Story: Lao Li (He Xingquan) ist ein Polizist im Ruhestand, der ein zweites Mal geheiratet hat nachdem seine Frau
ihn verlassen hat. Seine zweite Frau, Xiu'e (Guan Jiangge), hat ihren Sohn Xiaolei (Xu Tao) in die Ehe gebracht, der
immer wieder mit Hooligans um die Häuser zieht und gerade erst nach einer kurzen Haftstrafe aus dem Gefängnis
entlassen wurde. Xiaolei bekommt schließlich einen Job bei einer Drahtseilbahn. Dort freundet er sich mit seiner
Kollegin Qian Xue (He Qin) an,
zu der er langsam Gefühle zu entwickeln scheint. Doch Xiaolei versteht sich nach wie vor nicht mit seinen Eltern und
trifft sich wieder mit seinen ehemaligen Freunden, die ihn weiterhin in einen Sumpf des Verbrechens ziehen.
Eines Tages bekommt Lao Li plötzlich die Asche seiner Frau zugesandt. Jahrelang hat er nichts von ihr gehört. Aber
trotz allem was sie ihm und ihrem gemeinsamen Sohn Jianjun (Liao Zhong) angetan hat, trauern die beiden um sie.
Jianjun muss sich im Moment allerdings auch noch um andere Dinge kümmern. Jianjuns Ehe mit Xiaohong (Wang Lan)
steht im Moment unter keinem glücklichen Stern. Xiaohong war nur Jianjuns zweite Wahl, denn er liebte eigentlich
eine andere Frau, befürchtete jedoch, dass diese in irgendwann verlassen könnte. Xiaohong spürt dies und ist
unzufrieden mit ihrer Ehe, weshalb sie ihren Ehemann dann auch hintergeht. Doch trotz all der Probleme scheint es
zwischen den beiden tatsächlich Liebe zu geben, die ihnen die Kraft gibt weiterzumachen und ihre Probleme zu lösen.
Kritik: "Bliss" ist ein Drama über die Vereinsamung in der sich im Umbruch befindlichen Gesellschaft Chinas.
Die Familie bedeutet nicht mehr das, für das sie früher stand, traditionelle Werte verlieren immer mehr an
Bedeutung, und so verlieren die Menschen Chinas im Austausch für die Hoffnung auf materiellen Wohlstand das, was im
Leben doch eigentlich das höchste Gut sein sollte: Liebe und Familie.
Immer wieder wird uns heute in Dokumentationen über das Leben der Wanderarbeiter und einfacher Menschen berichtet,
die alles aufgeben nur um einen Stück vom Kuchen des Wohlstands des Landes abzubekommen. Während die meisten
Wanderarbeiter jedoch ihr Geld verdienen um damit die Ausbildung ihres Kindes zu finanzieren und diesem eine bessere
Zukunft zu ermöglichen, zeigt "Bliss", dass nicht immer am Ende auch die Familie im Vordergrund steht. Jedenfalls nicht
mehr.
Regisseur Sheng Zhimin arbeitet dieses Problem auf, verliert sich dabei aber zu sehr in Arthouse-typischer
Distanziertheit zum Geschehen und lässt seine Bilder viel zu kühl wirken, als dass er den Zuschauer auch nur
irgendwie mit seinem Werk bewegen könnte.
"Bliss" hat ein sehr gemächliches Tempo, das leider manchmal einfach zu einschläfernd ist. Oft hat man das Gefühl, dass
einfach nichts auf dem Bildschirm passiert, was einfach daran liegt, dass sich der Regisseur selbst mit den
unwichtigsten Szenen zu viel Zeit nimmt. Tatsächlich bemerken wir dann irgendwann, dass der Film uns immer weiter
in das Leben der verschiedenen Protagonisten einführt, uns mit den Beziehungen zwischen diesen vertraut macht und
wir langsam und stetig manchmal fast schon Interesse für sie entwickeln. Doch der eigentliche, menschliche Charakter
des Films, der uns ansprechen sollte, ist einfach nirgends zu finden. Die Charaktere wirken alle verschlossen und
zurückhaltend. Selbst in den Szenen, in denen offen Emotionen zum Ausdruck kommen ist dies der Fall. Wir fühlen
uns niemals gerührt oder nachdenklich gestimmt von dem was wir hier zu sehen bekommen. Aber warum ist das so, obwohl
hier alles nach Drama schreit?
Der Grund dafür, dass der Zuschauer niemals ein Band zu den Protaginisten oder der Dramatik des Films an sich knüpfen kann
ist die sterile Regie. Sheng Zhimin lässt seinen Film oftmals wie eine Dokumentation wirken und baut dabei so viel
Arthouse ein, dass es den Zuschauer befremdet. Wir bekommen hier lange Aufnahmen, die dem Film beinahe eine
Null-Dynamik verleihen, und bekommen die Szenen meist aus großer Distanz aufgenommen zu sehen. Das schafft eine
große emotionale Distanz, die zwar vielleicht auch Thema das Films sein sollte, aber eben wirklich nicht zum
Vorteil des Endprodukts gereicht.
Vergleichsweise schön gelungen sind die Außenaufnahmen, bei denen auch oft der Kontrast zwischen den runtergekommenen
Apartments und der neonbeleuchteten Großstadt gut zum Vorschein kommt. Über allem liegt dabei ein bläulicher Filter,
der zusammen mit dem stetigen Nebel, der Chongqings Wolkenkratzer umhüllt, jegliche Gefühle zu ersticken scheint.
Obwohl wir gerade auch in diesen Bildern wieder die emotionale Kälte, die den ganzen Film durchdringt vorfinden, so
können sie von ihrer Cinematographie doch begeistern und stellen damit den einzigen wirklichen Pluspunkt des Films
dar.
Sicher, es ist gar nicht mal schlecht auf welche subtile Weise wir langsam in das Leben der Charaktere eingeführt
werden, und es gibt tatsächlich auch viel zu entdecken. Der Vater, der versucht irgendwie seine Familie
zusammenzuhalten, ein Sohn,
der seine Frau ursprünglich nicht aus Liebe geheiratet hat, dann aber langsam Gefühle für sie entwickelt, und ein
weiterer Sohn, der aus seinen Fehlern nicht gelernt hat und trotz einer kleinen Liebesgeschichte wieder in das
schlechte Einflussgebiet von Hooligans gerät. Interessanterweise gibt es auch ein paar kleinere plötzliche
Gewaltszenen, wobei allerdings ein Unfall beim Rennen der Jugendlichen auf den Häuserdächern besonders mitnehmend und
realistisch wirkt. Oftmals ist man sich bei solchen Szenen aber einfach nicht sicher, welchem Zweck sie jetzt für den
Film dienen sollten. Manchmal sind die Handlungen der Charaktere auch nicht nachvollziehbar. Jianjun erwischt z.B.
seine Frau beim Seitensprung und dennoch verliert er kein Wort darüber. Klar, natürlich kann man aus diesem Fakt
einiges über die Beziehung des Ehepaars herauslesen, aber es wirkt einfach nicht realistisch, und das ist nicht
wirklich nützlich für einen Film, der Anspruch an Authentizität stellt, wie "Bliss" das eben möchte.
Am Ende bleibt einfach der Eindruck, dass Regisseur Sheng Zhimin versucht hat ein anspruchsvolles Werk zu schaffen,
an dem wohl nur die Arthouse-Lieberhaber und -Kritiker ihren Spaß haben können. Denn tatsächlich erweist sich "Bliss"
als ein Drama, das sich selbst viel mehr Komplexität zuspricht als da wirklich ist. Zusammen mit der kühlen Regie
konnte der subtile Stil des Films keine Emotionen bei mir auslösen und entlässt einen schließlich frustriert in ein
plötzliches Ende, das viel zu viele Fragen über das Schicksal der einzelnen Personen offen lässt. Bei einem guten
Film hätte das bewirkt, dass der Zuschauer noch einmal reflektiert und sich selbst die Informationen herausholt,
die irgendwo im Film versteckt hätten sein müssen. "Bliss" dagegen mag zwar ein paar Filmpreise gewonnen haben, aber
wahrscheinlich auch nur, weil sich die Kritiker dachten, dass der Film mit seinem Arthouse-Stil so aussieht als wenn
er einen Preis verdient hätte.
Im Endeffekt erweist sich dieses Drama alles andere als mitnehmend. Langeweile ist
ein Wort mit dem man sich anfreunden muss, wenn man sich diesen Film ansehen will. Ich für meinen Teil hatte viel
mehr Spaß mit einer Dokumentation über das gleiche Thema, nämlich Modernisierung, dem Verlust der Moralvorstellungen
und dem Sinn für das traditionelle Familienverständnis, die ich kurz vorher im TV gesehen hatte. Nur absolute Hardcore
Arthouse-Fans sollten diesen Film einer mittelmäßigen Doku vorziehen.