Story: Ou-yang Feng (Leslie Cheung) lebt zurückgezogen in der Wüste, von wo aus er in umliegenden Städten Schwertkämpfer sucht, deren
Fähigkeiten er an Bedürftige weiterverkauft. Eines Tages besucht ihn ein alter Freund, Huang Yao-shi (Tony Leung Ka-Fai), und bringt ihm einen
magischen Wein mit, der die Vergangenheit vergessen lassen soll. Huang trinkt davon und verschwindet schließlich. Ou-yang Feng muss sich
dann mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, als Yin Murang (Brigitte Lin) und ihr Bruder bei ihm auftauchen, wobei letzterer möchte, dass
Huang Yao-shi stirbt. Bald darauf bekommt Feng Besuch von einem blinden Schwertkämpfer (Tony Leung Chiu-Wai), der für ein Dorf eine Bande von
Pferdedieben ausschalten will und bei ihm kurz unterkommt. Doch erst in Hong Qi (Jacky Cheung) findet Feng einen Schwertkämpfer, den er für Geld
an andere weitervermitteln kann. Ein heimatloses Mädchen (Charlie Young), das nur ihren Esel und ein paar Eier als Bezahlung geben kann, kommt
schließlich zu ihm und möchte jemanden anheuern, der ihren getöteten Bruder rächt. Obwohl Feng nur gegen Geld etwas unternehmen will, lässt sich Hong
Qi auf den Handel ein, der ihm nicht nur Probleme einbringt, sondern ihn gedanklich noch weiter in seine Vergangenheit abtauchen lässt...
Kritik: Nach 14 Jahren hat Wong Kar-Wai beschlossen, seinen Wuxia-Eintrag "Ashes of Time" neu aufzupolieren. Der Grund dafür ist laut eigener
Aussage, dass es zu viele Schnittfassungen des Films gibt, von denen einige auch gar nicht seinen Segen haben. Außerdem gab es ein paar Dinge, die er
damals aus technischen Gründen einfach nicht machen konnte. Leider kann ich direkte Vergleiche zur Ursprungsfassung nicht ziehen, da ich jene, von ein
paar Szenen abgesehen, nicht gesehen habe. Wong stellt aber nicht den gesamten Film auf den Kopf. Er hat den Soundtrack überarbeitet, die Bilder
strahlen nun in ihrer vollen Blüte, was bei der ursprünglichen schlechten Qualität auch bitter nötig war, und der Regisseur hat seinen Film nun
auch insgesamt ca. fünf Minuten kürzer geschnitten. Das macht auch Sinn, denn ein paar Kampfszenen aus dem Film zu nehmen, kommt dem Gesamtbild
des Werks nur zu Gute, da wenn man es genau betrachtet, "Ashes of Time" ohnehin ein Drama um die Liebe und den Schmerz ist, das nur in einem
Wuxia-Rahmen spielt. Alles in allem scheint Wongs Film nach dem Neuschnitt im Kontext seiner nach-"In the Mood for Love"-Era zu stehen, aber
einen kompletten Neuanstrich gibt es nicht. "Ashes of Time" bleibt "Ashes of Time" wie auch qualifiziertere Hong Kong-Kinokenner als ich bestätigen.
Wong Kar-Wai baut seine Geschichte auf Jin Yongs "The Legend of the Condor Heroes" auf. Allerdings nur sehr lose, denn Wong beleuchtet die
Vorgeschichte von solchen Charakteren wie Ou-yang Feng und Hung Chi. Hauptaugenmerk liegt aber eindeutig auf Feng, der später der Bösewicht
von Jin Yongs epischer Geschichte werden soll. Wie wurde Feng die Person, als die wir ihn kennen? Offensichtlich hatte er keine guten Ausgangsbedingungen
und dann gab es da auch noch eine unerfüllte Liebe... Leslie Cheung ("A Better Tomorrow", "Farewell my Concubine") schafft es auf beeindruckende
Weise, diesen verschlossenen, im Inneren verletzten, aber nach außen hin kalten Charakter mit enorm vielen Facetten zu spielen. Der Film wird zum
Großteil aus seiner Sicht erzählt, wobei er mit seinen Monologen oft auch die Rolle des Erzählers einnimmt, und dennoch schafft es der Regisseur
dabei dem Zuschauer das Gefühl der nötigen objektiven Distanz zu geben. Neben Leslie Cheungs subtiler schauspielerischen Leistung verblassen dann
auch schnell die anderen namhaften Stars. Tony Leung Chiu-Wai darf hier eigentlich nur eine kleine Rolle übernehmen, der andere Tony Leung (Ka-Fai)
dagegen bietet ein gutes Gegengewicht zu Ou-yang Feng und erscheint im Gesamten emotional einfach etwas wärmer.
Jacky Cheung ("Perhaps Love", "Bullet in the Head") kommt als Hung Chi eindeutig zu kurz und auch die restlichen Darsteller wie Carina Lau,
Brigitte Lin - auch wenn jene ein paar gute Szenen hat - und Charlie Yeung bleiben hinter Cheung und Leung zurück, nur Maggie Cheung kann in ihren
kurzen Szenen eine enorme Dichte aufbauen. Gute schauspielerische Leistungen, und die kann man hier eigentlich niemanden absprechen, sind in dem
Film auch von Nöten, denn auch wenn die Protagonisten eigentlich Helden darstellen, so war es Wong Kar-Wai enorm wichtig, diese als Menschen darzustellen,
mit all ihren Schwächen und Schmerzen, die sie zu durchleiden haben. Die Emotionen stehen eindeutig im Vordergrund und einige intensive Dialoge
ziehen einen schlussendlich auch vollkommen in den Bann des Films. Anfangs mag es dabei aber gar nicht so aussehen, als wenn man überhaupt in den
Film finden könnte. Der Einstieg gestaltet sich etwas schwierig, aber sobald man über den Teil mit Yin Murang hinweg ist, entfaltet der Film seine
ganz eigene Magie. Davor erscheint vieles etwas befremdlich, auch nicht zuletzt dank der künstlerisch anspruchsvollen Bilder und Schnitte sowie
Szeneneinstellungen, die manchmal etwas fragwürdig erscheinen, obwohl es hier das Adjektiv "surreal" wohl besser trifft.
Letzten Endes gewinnt der Film aber vor allem auch wegen seiner wunderbar poetischen Bilder Extrapunkte. Art House meets Style und natürlich ist dafür
hinter der Kamera auch niemand anderes als Christopher Doyle verantwortlich ("Hero", "In the Mood for Love"). Dank des überarbeiteten Filmmaterials
kommen nun die Farben auch besser zur Geltung und der grobkörnige Look in den Außenaufnahmen lässt nun auch endlich alles erkennen. Vorbei sind die
Zeiten des verschwommenen Looks so mancher Fassung des Films, die mich davon abgehalten haben, dieses Must-See endlich zu sehen. Die Bilder in der
Wüste tragen auch sehr stark zum den Film alles durchziehenden Gefühl der Einsamkeit und nicht erreichbaren Liebe bei.
Der von Wu Tong neu überarbeitete und von Yo-yo Ma eingespielte Soundtrack ersetzt den alten synthesizerlastigen von Frankie Chan und Roel A. Garcia.
Inwieweit das nötig war, bleibt fraglich und ist wohl auch Geschmackssache, jedenfalls ändert es etwas am Gefühl des Films und der neue klassisch
orientierte Soundtrack mit einigen bombastischen Momenten wirkt im Gesamten etwas westlicher, auch wenn einige von den Ursprungsmusikthemen beibehalten
wurden.
Die Kämpfe in "Ashes of Time" sind entweder schnell oder künstlerisch anspruchsvoll geschnitten, sodass Martial-Arts Fans hier eigentlich
eher weniger auf ihre Kosten kommen. Zu oft sieht man einfach nicht, was in den Kämpfen passiert und da diese für den Film auch gar nicht wirklich
wichtig sind, war es auch gut, diese in der Redux-Fassung zu kürzen. "Ashes of Time" ist ohnehin ein philosophisch orientierter Wuxia-Film, in dem
neben der Liebe auch einige buddhistische Motive im Vordergrund stehen, man schaue sich nur mal die Aufteilung des Films in die Jahreszeiten an,
wobei am Ende ein Kreislauf abgeschlossen und ein neuer begonnen wird. Besonders die Dialoge und Monologe gegen Ende sind reich an Inhalt
und Subtilität und geben dem Film ein großes Maß an emotionalen Gehalt.
Für ein paar Kritiker war schon 1994 "Ashes of Time" ein überbewerteter Film, und es ist wahr, dass Wong Kar-Wai seine Geschichte vor allem anfangs
etwas zu konfus erzählt und einige Szenen in seinen Film verbaut, die schlichtweg befremdlich wirken, aber das Gefühl, das "Ashes of Time" am Ende
auch heute noch nach all den Jahren im Zuschauer hervorrufen kann, zeigt eindeutig, dass es sich hier um einen Klassiker handelt. Ein wunderschönes
Drama in poetischen Bildern erzählt.