antwort schon kennt. Das Drama, dass sich in Kims Familie abspielt, ist weniger die körperliche
Gewalt, sondern vielmehr die psychische. Ein Aufbegehren gegen den psychischen Terror, den Kim als Bestandteil der
Familie integriert zu haben scheint, ist unmöglich, denn er sitzt viel zu tief. Die Rücksichtlosigkeit und Gewalt, mit
der Kim dem Aufbegehren gegen ihn begegnet, erstickt diesen sofort im Keim.
Seltsamerweise versucht der Film nicht die Motive für Kims Handlungen zu erklären und dennoch kann man ihn nicht
vollständig hassen. Grund dafür ist eine bezeichnende Szene, in der Kim eine japanische Frau, die er sich nebenher
genommen hat,
nachdem er seiner Frau den Rücken gekehrt hat, wäscht und pflegt nachdem diese zu einem Pflegefall geworden ist. Eine
kleine Szene, dennoch lässt sie eine ganz neue Seite Kims durchscheinen auch wenn diese nirgends sonst im Film zu
erkennen ist. Für einen kurzen Moment scheint es so, als ob Kim erkennen würde, was er wegen seines Egoismus und seiner
Tyrannei niemals hatte - Gefühle. Doch sofort erstickt er diese wieder durch weitere Gewalt, denn es scheint als
könne er sie nicht kontrollieren...
Gewalt ist isolierend - das ist es was "Blood and Bones" wohl des Weiteren vermitteln will, denn obwohl der Film beinahe
die gesamte Lebensgeschichte des koreanischen Immigranten Kim zwischen 1923 und 1984 erzählt, verändert sich das Setting
so gut wie gar nicht. Die Holzhütten bleiben immer die selben und nur die ab und an mal in den Ort einfahrenden
Autos von außerhalb spiegeln den tatsächlichen ökonomischen Stand des jeweiligen Jahrzehnts wider.
Wahrscheinlich soll der Film auch vermitteln, dass die Herrschaft eines Tyrannen wie Kim nur dann möglich sein kann,
wenn die restliche Welt diese zulässt. Denn das Ghettoviertel, über das Kim mit eiserner Hand herrscht, scheint
ausgegrenzt vom Rest der Stadt. So erzählt der Film also nicht nur das Drama einer Famlie, sondern auch das Drama der
Ausgrenzung einer Minderheit in Japan.
Mit intensiven Szenen und sicherer Regieführung schafft es Regisseur Yoichi Sai dem Film die nötige Glaubwürdigkeit
zu geben. Doch ohne die Darsteller wäre der Film nur halb so viel Wert. Jeder von ihnen spielt seine Rolle überzeugend,
doch die Person, von der der Film eindeutig lebt ist Takeshi Kitano. Dass er einer der ganz Großen Japans ist, ist
schon länger bekannt, doch mit seiner Darstellung Shun-pei Kims stellt er meiner Meinung nach all seine bisherigen
Rollen in den Schatten. Die Gewalt, die Kitano bravourös zum Ausdruck bringt, als auch die vielen kleinen Facetten
seines Charakters sind so detailgetreu von ihm gespielt - auch sein zunehmendes
Alter wird von ihm perfekt dargestellt -, dass es eine Freude ist ihm zuzusehen.
Leider hat der Film aber auch einige Schwachstellen. Unnötig zu sagen, dass es sich bei "Blood and Bones" um schwere
Unterhaltungskost handelt, doch einige langatmige Szenen hätten durchaus gekürzt werden können. Stellenweise ist die
Geschwindigkeit des Film sogar für meinen Geschmack etwas zu langsam.
Außerdem empfand ich es oftmals schwierig dem Handlungsverlauf der Geschichte Japans zu folgen, was wohl hauptsächlich
daran liegt, dass wir Westler einfach nicht das Hintergrundwissen haben, dass der Film stellenweise vorraussetzt.
Aber auch ansonsten bleiben ein paar Fragen, gerade des Wies und Warums, unbeantwortet.
"Blood and Bones" ist ein empfehlenswertes Familiendrama mit historisch-epischen Einflüssen und einer Prise
Gesellschaftskritik. Takeshi Kitano in seiner Bestform weiß ebenso zu gefallen, wie die Thematik des Films. Nur sollte
man sich bewusst sein, dass es sich bei Yoichi Sais Werk um schwere Kost handelt.