Story: Am 18. Mai 1980 befahl Präsident Chun Doo-hwan (Jang Gwang) auf eine Gruppe protestierender Zivilisten in Gwangju zu schießen. Das
Gwangju-Massaker hat auch heute noch Auswirkungen auf Jin-bae (Jin Goo), der eine Karriere als Gangster eingeschlagen hat, nachdem sein Vater bei dem Massaker
umgekommen und seine Mutter wahnsinnig geworden ist. Sportschützin Mi-jin (Han Hye-jin) hat in Gwangju ihre Mutter verloren und der Polizist Jung-hyuk (Im
Seulong) seine Schwester. Die drei werden von Kim Gap-se (Lee Kyeong-yeong) und seinem Sohn Joo-an (Bae Soo-bin) aufgesucht, die ebenfalls die Dämonen des
Massakers vor 26 Jahren noch nicht losgeworden sind. Ex-Präsident Chun wurde zwar zwischenzeitlich zum Tode verurteilt, wurde allerdings begnadigt und führt
nun ein elitäres Leben, beschützt von Dutzenden Bodyguards. Gab-se will von ihm endlich eine Entschuldigung für seine Taten hören und plant dafür ganz nahe an
den Ex-Präsidenten heranzukommen. Mit dem Schmerz der Vergangenheit geht jedoch jeder der fünf Personen anders um. So plant Mi-jin bereits, Chun zu ermorden und
auf diese Weise endlich Wiedergutmachung zu erfahren.
Kritik: "26 Years" nimmt sich einer großen Narbe der koreanischen Geschichte an, dem Gwangju-Massaker. Der Gerechtigkeit ist seit jenem Tag
nicht Genüge getan worden. Im Mittelpunkt dieses Dramas stehen daher Individuen, die durch die Ereignisse bis heute traumatisiert sind, weil sie
Familienmitglieder verloren haben und ein Grauen mitansehen mussten, das Kindern erspart bleiben sollte. Das Drama versucht sich dabei oft auch als Rache- und
Gangsterstreifen, bei dem wir teilweise auch etwas von der Planung des Anschlags mitbekommen, während wir an anderer Stelle im Dunkeln tappen, bis der Plan in
die Tat umgesetzt wird. Hier ist "26 Years" nicht so erfolgreich, wie er es sein sollte. Allerdings sind die Geschehnisse dank hervorragender dramatischer
Momente zu jeder Zeit mitnehmend. Auch wenn dies leider nicht ganz vom Ende behauptet werden kann.
Bereits einige Filme haben entweder den 18. Mai 1980 als geschichtlichen Hintergrund verwendet oder ihn wie "May 18" komplett in den
Fokus gerückt. "26 Years" beschäftigt sich aber damit, wie die Ereignisse von damals auch heute noch Auswirkungen haben können. Es ist ein Schandfleck in der
koreanischen Geschichte, den die Generation X nicht an die nächste weitergeben möchte. Dass sich dafür einige Inidividuen zusammenfinden, die eigentlich
nicht einmal Rache, sondern Gerechtigkeit und eine Form der Erlösung erlangen wollen, ist ein fanszinierender Aufhänger für einen Mordversuch am ehemaligen
Präsidenten Chun Doo-hwan, den durchaus einige Koreaner wohl nur zu gerne in die Tat umgesetzt sehen würden. Auch wenn man daher tatsächlich mitfiebert und
hofft, dass den Protagonisten ihr Vorhaben gelingt, geht es hier aber wie gesagt lediglich um eine Frage der Gerechtigkeit. Letztlich war Chun schließlich
eigentlich bereits zum Tode verurteilt.
Manch einem geht es aber auch nur um ein Wort der Entschuldigung, welches Chun bis heute nicht über die Lippen bekommen hat. Der Ex-Präsident wird keinesfalls in
einem guten Licht dargestellt und die Feindseligkeit ihm gegenüber ist sofort da, aber das ist bereits unweigerlich der Fall, wenn man die geschichtlichen
Fakten in Betracht zieht und nicht nur die Kaltblütigkeit auf dem Bildschirm, die zeigt, dass Chun seit jeher über Leichen geht, wenn es ihm nützt.
Geschichtliche Vorkenntnisse muss man nicht haben. Das Gwang-ju Massaker selbst wird auf die persönliche Ebene der Protagonisten verschoben, indem deren
Erfahrungen in einer animierten Sequenz gezeigt werden, wohl auch, um die Brutalität etwas zu entschärfen, was ein grandioses Stilmittel ist, da einem dies
nur umso stärker bewusst wird und die Szenen mindestens genauso schwer im Magen liegen, als würden echtes Blut und Gedärme gezeigt werden. Zumal der Film
später auch nicht sonderlich mit Blut geizt.
Jin-bae, charismatisch dargestellt von Jin Goo ("Moby Dick", "Epitaph"), hat eine Narbe im Gesicht, die
ihm von seiner Mutter zugefügt wurde, als sie glaubte, einen der Gwangju-Soldaten vor sich zu haben. Diese Narbe ist natürlich auch eine Metapher und sie
sorgt dafür, dass er als Gangster endet. Wobei hierbei erwähnt werden muss, dass die Gangster alle liebenswerte Kerle sind, die lediglich Gangster werden müssen,
weil die wahren Gangster in der Politik sitzen. Schauspielerisch sticht weiterhin wieder einmal Lee Kyeong-yeong ("Whistle
Blower", "National Security") heraus. Regietechnisch leistet Jo Geun-hyeon in seinem Debüt sehr saubere Arbeit, was
auch nicht verwundern sollte, schließlich war er Art Director für Filme wie "My Way" und "A Tale
of Two Sisters". Auch die Musikuntermalung ist gut gelungen.
Die Geschichte selbst ist mitnehmend und basiert auf einem Webtoon von Kang Pool, der auch die Vorlagen für Filme wie "The Neighbors" und "Hello Schoolgirl" geliefert hat. Allerdings muss bei der Adaption kritisiert werden, dass zu oft das Tempo aus dem Film genommen wird. Und dann, wenn es künstlich hochgetrieben wird, funktioniert es kaum. Dies zeigt sich auch im Finale. Obwohl wir wissen, dass Chun Doo-hwan in der Realität immer noch lebt, kommen die Filmcharaktere sehr nah an ihn heran und es scheint möglich, dass "26 Years" einen Alternativweg der Realität beschreiben könnte. Die knappen Mordversuche wiederholen sich aber so oft, dass ihnen schließlich die Energie fehlt. Auch das Drama wirkt am Ende zu gestreckt, was besonders schade ist, da das Drama der Charaktere sonst die wahre Stärke des Films ist. Übrigens: Fünfzehn Minuten des Films fallen auf den Abspann, da dort allen Personen gedankt wird, die den Film über Crowdfunding mitfinanziert haben. Denn Produzenten hatten Bedenken bei dem politisch brisanten Inhalt des Films oder sagten zu, um dann urplötzlich doch wieder abzuspringen. "26 Years" ist damit auch ein Film über die Meinungsfreiheit, die heute durch die Macht des Mediums Internet stärker an das Volk zurückgeht, als es der koreanischen Regierung lieb sein mag...