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Original Title:
Riri Shushu no subete

Japan 2001

Genre:
Drama

Director:
Shunji Iwai

Cast:
Hayato Ichihara
Shugo Oshinari
Ayumi Ito
Takao Osawa
Izumi Inamori
Miwako Ichikawa
Yû Aoi
Kazusa Matsuda
Tomohiro Kaku


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All about Lily Chou-Chou

Story: Yuichi Hasumi (Hayato Ichihara) ist ein sehr introvertierter Junge. Irgendwann macht er die Bekanntschaft mit Hoshino (Shugo Oshinari), der in allem sehr gute Leistungen erbringt und sogar Schulsprecher ist. Doch gerade deswegen wird Hoshino oft von seinen Mitschülern tyrannisiert. Niemand scheint ihn wirklich zu verstehen, doch langsam findet auch er Freunde. Mit Hasumi verbindet ihn auch seine Leidenschaft für das Pop-Idol Lily Chou-Chou. In nächtlichen Chat-orgien frönen sie ihrem Hobby, aber tagsüber müssen sie wieder den Kampf gegen den grauenhaften Schulalltag aufnehmen.
Alles ändert sich jedoch nachdem Hasumi und Hoshino mit ihren Freunden einen Ausflug nach Okinawa unternommen haben. Hoshino wäre dort beinahe ertrunken und hat sich seitdem stark verändert. Er fängt an eine Schulgang anzuführen und ist für Prügeleien, Diebstähle und sogar Vergewaltigungen verantwortlich. Hoshino lässt sich nicht mehr tyrannisieren, sondern tyrannisiert nun selbst. Auch Hasumi wird des Öfteren Opfer von seinem ehemaligen Freund. Für die Jugendlichen wird ihr Alltag zur Hölle...

Kritik: "All about Lily Chou-Chou" ist ein schön anzusehender, bewegender, aber vor allem verwirrender Film. In gewisser Hinsicht ist der Film der bis dato am schwierigsten zu fassende Film, den ich je zu sehen bekommen habe. Das ist vor allem deshalb merkwürdig, da er eigentlich eine relativ simple Aussage hat. Nur wird vieles der Interpretationsfähigkeit des Zuschauers überlassen, welcher wiederum kaum noch in der Lage ist nach diesem Ritt in eine erzähltechnisch erschreckend verworrene Welt, zu interpretieren.
Das hier künsterisch anspruchsvolles Kino geschaffen wurde steht außer Frage, warum bloß muss dabei unbedingt der Unterhaltungsgrad zurückstecken? Die erste Stunde des Films ist man gar geneigt einfach abzuschalten, da man einfach keinen Zugang zum Film findet und die sich aneinander reihenden Szenen ein immer undeutlicheres Bild ergeben. Natürlich im übertragenen Sinne "undeutlich", denn visuell zeigt uns Shunji Iwai ("Love Letter") wieder einmal, dass er einiges drauf hat.

Nachdem wir mitten in den Film geworfen wurden und uns gerade einigermaßen orientiert haben, gibt es plötzlich einen unerwartet und erst im Nachhinein offensichtlichen Schnitt in die Vergangenheit der Protagonisten. Später wird ein genauso unauffälliger Sprung in die Zukunft gemacht. Für den Zuschauer ist das sehr frustrierend, da man immer wieder verwirrt vor diesem scheinbar unzusammenhängenden Ganzen steht. Geduld erweist sich hier als eine wahre Tugend. Wer es schafft seinen Frust zur Seite zu schieben und auszuharren für den wird am Ende alles einen Sinn machen. "AALCC" ist einer der Filme, die wahrscheinlich sowieso erst nach dem zweiten mal Schauen wirklich Sinn ergeben. Gerade das macht den Film jedoch zu so unwahrscheinlich schwerer Kost.

Kritik gibt es an einigen Stellen anzumerken. Wie schon erwähnt kommt man nur schwer in den Film hinein, was daran liegt, dass wir keinen "Helden" oder "Antihelden" haben mit dem wir uns identifizieren können. Jedes Mal, wenn wir uns in Hasumi oder Hoshino hineinversetzen konnten, macht der Film eine narrative Wende und lässt uns das Geschehen mehr oder weniger aus der Sicht des jeweils anderen sehen. Noch dazu gibt es den großen Einschnitt im Film in Form der Reise nach Okinawa. Wozu diese Reise? Sicher, Hoshino hat ein Nah-Tod-Erlebnis und verändert sich danach extrem. Ansonsten zieht sich diese Episode mitsamt Sight-seeing-tour scheinbar endlos in die Länge und scheint für den Film nicht weiter wichtig zu sein. Doch wer hier nicht aufpasst, dem wird etwas Essentielles entgehen. Der Fremde, den die Jugendlichen auf ihrer Reise treffen, entschlüsselt nämlich in einer Naturmetapher die Hauptaussage des Films. Auch wenn die Welt der Jugendlichen von außen wie eine Welt voller Spaß aussieht, so ist sie für die Jugendlichen selbst oftmals die Hölle auf Erden...

Immer wieder werden wir in Chatmanier, inklusive Tipp-Geräuschen, in die Welt der Lily Chou-Chou Anhänger entführt. Dieses imaginäre Pop-Idol verkörpert mit ihrer Musik den "Äther" und schafft es die Jugendlichen über das unpersönliche Medium Internet, ihre wahren Gefühle zum Ausdruck bringen zu lassen. Das ganze Gerede über diesen Äther lässt mehr als nur einmal Fragezeichen im Kopf entstehen. Der Äther scheint ein universelles Gefühl zu sein, bzw. kein Gefühl. Die Lossagung von der Welt und das gleichzeitige Teil-sein von dieser. Lilys Musik ist für die Jugendlichen also eine Art Meditation, eine Möglichkeit aus der grauenhaften Welt zu entfliehen und zu leben. Gleichzeitig steht je nach Album Lilys eine bestimmte Farbe und die dazugehörige Emotion im Vordergrund. Doch letztendlich lösen sich all diese Gefühle, wie Trauer und Verzweiflung im "Äther" auf, bis nur noch das "Sein" existiert.

Die Musik ist außergewöhnlich, melancholisch, befremdlich und mitreißend. Eigentlich spiegelt sich in ihr genau das wider, was wir vom Film zu erwarten haben. Zuerst wissen wir nicht, was wir von ihr zu halten haben und in ihrer Komplexität lässt sie unsere Gedanken wild durcheinander huschen. Doch mit der Zeit kann man gar nicht anders als die Musik von Salyu, welche hier Lily Chou-Chou verkörpert, zu lieben. Und wenn es auch nur ein paar ihrer Stücke sind. Der Musikstil ist nicht wirklich einordbar. Eine Mischung aus New Age, Pop und Trip Hop. Vergleiche mit Björk werden selbst im Film angestellt, doch trifft es das auf keinen Fall. Aber auch außer den Stücken von Salyu besticht der Film durch ungewöhnlich viel, guter und passender Musik, u.a. auch Klassikstücke von Debussy. Selbst wenn man nicht viel vom Film mitnehmen kann, einige werden nicht drum herumkommen den Soundtrack zu kaufen...

Visuell ist "AALCC" auf jeden Fall sehr gut geworden. Einige Szenen sind einfach traumhaft, so z.B. die Momente, in denen die Jugendlichen durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden in den Feldern sitzend der Musik ihres Pop-Idols lauschen.
Mit durchgängig Handheld-Kamera-artigen Aufnahmen hat man das Gefühl immer mitten im Geschehen zu sein, wenn da bloß nicht die für den Zuschauer oftmals konfusen Sprünge wären... Einer dieser merkwürdigen Einschnitte ist wie schon erwähnt die Reise nach Okinawa. Hier wird alles komplett mit einer "richtigen" Handkamera eingefangen, was der Reise wegen des Stilbruchs nochmal das Gefühl eines Einschubs gibt.
Neben dieser fehlenden Ganzheit des Werks ist ebenfalls störend, dass der Film sich manchmal in unwichtigen Szenen verliert. Das trägt nicht nur dazu bei, dass der Film einige Längen aufweist, sondern bewirkt auch, dass er mit fast 2 1/2 Stunden einfach zu lang ist.

"All about Lily Chou-Chou" ist ein Film über die Grausamkeit des Erwachsenwerdens, der Tyrannei und Vereinsamung. Mit einigen schockierenden Szenen zeichnet Iwai ein scharfes, reales und kritisches Bild einer Generation, die vernachlässigt und vom rechten Weg abgekommen einen stummen Schrei nach Liebe ausstößt. Von Selbstmord, Mord und Vergewaltigung wird hier fast jedes Thema ohne falsche Scheu behandelt.
Auch wenn der Film durch seine narrativen Wirren ein frustrierendes Erlebnis bleibt, so gibt es doch einige schöne Szenen. Am Ende wird man sogar den Film in seiner Gänze begreifen können, auch wenn es noch viele kleine Dinge zu interpretieren gilt. Der Weg dahin ist allerdings mit allerlei Steinen für den Zuschauer gepflastert.

Ich habe irgendwo einen Kritiker gelesen, der da schrieb, dass "AALCC" in seinem Kopf keinen Sinn ergab, dafür aber in seinem Herzen. Das trifft es eigentlich ziemlich genau.
"All about Lily Chou-Chou" als Film zu empfehlen wäre falsch. Als Kunstwerk hat der Film seine Daseinsberechtigung und kann sehr bewegend und fast schon wachrüttelnd sein. Es ist schwierig einem solchen Film eine Wertung zukommen zu lassen. Was erwartet man von einem Film? Sinnentleerte oder anspruchsvolle Unterhaltung? Das wird man hier nicht finden! Unterhaltung ist nicht das Motto dieses Films.
"AALCC" ist schwere Filmkost, die wenn man denn bereit ist sich darauf einzulassen, durchaus der Mühe des Schauens Wert ist, und einige unvergessliche Szenen bereit hält.

(Autor: Manfred Selzer)
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